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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Aufsaugung von den Blutgefässen.
in denselben wachsen, und sogleich wird ein Theil desselben in die Ge-
webe, durch Filtrationsdruck getrieben, austreten. Derselbe Erfolg wird
zum Vorschein kommen, wenn sich mit der Verdauung, mit der ver-
mehrten Ausscheidung durch Niere, Lunge und Haut, die Zusammen-
setzung des Blutes ändert, oder auch, wenn die chemische Anordnung
der Gewebsflüssigkeiten nach gesteigertem Umsatz derselben eine Aen-
derung erfährt. Denn dann werden die Diffusionsströme lebhafter von
statten gehen. Dazu kommen nun aber noch Absonderungen in Folge
gesteigerter Nervenerregung, welche u. A. nachweislich in Drüsen be-
stehen, die ihre Säfte in zeitweise geschlossene Höhlen ergiessen.
Diese Einrichtungen müssen nun bei den fortlaufenden Veränderungen
in den Zuständen ebensowohl der Flüssigkeiten diesseits und jenseits der
Gefässwand, als auch in denen dieser letzteren selbst, einen reichli-
chen Flüssigkeitserguss veranlassen.

Unsere nächste Aufgabe stellt sich nun dahin, nachzusehen, auf
welchen Wegen und durch welche Mittel die ergossenen Massen wieder
in das Blut zurückkehren. Die Erfahrung lehrt, dass dieses auf zweier-
lei Weise geschehe, einmal durch Diffusion (und Filtration?) in die Blut-
gefässe selbst und dann durch Aufnahme in die Lymphgefässe.

Aufsaugung von den Blutgefässen.

1. Zu der Zeit, in welcher die in der Diffusionslehre vorgetragenen
Thatsachen entweder gar nicht bekannt waren oder wenigstens nicht im
vollen Maasse gewürdigt wurden, war man geneigt, den unmittelbaren
Uebertritt gewisser Stoffe aus den Gewebssäften in das Blut gänzlich zu
leugnen, oder man musste mindestens, um das Bestehen eines solchen
Stromes zu beweisen, zu direkten Versuchen am lebenden Thiere schreiten.
Diese Versuche, welche lange Zeit das Interesse der Physiologen in An-
spruch nahmen *), haben nun wirklich die Aufsaugung durch die Blut-
gefässe in dem Umfange dargethan, in welchem es von der Diffusions-
theorie gefordert wird. Beim gegenwärtigen Stande der letzteren Theorie
und bei unseren Kenntnissen von den Eigenschaften des Blutes, der Ge-
webssäfte und der Gefässhäute dürfte es schwieriger sein, die Aufsaugung
durch die Blutgefässe zu bestreiten, als zu behaupten. Denn einmal
sind beide Flüssigkeiten, das Blut und der Gewebssaft, wässerige Lösungen
von verschiedener qualitativer und quantitativer Zusammensetzung; ferner
wird eine vollkommene chemische oder diffusive Ausgleichung beider
Flüssigkeiten verhindert, indem sich einerseits das Blut fortlaufend in den
Aussonderungswerkzeugen reinigt und zeitweise Eiweissstoffe oder Salze
des Wassers aus den Speisen aufnimmt, während anderseits durch die
chemische Umsetzung in Gewebsflüssigkeiten Stoffe entstehen, welche in
dem Blute entweder gar nicht oder nur in geringem Maasse vorhanden

*) Heusinger's Noten zu Magendie's Physiologie. II. Bd. p. 242.

Aufsaugung von den Blutgefässen.
in denselben wachsen, und sogleich wird ein Theil desselben in die Ge-
webe, durch Filtrationsdruck getrieben, austreten. Derselbe Erfolg wird
zum Vorschein kommen, wenn sich mit der Verdauung, mit der ver-
mehrten Ausscheidung durch Niere, Lunge und Haut, die Zusammen-
setzung des Blutes ändert, oder auch, wenn die chemische Anordnung
der Gewebsflüssigkeiten nach gesteigertem Umsatz derselben eine Aen-
derung erfährt. Denn dann werden die Diffusionsströme lebhafter von
statten gehen. Dazu kommen nun aber noch Absonderungen in Folge
gesteigerter Nervenerregung, welche u. A. nachweislich in Drüsen be-
stehen, die ihre Säfte in zeitweise geschlossene Höhlen ergiessen.
Diese Einrichtungen müssen nun bei den fortlaufenden Veränderungen
in den Zuständen ebensowohl der Flüssigkeiten diesseits und jenseits der
Gefässwand, als auch in denen dieser letzteren selbst, einen reichli-
chen Flüssigkeitserguss veranlassen.

Unsere nächste Aufgabe stellt sich nun dahin, nachzusehen, auf
welchen Wegen und durch welche Mittel die ergossenen Massen wieder
in das Blut zurückkehren. Die Erfahrung lehrt, dass dieses auf zweier-
lei Weise geschehe, einmal durch Diffusion (und Filtration?) in die Blut-
gefässe selbst und dann durch Aufnahme in die Lymphgefässe.

Aufsaugung von den Blutgefässen.

1. Zu der Zeit, in welcher die in der Diffusionslehre vorgetragenen
Thatsachen entweder gar nicht bekannt waren oder wenigstens nicht im
vollen Maasse gewürdigt wurden, war man geneigt, den unmittelbaren
Uebertritt gewisser Stoffe aus den Gewebssäften in das Blut gänzlich zu
leugnen, oder man musste mindestens, um das Bestehen eines solchen
Stromes zu beweisen, zu direkten Versuchen am lebenden Thiere schreiten.
Diese Versuche, welche lange Zeit das Interesse der Physiologen in An-
spruch nahmen *), haben nun wirklich die Aufsaugung durch die Blut-
gefässe in dem Umfange dargethan, in welchem es von der Diffusions-
theorie gefordert wird. Beim gegenwärtigen Stande der letzteren Theorie
und bei unseren Kenntnissen von den Eigenschaften des Blutes, der Ge-
webssäfte und der Gefässhäute dürfte es schwieriger sein, die Aufsaugung
durch die Blutgefässe zu bestreiten, als zu behaupten. Denn einmal
sind beide Flüssigkeiten, das Blut und der Gewebssaft, wässerige Lösungen
von verschiedener qualitativer und quantitativer Zusammensetzung; ferner
wird eine vollkommene chemische oder diffusive Ausgleichung beider
Flüssigkeiten verhindert, indem sich einerseits das Blut fortlaufend in den
Aussonderungswerkzeugen reinigt und zeitweise Eiweissstoffe oder Salze
des Wassers aus den Speisen aufnimmt, während anderseits durch die
chemische Umsetzung in Gewebsflüssigkeiten Stoffe entstehen, welche in
dem Blute entweder gar nicht oder nur in geringem Maasse vorhanden

*) Heusinger’s Noten zu Magendie’s Physiologie. II. Bd. p. 242.
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[364/0380] Aufsaugung von den Blutgefässen. in denselben wachsen, und sogleich wird ein Theil desselben in die Ge- webe, durch Filtrationsdruck getrieben, austreten. Derselbe Erfolg wird zum Vorschein kommen, wenn sich mit der Verdauung, mit der ver- mehrten Ausscheidung durch Niere, Lunge und Haut, die Zusammen- setzung des Blutes ändert, oder auch, wenn die chemische Anordnung der Gewebsflüssigkeiten nach gesteigertem Umsatz derselben eine Aen- derung erfährt. Denn dann werden die Diffusionsströme lebhafter von statten gehen. Dazu kommen nun aber noch Absonderungen in Folge gesteigerter Nervenerregung, welche u. A. nachweislich in Drüsen be- stehen, die ihre Säfte in zeitweise geschlossene Höhlen ergiessen. Diese Einrichtungen müssen nun bei den fortlaufenden Veränderungen in den Zuständen ebensowohl der Flüssigkeiten diesseits und jenseits der Gefässwand, als auch in denen dieser letzteren selbst, einen reichli- chen Flüssigkeitserguss veranlassen. Unsere nächste Aufgabe stellt sich nun dahin, nachzusehen, auf welchen Wegen und durch welche Mittel die ergossenen Massen wieder in das Blut zurückkehren. Die Erfahrung lehrt, dass dieses auf zweier- lei Weise geschehe, einmal durch Diffusion (und Filtration?) in die Blut- gefässe selbst und dann durch Aufnahme in die Lymphgefässe. Aufsaugung von den Blutgefässen. 1. Zu der Zeit, in welcher die in der Diffusionslehre vorgetragenen Thatsachen entweder gar nicht bekannt waren oder wenigstens nicht im vollen Maasse gewürdigt wurden, war man geneigt, den unmittelbaren Uebertritt gewisser Stoffe aus den Gewebssäften in das Blut gänzlich zu leugnen, oder man musste mindestens, um das Bestehen eines solchen Stromes zu beweisen, zu direkten Versuchen am lebenden Thiere schreiten. Diese Versuche, welche lange Zeit das Interesse der Physiologen in An- spruch nahmen *), haben nun wirklich die Aufsaugung durch die Blut- gefässe in dem Umfange dargethan, in welchem es von der Diffusions- theorie gefordert wird. Beim gegenwärtigen Stande der letzteren Theorie und bei unseren Kenntnissen von den Eigenschaften des Blutes, der Ge- webssäfte und der Gefässhäute dürfte es schwieriger sein, die Aufsaugung durch die Blutgefässe zu bestreiten, als zu behaupten. Denn einmal sind beide Flüssigkeiten, das Blut und der Gewebssaft, wässerige Lösungen von verschiedener qualitativer und quantitativer Zusammensetzung; ferner wird eine vollkommene chemische oder diffusive Ausgleichung beider Flüssigkeiten verhindert, indem sich einerseits das Blut fortlaufend in den Aussonderungswerkzeugen reinigt und zeitweise Eiweissstoffe oder Salze des Wassers aus den Speisen aufnimmt, während anderseits durch die chemische Umsetzung in Gewebsflüssigkeiten Stoffe entstehen, welche in dem Blute entweder gar nicht oder nur in geringem Maasse vorhanden *) Heusinger’s Noten zu Magendie’s Physiologie. II. Bd. p. 242.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/380>, abgerufen am 21.11.2024.