Darstellung des Rückstromes aus den Geweben (Resorptio) und in die Aufnahme und Verdauung der Speisen (Nutritio).
Aufsaugung aus den Geweben.
Einleitung. Der Strom, welcher aus den Geweben in das Blut zu- rückgeht, muss, wenn auch sein Umfang und seine mittlere Geschwindig- keit nur unvollkommen bekannt sind, jedenfalls als ein mächtiger ange- sprochen werden, der im Körper des erwachsenen Menschen täglich nach Kilogrammen zu schätzen ist. Diese gewaltige Masse, welche weitaus übertrifft die Ausscheidungen in den auswerfenden Werkzeugen, macht es von vorne herein begreiflich, dass der Rückstrom nicht allein führen kann die Umsetzungsprodukte der Gewebe und der zwischen dieselben ein- gelagerten Flüssigkeiten. Die chemische Untersuchung, so weit sie vor- genommen, bestätigt nun in der That diese Voraussicht, indem sie nicht allein erkennen lässt, dass in dem aus den Geweben wieder aufgesogenen Lösungsgemenge die wesentlichen Blutbestandtheile in unveränderter Eigenschaft enthalten sind, sondern noch mehr, dass die Menge dieser letzteren unvergleichlich viel bedeutender ist, als diejenige der wirklichen Umsetzungsprodukte erster oder zweiter Ordnung. Aus diesen überraschen- den Erfahrungen erwächst uns also die Ueberzeugung, dass aus dem Blute viel mehr austritt, als nothwendig wäre zum einfachen Ersatz der Zerstörungen, welche durch das Leben in den festen und flüssigen Organbestandtheilen angebracht sind, und dass demnach der grösste Theil der ausgeschiedenen Stoffe auch wieder unverändert in das Blut zurückkehrt. So besteht also ein innerer Kreislauf der ernährenden Flüssigkeiten, welchen Bidder und Schmidt im Gegensatz zu Stoffbewegungen aus den Speisen in das Blut und aus diesem in die sogenannten letzten Wege (Lunge, Niere, Haut) als intermediären Kreislauf bezeichnet haben.
Die erste Bedingung zur Einleitung dieses inneren Kreislaufes ist also die reichliche Absonderung aus dem Blute in die Gewebe und die Körperhöhlen. Diese letztere würde ein unbegreifliches Faktum sein, wenn die Blutflüssigkeit in den Geweben nur befördert würde durch die Anziehung dieser letzteren; da wir aber in dem vorstehenden Abschnitte kaum Spuren einer solchen Beziehung aufgefunden, da wir im Gegen- theil bemerkt haben, dass andere allgemeiner wirkende Ursachen die Säftebewegung aus dem Blute unterhalten, so kann uns in der That, so lange sich die Betrachtung nur an die groben Umrisse hält, die Erschei- nung nichts Befremdendes bieten. Das Blut, welches in den Gefässen enthalten ist, strebt, wie wir wissen, durch die porösen Wandungen hin- durch seinen Druck und seine chemische Zusammensetzung auszugleichen mit den ausserhalb der Gefässe liegenden Flüssigkeiten. Mehrt sich also z. B. nach der Verdauung der Gefässinhalt, so wird die mittlere Spannung
Aufsaugung aus den Geweben.
Darstellung des Rückstromes aus den Geweben (Resorptio) und in die Aufnahme und Verdauung der Speisen (Nutritio).
Aufsaugung aus den Geweben.
Einleitung. Der Strom, welcher aus den Geweben in das Blut zu- rückgeht, muss, wenn auch sein Umfang und seine mittlere Geschwindig- keit nur unvollkommen bekannt sind, jedenfalls als ein mächtiger ange- sprochen werden, der im Körper des erwachsenen Menschen täglich nach Kilogrammen zu schätzen ist. Diese gewaltige Masse, welche weitaus übertrifft die Ausscheidungen in den auswerfenden Werkzeugen, macht es von vorne herein begreiflich, dass der Rückstrom nicht allein führen kann die Umsetzungsprodukte der Gewebe und der zwischen dieselben ein- gelagerten Flüssigkeiten. Die chemische Untersuchung, so weit sie vor- genommen, bestätigt nun in der That diese Voraussicht, indem sie nicht allein erkennen lässt, dass in dem aus den Geweben wieder aufgesogenen Lösungsgemenge die wesentlichen Blutbestandtheile in unveränderter Eigenschaft enthalten sind, sondern noch mehr, dass die Menge dieser letzteren unvergleichlich viel bedeutender ist, als diejenige der wirklichen Umsetzungsprodukte erster oder zweiter Ordnung. Aus diesen überraschen- den Erfahrungen erwächst uns also die Ueberzeugung, dass aus dem Blute viel mehr austritt, als nothwendig wäre zum einfachen Ersatz der Zerstörungen, welche durch das Leben in den festen und flüssigen Organbestandtheilen angebracht sind, und dass demnach der grösste Theil der ausgeschiedenen Stoffe auch wieder unverändert in das Blut zurückkehrt. So besteht also ein innerer Kreislauf der ernährenden Flüssigkeiten, welchen Bidder und Schmidt im Gegensatz zu Stoffbewegungen aus den Speisen in das Blut und aus diesem in die sogenannten letzten Wege (Lunge, Niere, Haut) als intermediären Kreislauf bezeichnet haben.
Die erste Bedingung zur Einleitung dieses inneren Kreislaufes ist also die reichliche Absonderung aus dem Blute in die Gewebe und die Körperhöhlen. Diese letztere würde ein unbegreifliches Faktum sein, wenn die Blutflüssigkeit in den Geweben nur befördert würde durch die Anziehung dieser letzteren; da wir aber in dem vorstehenden Abschnitte kaum Spuren einer solchen Beziehung aufgefunden, da wir im Gegen- theil bemerkt haben, dass andere allgemeiner wirkende Ursachen die Säftebewegung aus dem Blute unterhalten, so kann uns in der That, so lange sich die Betrachtung nur an die groben Umrisse hält, die Erschei- nung nichts Befremdendes bieten. Das Blut, welches in den Gefässen enthalten ist, strebt, wie wir wissen, durch die porösen Wandungen hin- durch seinen Druck und seine chemische Zusammensetzung auszugleichen mit den ausserhalb der Gefässe liegenden Flüssigkeiten. Mehrt sich also z. B. nach der Verdauung der Gefässinhalt, so wird die mittlere Spannung
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[363/0379]
Aufsaugung aus den Geweben.
Darstellung des Rückstromes aus den Geweben (Resorptio) und in die
Aufnahme und Verdauung der Speisen (Nutritio).
Aufsaugung aus den Geweben.
Einleitung. Der Strom, welcher aus den Geweben in das Blut zu-
rückgeht, muss, wenn auch sein Umfang und seine mittlere Geschwindig-
keit nur unvollkommen bekannt sind, jedenfalls als ein mächtiger ange-
sprochen werden, der im Körper des erwachsenen Menschen täglich nach
Kilogrammen zu schätzen ist. Diese gewaltige Masse, welche weitaus
übertrifft die Ausscheidungen in den auswerfenden Werkzeugen, macht
es von vorne herein begreiflich, dass der Rückstrom nicht allein führen
kann die Umsetzungsprodukte der Gewebe und der zwischen dieselben ein-
gelagerten Flüssigkeiten. Die chemische Untersuchung, so weit sie vor-
genommen, bestätigt nun in der That diese Voraussicht, indem sie nicht
allein erkennen lässt, dass in dem aus den Geweben wieder aufgesogenen
Lösungsgemenge die wesentlichen Blutbestandtheile in unveränderter
Eigenschaft enthalten sind, sondern noch mehr, dass die Menge dieser
letzteren unvergleichlich viel bedeutender ist, als diejenige der wirklichen
Umsetzungsprodukte erster oder zweiter Ordnung. Aus diesen überraschen-
den Erfahrungen erwächst uns also die Ueberzeugung, dass aus dem
Blute viel mehr austritt, als nothwendig wäre zum einfachen Ersatz
der Zerstörungen, welche durch das Leben in den festen und flüssigen
Organbestandtheilen angebracht sind, und dass demnach der grösste Theil
der ausgeschiedenen Stoffe auch wieder unverändert in das Blut zurückkehrt.
So besteht also ein innerer Kreislauf der ernährenden Flüssigkeiten,
welchen Bidder und Schmidt im Gegensatz zu Stoffbewegungen aus
den Speisen in das Blut und aus diesem in die sogenannten letzten Wege
(Lunge, Niere, Haut) als intermediären Kreislauf bezeichnet
haben.
Die erste Bedingung zur Einleitung dieses inneren Kreislaufes ist
also die reichliche Absonderung aus dem Blute in die Gewebe und die
Körperhöhlen. Diese letztere würde ein unbegreifliches Faktum sein,
wenn die Blutflüssigkeit in den Geweben nur befördert würde durch die
Anziehung dieser letzteren; da wir aber in dem vorstehenden Abschnitte
kaum Spuren einer solchen Beziehung aufgefunden, da wir im Gegen-
theil bemerkt haben, dass andere allgemeiner wirkende Ursachen die
Säftebewegung aus dem Blute unterhalten, so kann uns in der That, so
lange sich die Betrachtung nur an die groben Umrisse hält, die Erschei-
nung nichts Befremdendes bieten. Das Blut, welches in den Gefässen
enthalten ist, strebt, wie wir wissen, durch die porösen Wandungen hin-
durch seinen Druck und seine chemische Zusammensetzung auszugleichen
mit den ausserhalb der Gefässe liegenden Flüssigkeiten. Mehrt sich also
z. B. nach der Verdauung der Gefässinhalt, so wird die mittlere Spannung
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/379>, abgerufen am 21.11.2024.
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