Lütkemann, Joachim: Von der Mühseligen Kürtze des Menschlichen Lebens : Ein Leich-Sermon/ Bey der Adelichen Leichbegängnus Deß ... Herrn Gebhard Moltken ... Rostock, 1645.solches des Teuffels Werck sey / wann wir vns ferne schetzen von dem Jammer / der vns doch nechst für der Thüre stehet. Doch ist der Jammer der für augen vnd sichtbar ist / bey vnserm Leben nur der geringste / das grösseste ist vnsichtbar / vnd trifft die Seele. Die Alten haben diß für gebildet in einer solchen Figur. Es flihet ein Mensch für einem grawsamen Einhorn / vnd im fliehen fellet er in eine abscheuliche tieffe Gruben / im Fall ergreifft er ein Zweiglein einer Stauden / daran erhelt er sich / folgends aber wird er gewar zweyer Mäuse / die vnauffhörlich an der Wurtzel der Stauden nagen / vnd fast auff die Helffte gekommen seyn; da schlegt er seine Augen vnter sich / vnd sihet in der Gruben einen gräwlichen Drachen / der Fewer ausspeyet. Da er weiter in dieser Angst seine Augen hie vnd dort hinwendet / sihet er vber diß alles etliche gifftige Schlangen Köpffe aus der Hölen herfür krichen. Endlich erhebt er seine Augen über sich / vnd sihet etwas Honig auff den Blettern der Stauden / daran er mit solcher Begirligkeit sich erlustiget / daß er aller Gefahr vergist / vnd seyn gantzes Hertz darhin richtet / wie er nur des Honiges mehr haben könne. So vnd nicht anders stehet es mit einem Menschen der die Hochheit vnd Ergetzligkeit der Welt suchet vnd liebet. Vnser Leben wird benaget vnauffhörlich von Tagvnd Nacht / als von zwo Meusen / vnd müssen alle Augenblick warten / daß der Baum vmbfall. Vmb vns ist allerley Schrecken vnd Vnglück / vnter vns die grawsame Hellenglut. In diesem Jammer sehen wir auff die Lustigkeit des Weltwesens / das nimpt vns also ein / daß wir weder nach dem Himmel vns sehnen / noch für der Hellen erschrecken. Solche Krafft hat die Welt mit jhrer Pracht / Ehr vnd Reichthumb. Sie verblendet vns / daß wir keiner Gefahr achten: solches des Teuffels Werck sey / wann wir vns ferne schetzen von dem Jammer / der vns doch nechst für der Thüre stehet. Doch ist der Jammer der für augen vnd sichtbar ist / bey vnserm Leben nur der geringste / das grösseste ist vnsichtbar / vnd trifft die Seele. Die Alten haben diß für gebildet in einer solchen Figur. Es flihet ein Mensch für einem grawsamen Einhorn / vnd im fliehen fellet er in eine abscheuliche tieffe Gruben / im Fall ergreifft er ein Zweiglein einer Stauden / daran erhelt er sich / folgends aber wird er gewar zweyer Mäuse / die vnauffhörlich an der Wurtzel der Stauden nagen / vnd fast auff die Helffte gekommen seyn; da schlegt er seine Augen vnter sich / vnd sihet in der Gruben einen gräwlichen Drachen / der Fewer ausspeyet. Da er weiter in dieser Angst seine Augen hie vnd dort hinwendet / sihet er vber diß alles etliche gifftige Schlangen Köpffe aus der Hölen herfür krichen. Endlich erhebt er seine Augen über sich / vnd sihet etwas Honig auff den Blettern der Stauden / daran er mit solcher Begirligkeit sich erlustiget / daß er aller Gefahr vergist / vnd seyn gantzes Hertz darhin richtet / wie er nur des Honiges mehr haben könne. So vnd nicht anders stehet es mit einem Menschen der die Hochheit vnd Ergetzligkeit der Welt suchet vnd liebet. Vnser Leben wird benaget vnauffhörlich von Tagvnd Nacht / als von zwo Meusen / vnd müssen alle Augenblick warten / daß der Baum vmbfall. Vmb vns ist allerley Schrecken vnd Vnglück / vnter vns die grawsame Hellenglut. In diesem Jammer sehen wir auff die Lustigkeit des Weltwesens / das nimpt vns also ein / daß wir weder nach dem Himmel vns sehnen / noch für der Hellen erschrecken. Solche Krafft hat die Welt mit jhrer Pracht / Ehr vnd Reichthumb. Sie verblendet vns / daß wir keiner Gefahr achten: <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0019" n="19"/> solches des Teuffels Werck sey / wann wir vns ferne schetzen von dem Jammer / der vns doch nechst für der Thüre stehet.</p> <p>Doch ist der Jammer der für augen vnd sichtbar ist / bey vnserm Leben nur der geringste / das grösseste ist vnsichtbar / vnd trifft die Seele. Die Alten haben diß für gebildet in einer solchen Figur. Es flihet ein Mensch für einem grawsamen Einhorn / vnd im fliehen fellet er in eine abscheuliche tieffe Gruben / im Fall ergreifft er ein Zweiglein einer Stauden / daran erhelt er sich / folgends aber wird er gewar zweyer Mäuse / die vnauffhörlich an der Wurtzel der Stauden nagen / vnd fast auff die Helffte gekommen seyn; da schlegt er seine Augen vnter sich / vnd sihet in der Gruben einen gräwlichen Drachen / der Fewer ausspeyet. Da er weiter in dieser Angst seine Augen hie vnd dort hinwendet / sihet er vber diß alles etliche gifftige Schlangen Köpffe aus der Hölen herfür krichen. Endlich erhebt er seine Augen über sich / vnd sihet etwas Honig auff den Blettern der Stauden / daran er mit solcher Begirligkeit sich erlustiget / daß er aller Gefahr vergist / vnd seyn gantzes Hertz darhin richtet / wie er nur des Honiges mehr haben könne. So vnd nicht anders stehet es mit einem Menschen der die Hochheit vnd Ergetzligkeit der Welt suchet vnd liebet. Vnser Leben wird benaget vnauffhörlich von Tagvnd Nacht / als von zwo Meusen / vnd müssen alle Augenblick warten / daß der Baum vmbfall. Vmb vns ist allerley Schrecken vnd Vnglück / vnter vns die grawsame Hellenglut. In diesem Jammer sehen wir auff die Lustigkeit des Weltwesens / das nimpt vns also ein / daß wir weder nach dem Himmel vns sehnen / noch für der Hellen erschrecken. Solche Krafft hat die Welt mit jhrer Pracht / Ehr vnd Reichthumb. Sie verblendet vns / daß wir keiner Gefahr achten: </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
solches des Teuffels Werck sey / wann wir vns ferne schetzen von dem Jammer / der vns doch nechst für der Thüre stehet.
Doch ist der Jammer der für augen vnd sichtbar ist / bey vnserm Leben nur der geringste / das grösseste ist vnsichtbar / vnd trifft die Seele. Die Alten haben diß für gebildet in einer solchen Figur. Es flihet ein Mensch für einem grawsamen Einhorn / vnd im fliehen fellet er in eine abscheuliche tieffe Gruben / im Fall ergreifft er ein Zweiglein einer Stauden / daran erhelt er sich / folgends aber wird er gewar zweyer Mäuse / die vnauffhörlich an der Wurtzel der Stauden nagen / vnd fast auff die Helffte gekommen seyn; da schlegt er seine Augen vnter sich / vnd sihet in der Gruben einen gräwlichen Drachen / der Fewer ausspeyet. Da er weiter in dieser Angst seine Augen hie vnd dort hinwendet / sihet er vber diß alles etliche gifftige Schlangen Köpffe aus der Hölen herfür krichen. Endlich erhebt er seine Augen über sich / vnd sihet etwas Honig auff den Blettern der Stauden / daran er mit solcher Begirligkeit sich erlustiget / daß er aller Gefahr vergist / vnd seyn gantzes Hertz darhin richtet / wie er nur des Honiges mehr haben könne. So vnd nicht anders stehet es mit einem Menschen der die Hochheit vnd Ergetzligkeit der Welt suchet vnd liebet. Vnser Leben wird benaget vnauffhörlich von Tagvnd Nacht / als von zwo Meusen / vnd müssen alle Augenblick warten / daß der Baum vmbfall. Vmb vns ist allerley Schrecken vnd Vnglück / vnter vns die grawsame Hellenglut. In diesem Jammer sehen wir auff die Lustigkeit des Weltwesens / das nimpt vns also ein / daß wir weder nach dem Himmel vns sehnen / noch für der Hellen erschrecken. Solche Krafft hat die Welt mit jhrer Pracht / Ehr vnd Reichthumb. Sie verblendet vns / daß wir keiner Gefahr achten:
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Zitationshilfe: | Lütkemann, Joachim: Von der Mühseligen Kürtze des Menschlichen Lebens : Ein Leich-Sermon/ Bey der Adelichen Leichbegängnus Deß ... Herrn Gebhard Moltken ... Rostock, 1645, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luetkemann_kuertze_1645/19>, abgerufen am 27.07.2024. |