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Lütkemann, Joachim: Von der Mühseligen Kürtze des Menschlichen Lebens : Ein Leich-Sermon/ Bey der Adelichen Leichbegängnus Deß ... Herrn Gebhard Moltken ... Rostock, 1645.

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heit. Kan im geringsten jhm selbst nicht fort helffen / wie er wan andere Thierlein thun können. Er kan weder gehen noch stehen / lernet von jhm selber weder reden noch essen. Nicht bessers kan er als weinen vnd heulen / das ist seine erste Stimm / damit ist er sein eigen Prophet / vnd bezeuget daß er zu einem kläglichen Leben gebohren wird / darinnen er mehr zu erwarten hat / daß man zu beweinen / als darüber man zu lachen hat. Vnd scheinet als wann er mit Pein vnd Marter / Verdruß vnd Vnwillen sein Leben anfänget. Das doch ein Mensch so töricht ist / vnd darff jhm einbilden / daß so ein kümmerlicher Anfang seines Lebens jhn zu Vppigkeit / Stoltz vnnd Hochmuth aufferzogen habe! Bedencken wir den Fortgang des Lebens / wie viel Kranckheiten / wie viel Vnglück findet man in der Welt? Vnd lebet kein einiger Mensch der sagen darff / daß er für einem einigen Vnglück versichert sey / da wir offt mehr auff Dornen als auff Rosen tantzen müssen. Vnd daran kan ein Mensch mit seiner Liebe so sehr kieben! Kommen wir auff den Todt / was finden wir für Angst bey den Sterbenden / wann die Seele soll ausfahren / Wie muß das Hertz offt arbeiten? Was für eine Gestalt vnd Geruch empfinden wir bey dem Todten Cörper? Weren wirs nicht gewohnet / so manchen Todten für vns zu sehen / würden wir für der Angst eines sterbenden Menschen vnd scheußligkeit seines verstorbenen Cörpers vns nicht wenig entsetzen. Noch mögen wir vnser Welt Leben hoch achten / vnd so hoch / als würde es ewig bleiben! Man möchte sich fast wundern / wie es zugehe / wann der Mensche für augen sihet an seinen nechsten so manchen Jammer / die Vnbestendigkeit des Glücks; so manchen Todten / vnd sich dennoch frey schätzen darff für den Todt vnd vnglückseeligen Tagen. Man soll aber wissen / daß

heit. Kan im geringsten jhm selbst nicht fort helffen / wie er wan andere Thierlein thun können. Er kan weder gehen noch stehen / lernet von jhm selber weder reden noch essen. Nicht bessers kan er als weinen vnd heulen / das ist seine erste Stim̃ / damit ist er sein eigen Prophet / vnd bezeuget daß er zu einem kläglichen Leben gebohren wird / darinnen er mehr zu erwarten hat / daß man zu beweinen / als darüber man zu lachen hat. Vnd scheinet als wann er mit Pein vnd Marter / Verdruß vnd Vnwillen sein Leben anfänget. Das doch ein Mensch so töricht ist / vnd darff jhm einbilden / daß so ein kümmerlicher Anfang seines Lebens jhn zu Vppigkeit / Stoltz vnnd Hochmuth aufferzogen habe! Bedencken wir den Fortgang des Lebens / wie viel Kranckheiten / wie viel Vnglück findet man in der Welt? Vnd lebet kein einiger Mensch der sagen darff / daß er für einem einigen Vnglück versichert sey / da wir offt mehr auff Dornen als auff Rosen tantzen müssen. Vnd daran kan ein Mensch mit seiner Liebe so sehr kieben! Kommen wir auff den Todt / was finden wir für Angst bey den Sterbenden / wann die Seele soll ausfahren / Wie muß das Hertz offt arbeiten? Was für eine Gestalt vnd Geruch empfinden wir bey dem Todten Cörper? Weren wirs nicht gewohnet / so manchẽ Todten für vns zu sehen / würden wir für der Angst eines sterbenden Menschen vnd scheußligkeit seines verstorbenen Cörpers vns nicht wenig entsetzen. Noch mögen wir vnser Welt Leben hoch achten / vnd so hoch / als würde es ewig bleiben! Man möchte sich fast wundern / wie es zugehe / wann der Mensche für augen sihet an seinen nechsten so manchen Jammer / die Vnbestendigkeit des Glücks; so manchen Todten / vñ sich dennoch frey schätzen darff für den Todt vnd vnglückseeligen Tagen. Man soll aber wissen / daß

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[18/0018] heit. Kan im geringsten jhm selbst nicht fort helffen / wie er wan andere Thierlein thun können. Er kan weder gehen noch stehen / lernet von jhm selber weder reden noch essen. Nicht bessers kan er als weinen vnd heulen / das ist seine erste Stim̃ / damit ist er sein eigen Prophet / vnd bezeuget daß er zu einem kläglichen Leben gebohren wird / darinnen er mehr zu erwarten hat / daß man zu beweinen / als darüber man zu lachen hat. Vnd scheinet als wann er mit Pein vnd Marter / Verdruß vnd Vnwillen sein Leben anfänget. Das doch ein Mensch so töricht ist / vnd darff jhm einbilden / daß so ein kümmerlicher Anfang seines Lebens jhn zu Vppigkeit / Stoltz vnnd Hochmuth aufferzogen habe! Bedencken wir den Fortgang des Lebens / wie viel Kranckheiten / wie viel Vnglück findet man in der Welt? Vnd lebet kein einiger Mensch der sagen darff / daß er für einem einigen Vnglück versichert sey / da wir offt mehr auff Dornen als auff Rosen tantzen müssen. Vnd daran kan ein Mensch mit seiner Liebe so sehr kieben! Kommen wir auff den Todt / was finden wir für Angst bey den Sterbenden / wann die Seele soll ausfahren / Wie muß das Hertz offt arbeiten? Was für eine Gestalt vnd Geruch empfinden wir bey dem Todten Cörper? Weren wirs nicht gewohnet / so manchẽ Todten für vns zu sehen / würden wir für der Angst eines sterbenden Menschen vnd scheußligkeit seines verstorbenen Cörpers vns nicht wenig entsetzen. Noch mögen wir vnser Welt Leben hoch achten / vnd so hoch / als würde es ewig bleiben! Man möchte sich fast wundern / wie es zugehe / wann der Mensche für augen sihet an seinen nechsten so manchen Jammer / die Vnbestendigkeit des Glücks; so manchen Todten / vñ sich dennoch frey schätzen darff für den Todt vnd vnglückseeligen Tagen. Man soll aber wissen / daß

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Von der Mühseligen Kürtze des Menschlichen Lebens : Ein Leich-Sermon/ Bey der Adelichen Leichbegängnus Deß ... Herrn Gebhard Moltken ... Rostock, 1645, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luetkemann_kuertze_1645/18>, abgerufen am 21.11.2024.