zwischen dem blossen Druck (der todten Kraft) und der Kraft des bewegten Körpers (der lebendigen Kraft), welche letztere aus der Summe der Druckimpulse her- vorgeht. Diese Impulse bringen zwar einen "Impetus" (mv) hervor, derselbe ist aber keineswegs das wahre Kraftmaass, welches vielmehr, weil die Ursache der Wirkung entsprechen muss (nach den obigen Be- trachtungen) durch mv2 bestimmt ist. Leibnitz bemerkt ferner, dass nur mit der Annahme seines Kraft- maasses die Möglichkeit eines perpetuum mobile ausgeschlossen sei.
Einen eigentlichen Massenbegriff hat Leibnitz so we- nig als Descartes, er spricht vom Körper (corpus), von der Last (moles), von ungleich grossen Körpern des- selben specifischen Gewichtes u. s. w. Nur in der zweiten Abhandlung kommt einmal der Ausdruck "massa" vor, welcher wahrscheinlich Newton entlehnt ist. Will man jedoch mit den Leibnitz'schen Ausdrücken einen klaren Begriff verbinden, so muss man allerdings an die Masse denken, wie es die Nachfolger auch gethan haben. Im übrigen geht Leibnitz viel mehr nach natur- wissenschaftlicher Methode vor als Descartes. Doch werden zwei Dinge vermengt, die Frage nach dem Kraftmaass, und die Frage nach der Unveränder- lichkeit der Summen [S]mv und [S]mv2. Beide haben eigentlich nichts miteinander zu schaffen. Was die erste Frage betrifft, so wissen wir schon, dass sowol das Des- cartes'sche als das Leibnitz'sche Kraftmaass oder vielmehr Maass der Wirkungsfähigkeit eines bewegten Körpers, jedes in einem andern Sinne seine Berechtigung hat. Beide Maasse sind aber, wie Leibnitz auch ganz wohl bemerkte, mit dem gewöhnlichen (Newton'schen) Kraft- maass nicht zu verwechseln.
In Bezug auf die zweite Frage haben die spätern Untersuchungen von Newton gelehrt, dass die Descar- tes'sche Summe [S]mv für freie Massensysteme, die von aussen keine Einwirkung erfahren, in der That unver- änderlich ist, und die Untersuchungen von Huyghens
Drittes Kapitel.
zwischen dem blossen Druck (der todten Kraft) und der Kraft des bewegten Körpers (der lebendigen Kraft), welche letztere aus der Summe der Druckimpulse her- vorgeht. Diese Impulse bringen zwar einen „Impetus‟ (mv) hervor, derselbe ist aber keineswegs das wahre Kraftmaass, welches vielmehr, weil die Ursache der Wirkung entsprechen muss (nach den obigen Be- trachtungen) durch mv2 bestimmt ist. Leibnitz bemerkt ferner, dass nur mit der Annahme seines Kraft- maasses die Möglichkeit eines perpetuum mobile ausgeschlossen sei.
Einen eigentlichen Massenbegriff hat Leibnitz so we- nig als Descartes, er spricht vom Körper (corpus), von der Last (moles), von ungleich grossen Körpern des- selben specifischen Gewichtes u. s. w. Nur in der zweiten Abhandlung kommt einmal der Ausdruck „massa‟ vor, welcher wahrscheinlich Newton entlehnt ist. Will man jedoch mit den Leibnitz’schen Ausdrücken einen klaren Begriff verbinden, so muss man allerdings an die Masse denken, wie es die Nachfolger auch gethan haben. Im übrigen geht Leibnitz viel mehr nach natur- wissenschaftlicher Methode vor als Descartes. Doch werden zwei Dinge vermengt, die Frage nach dem Kraftmaass, und die Frage nach der Unveränder- lichkeit der Summen [Σ]mv und [Σ]mv2. Beide haben eigentlich nichts miteinander zu schaffen. Was die erste Frage betrifft, so wissen wir schon, dass sowol das Des- cartes’sche als das Leibnitz’sche Kraftmaass oder vielmehr Maass der Wirkungsfähigkeit eines bewegten Körpers, jedes in einem andern Sinne seine Berechtigung hat. Beide Maasse sind aber, wie Leibnitz auch ganz wohl bemerkte, mit dem gewöhnlichen (Newton’schen) Kraft- maass nicht zu verwechseln.
In Bezug auf die zweite Frage haben die spätern Untersuchungen von Newton gelehrt, dass die Descar- tes’sche Summe [Σ]mv für freie Massensysteme, die von aussen keine Einwirkung erfahren, in der That unver- änderlich ist, und die Untersuchungen von Huyghens
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Drittes Kapitel.
zwischen dem blossen Druck (der todten Kraft) und der
Kraft des bewegten Körpers (der lebendigen Kraft),
welche letztere aus der Summe der Druckimpulse her-
vorgeht. Diese Impulse bringen zwar einen „Impetus‟
(mv) hervor, derselbe ist aber keineswegs das wahre
Kraftmaass, welches vielmehr, weil die Ursache der
Wirkung entsprechen muss (nach den obigen Be-
trachtungen) durch mv2 bestimmt ist. Leibnitz bemerkt
ferner, dass nur mit der Annahme seines Kraft-
maasses die Möglichkeit eines perpetuum mobile
ausgeschlossen sei.
Einen eigentlichen Massenbegriff hat Leibnitz so we-
nig als Descartes, er spricht vom Körper (corpus), von
der Last (moles), von ungleich grossen Körpern des-
selben specifischen Gewichtes u. s. w. Nur in der
zweiten Abhandlung kommt einmal der Ausdruck „massa‟
vor, welcher wahrscheinlich Newton entlehnt ist. Will
man jedoch mit den Leibnitz’schen Ausdrücken einen
klaren Begriff verbinden, so muss man allerdings an
die Masse denken, wie es die Nachfolger auch gethan
haben. Im übrigen geht Leibnitz viel mehr nach natur-
wissenschaftlicher Methode vor als Descartes. Doch
werden zwei Dinge vermengt, die Frage nach dem
Kraftmaass, und die Frage nach der Unveränder-
lichkeit der Summen Σmv und Σmv2. Beide haben
eigentlich nichts miteinander zu schaffen. Was die erste
Frage betrifft, so wissen wir schon, dass sowol das Des-
cartes’sche als das Leibnitz’sche Kraftmaass oder vielmehr
Maass der Wirkungsfähigkeit eines bewegten Körpers,
jedes in einem andern Sinne seine Berechtigung hat.
Beide Maasse sind aber, wie Leibnitz auch ganz wohl
bemerkte, mit dem gewöhnlichen (Newton’schen) Kraft-
maass nicht zu verwechseln.
In Bezug auf die zweite Frage haben die spätern
Untersuchungen von Newton gelehrt, dass die Descar-
tes’sche Summe Σmv für freie Massensysteme, die von
aussen keine Einwirkung erfahren, in der That unver-
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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/270>, abgerufen am 18.06.2024.
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