Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Die weitere Verwendung der Principien u. s. w.
fallend, so nimmt seine Endgeschwindigkeit proportio-
nal der Fallzeit zu. Selbst die kleinste Geschwindig-
keit bedarf einer gewissen Zeit zum Entstehen (ein Satz,
der noch von Mariotte bestritten wurde). Stellen wir
uns einen Körper mit einer vertical aufwärts gerichteten
Geschwindigkeit behaftet vor, so steigt er nach Maassgabe
dieser Geschwindigkeit eine gewisse Zeit und folglich
auch eine gewisse Wegstrecke aufwärts. Der schwerste
Körper, mit der kleinsten Geschwindigkeit vertical auf-
wärts behaftet, steigt, wenn auch noch so wenig, der
Schwere entgegen. Wenn also ein noch so schwerer
Körper durch einen noch so kleinen bewegten Körper
von beliebig geringer Geschwindigkeit einen momentanen
Stoss aufwärts erhält, der ihm die kleinste Geschwindig-
keit ertheilt, so wird er gleichwol nachgeben und sich
etwas aufwärts bewegen. Der kleinste Stoss vermag
also den grössten Druck zu überwinden, oder wie
Galilei sagt, die Kraft des Stosses ist gegen die Kraft
des Druckes unendlichgross. Dieses Resultat, welches
zuweilen auf eine Unklarheit Galilei's bezogen wird,
ist vielmehr ein glänzender Beweis seiner Verstandes-
schärfe. Wir würden heute sagen, die Kraft des Stosses,
das Moment, der Impuls, die Bewegungsgrösse mv
ist eine Grösse von anderer Dimension als der Druck p.
Die Dimension der erstern ist mlt--1, jene der letztern
mlt--2. In der That verhält sich also der Druck zu
dem Moment des Stosses, wie eine Linie zu einer
Fläche. Der Druck ist p, das Stossmoment aber pt.
Man kann ohne mathematische Terminologie kaum besser
sprechen, als es Galilei gethan hat. Zugleich sehen
wir jetzt, warum man den Stoss eines continuirlichen
Flüssigkeitsstrahles wirklich durch einen Druck messen
kann. Wir vergleichen eine per Secunde vernichtete
Bewegungsgrösse mit einem per Secunde wirkenden
Druck, also gleichartige Grössen von der Form pt.

4. Die erste ausführlichere Behandlung der Stossge-
setze wurde im Jahre 1668 durch die Königliche Gesell-
schaft zu London angeregt. Drei hervorragende Physiker

Mach. 19

Die weitere Verwendung der Principien u. s. w.
fallend, so nimmt seine Endgeschwindigkeit proportio-
nal der Fallzeit zu. Selbst die kleinste Geschwindig-
keit bedarf einer gewissen Zeit zum Entstehen (ein Satz,
der noch von Mariotte bestritten wurde). Stellen wir
uns einen Körper mit einer vertical aufwärts gerichteten
Geschwindigkeit behaftet vor, so steigt er nach Maassgabe
dieser Geschwindigkeit eine gewisse Zeit und folglich
auch eine gewisse Wegstrecke aufwärts. Der schwerste
Körper, mit der kleinsten Geschwindigkeit vertical auf-
wärts behaftet, steigt, wenn auch noch so wenig, der
Schwere entgegen. Wenn also ein noch so schwerer
Körper durch einen noch so kleinen bewegten Körper
von beliebig geringer Geschwindigkeit einen momentanen
Stoss aufwärts erhält, der ihm die kleinste Geschwindig-
keit ertheilt, so wird er gleichwol nachgeben und sich
etwas aufwärts bewegen. Der kleinste Stoss vermag
also den grössten Druck zu überwinden, oder wie
Galilei sagt, die Kraft des Stosses ist gegen die Kraft
des Druckes unendlichgross. Dieses Resultat, welches
zuweilen auf eine Unklarheit Galilei’s bezogen wird,
ist vielmehr ein glänzender Beweis seiner Verstandes-
schärfe. Wir würden heute sagen, die Kraft des Stosses,
das Moment, der Impuls, die Bewegungsgrösse mv
ist eine Grösse von anderer Dimension als der Druck p.
Die Dimension der erstern ist mlt—1, jene der letztern
mlt—2. In der That verhält sich also der Druck zu
dem Moment des Stosses, wie eine Linie zu einer
Fläche. Der Druck ist p, das Stossmoment aber pt.
Man kann ohne mathematische Terminologie kaum besser
sprechen, als es Galilei gethan hat. Zugleich sehen
wir jetzt, warum man den Stoss eines continuirlichen
Flüssigkeitsstrahles wirklich durch einen Druck messen
kann. Wir vergleichen eine per Secunde vernichtete
Bewegungsgrösse mit einem per Secunde wirkenden
Druck, also gleichartige Grössen von der Form pt.

4. Die erste ausführlichere Behandlung der Stossge-
setze wurde im Jahre 1668 durch die Königliche Gesell-
schaft zu London angeregt. Drei hervorragende Physiker

Mach. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0301" n="289"/><fw place="top" type="header">Die weitere Verwendung der Principien u. s. w.</fw><lb/>
fallend, so nimmt seine Endgeschwindigkeit proportio-<lb/>
nal der Fallzeit zu. Selbst die <hi rendition="#g">kleinste</hi> Geschwindig-<lb/>
keit bedarf einer gewissen <hi rendition="#g">Zeit</hi> zum Entstehen (ein Satz,<lb/>
der noch von Mariotte bestritten wurde). Stellen wir<lb/>
uns einen Körper mit einer vertical aufwärts gerichteten<lb/>
Geschwindigkeit behaftet vor, so steigt er nach Maassgabe<lb/>
dieser Geschwindigkeit eine gewisse Zeit und folglich<lb/>
auch eine gewisse Wegstrecke aufwärts. Der schwerste<lb/>
Körper, mit der kleinsten Geschwindigkeit vertical auf-<lb/>
wärts behaftet, steigt, wenn auch noch so wenig, der<lb/>
Schwere entgegen. Wenn also ein noch so schwerer<lb/>
Körper durch einen noch so kleinen bewegten Körper<lb/>
von beliebig geringer Geschwindigkeit einen momentanen<lb/>
Stoss aufwärts erhält, der ihm die kleinste Geschwindig-<lb/>
keit ertheilt, so wird er gleichwol nachgeben und sich<lb/>
etwas aufwärts bewegen. Der <hi rendition="#g">kleinste</hi> Stoss vermag<lb/>
also den <hi rendition="#g">grössten</hi> Druck zu überwinden, oder wie<lb/>
Galilei sagt, die Kraft des Stosses ist gegen die Kraft<lb/>
des Druckes <hi rendition="#g">unendlichgross</hi>. Dieses Resultat, welches<lb/>
zuweilen auf eine Unklarheit Galilei&#x2019;s bezogen wird,<lb/>
ist vielmehr ein glänzender Beweis seiner Verstandes-<lb/>
schärfe. Wir würden heute sagen, die Kraft des Stosses,<lb/>
das Moment, der Impuls, die Bewegungsgrösse <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">mv</hi></hi><lb/>
ist eine Grösse von anderer <hi rendition="#g">Dimension</hi> als der Druck <hi rendition="#i">p</hi>.<lb/>
Die Dimension der erstern ist <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">mlt</hi><hi rendition="#sup">&#x2014;1</hi></hi>, jene der letztern<lb/><hi rendition="#g"><hi rendition="#i">mlt</hi><hi rendition="#sup">&#x2014;2</hi></hi>. In der That verhält sich also der Druck zu<lb/>
dem Moment des Stosses, wie eine Linie zu einer<lb/>
Fläche. Der Druck ist <hi rendition="#i">p</hi>, das Stossmoment aber <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">pt</hi></hi>.<lb/>
Man kann ohne mathematische Terminologie kaum besser<lb/>
sprechen, als es Galilei gethan hat. Zugleich sehen<lb/>
wir jetzt, warum man den Stoss eines continuirlichen<lb/>
Flüssigkeitsstrahles wirklich durch einen <hi rendition="#g">Druck</hi> messen<lb/>
kann. Wir vergleichen eine per Secunde vernichtete<lb/>
Bewegungsgrösse mit einem per Secunde wirkenden<lb/>
Druck, also <hi rendition="#g">gleichartige</hi> Grössen von der Form <hi rendition="#g"><hi rendition="#i">pt</hi></hi>.</p><lb/>
          <p>4. Die erste ausführlichere Behandlung der Stossge-<lb/>
setze wurde im Jahre 1668 durch die Königliche Gesell-<lb/>
schaft zu London angeregt. Drei hervorragende Physiker<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#k">Mach.</hi> 19</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0301] Die weitere Verwendung der Principien u. s. w. fallend, so nimmt seine Endgeschwindigkeit proportio- nal der Fallzeit zu. Selbst die kleinste Geschwindig- keit bedarf einer gewissen Zeit zum Entstehen (ein Satz, der noch von Mariotte bestritten wurde). Stellen wir uns einen Körper mit einer vertical aufwärts gerichteten Geschwindigkeit behaftet vor, so steigt er nach Maassgabe dieser Geschwindigkeit eine gewisse Zeit und folglich auch eine gewisse Wegstrecke aufwärts. Der schwerste Körper, mit der kleinsten Geschwindigkeit vertical auf- wärts behaftet, steigt, wenn auch noch so wenig, der Schwere entgegen. Wenn also ein noch so schwerer Körper durch einen noch so kleinen bewegten Körper von beliebig geringer Geschwindigkeit einen momentanen Stoss aufwärts erhält, der ihm die kleinste Geschwindig- keit ertheilt, so wird er gleichwol nachgeben und sich etwas aufwärts bewegen. Der kleinste Stoss vermag also den grössten Druck zu überwinden, oder wie Galilei sagt, die Kraft des Stosses ist gegen die Kraft des Druckes unendlichgross. Dieses Resultat, welches zuweilen auf eine Unklarheit Galilei’s bezogen wird, ist vielmehr ein glänzender Beweis seiner Verstandes- schärfe. Wir würden heute sagen, die Kraft des Stosses, das Moment, der Impuls, die Bewegungsgrösse mv ist eine Grösse von anderer Dimension als der Druck p. Die Dimension der erstern ist mlt—1, jene der letztern mlt—2. In der That verhält sich also der Druck zu dem Moment des Stosses, wie eine Linie zu einer Fläche. Der Druck ist p, das Stossmoment aber pt. Man kann ohne mathematische Terminologie kaum besser sprechen, als es Galilei gethan hat. Zugleich sehen wir jetzt, warum man den Stoss eines continuirlichen Flüssigkeitsstrahles wirklich durch einen Druck messen kann. Wir vergleichen eine per Secunde vernichtete Bewegungsgrösse mit einem per Secunde wirkenden Druck, also gleichartige Grössen von der Form pt. 4. Die erste ausführlichere Behandlung der Stossge- setze wurde im Jahre 1668 durch die Königliche Gesell- schaft zu London angeregt. Drei hervorragende Physiker Mach. 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/301
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/301>, abgerufen am 28.11.2024.