oben für die einfachen Fälle gegebene physikalische Interpretation des Satzes der kleinsten Wirkung lässt sich auch in complicirtern Fällen festhalten, wenn man sich Scharen von Flächen gleicher Spannung, gleicher Geschwindigkeit oder gleicher Brechungsexponenten construirt denkt, welche den Faden, die Bewegungsbahn oder die Lichtbahn in Elemente theilen, und nun unter [a] den Winkel dieser Elemente gegen die zugehörigen Flächennormalen versteht. Lagrange hat den Satz der kleinsten Wirkung auf ein System von Massen ausge- dehnt, und in der Form gegeben
[Formel 1]
Bedenkt man, dass durch die Verbindung der Massen der Satz der lebendigen Kräfte, welcher die wesent- liche Grundlage des Satzes der kleinsten Wirkung ist, nicht aufgehoben wird, so findet man auch für diesen Fall letztern Satz gültig und physikalisch verständlich.
9. Der Hamilton'sche Satz.
1. Es wurde schon bemerkt, dass sich verschiedene Ausdrücke erdenken lassen, welche so beschaffen sind, dass durch Nullsetzung der Variationen derselben die gewöhnlichen Bewegungsgleichungen gewonnen werden. Einen solchen Ausdruck enthält der Hamilton'sche Satz
[Formel 2]
oder
[Formel 3]
in welchem [d]U und [d]T die Variationen der Arbeit und der lebendigen Kraft bedeuten, die aber für die An- fangs- und Endzeit verschwinden müssen. Der Hamil- ton'sche Satz ist leicht aus dem d'Alembert'schen ab- zuleiten und umgekehrt letzterer aus dem erstern, weil
Drittes Kapitel.
oben für die einfachen Fälle gegebene physikalische Interpretation des Satzes der kleinsten Wirkung lässt sich auch in complicirtern Fällen festhalten, wenn man sich Scharen von Flächen gleicher Spannung, gleicher Geschwindigkeit oder gleicher Brechungsexponenten construirt denkt, welche den Faden, die Bewegungsbahn oder die Lichtbahn in Elemente theilen, und nun unter [α] den Winkel dieser Elemente gegen die zugehörigen Flächennormalen versteht. Lagrange hat den Satz der kleinsten Wirkung auf ein System von Massen ausge- dehnt, und in der Form gegeben
[Formel 1]
Bedenkt man, dass durch die Verbindung der Massen der Satz der lebendigen Kräfte, welcher die wesent- liche Grundlage des Satzes der kleinsten Wirkung ist, nicht aufgehoben wird, so findet man auch für diesen Fall letztern Satz gültig und physikalisch verständlich.
9. Der Hamilton’sche Satz.
1. Es wurde schon bemerkt, dass sich verschiedene Ausdrücke erdenken lassen, welche so beschaffen sind, dass durch Nullsetzung der Variationen derselben die gewöhnlichen Bewegungsgleichungen gewonnen werden. Einen solchen Ausdruck enthält der Hamilton’sche Satz
[Formel 2]
oder
[Formel 3]
in welchem [δ]U und [δ]T die Variationen der Arbeit und der lebendigen Kraft bedeuten, die aber für die An- fangs- und Endzeit verschwinden müssen. Der Hamil- ton’sche Satz ist leicht aus dem d’Alembert’schen ab- zuleiten und umgekehrt letzterer aus dem erstern, weil
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0368"n="356"/><fwplace="top"type="header">Drittes Kapitel.</fw><lb/>
oben für die einfachen Fälle gegebene <hirendition="#g">physikalische</hi><lb/>
Interpretation des Satzes der kleinsten Wirkung lässt<lb/>
sich auch in complicirtern Fällen festhalten, wenn man<lb/>
sich Scharen von Flächen gleicher Spannung, gleicher<lb/>
Geschwindigkeit oder gleicher Brechungsexponenten<lb/>
construirt denkt, welche den Faden, die Bewegungsbahn<lb/>
oder die Lichtbahn in Elemente theilen, und nun unter<lb/><supplied>α</supplied> den Winkel dieser <hirendition="#g">Elemente</hi> gegen die zugehörigen<lb/><hirendition="#g">Flächennormalen</hi> versteht. Lagrange hat den Satz<lb/>
der kleinsten Wirkung auf ein System von Massen ausge-<lb/>
dehnt, und in der Form gegeben<lb/><formula/> Bedenkt man, dass durch die Verbindung der Massen<lb/>
der Satz der lebendigen Kräfte, welcher die wesent-<lb/>
liche Grundlage des Satzes der kleinsten Wirkung ist,<lb/>
nicht aufgehoben wird, so findet man auch für diesen<lb/>
Fall letztern Satz gültig und physikalisch verständlich.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#i">9. Der Hamilton’sche Satz.</hi></head><lb/><p>1. Es wurde schon bemerkt, dass sich <hirendition="#g">verschiedene</hi><lb/>
Ausdrücke erdenken lassen, welche so beschaffen sind,<lb/>
dass durch Nullsetzung der Variationen derselben die<lb/>
gewöhnlichen Bewegungsgleichungen gewonnen werden.<lb/>
Einen solchen Ausdruck enthält der Hamilton’sche Satz<lb/><formula/> oder<lb/><formula/> in welchem <hirendition="#g"><supplied>δ</supplied><hirendition="#i">U</hi></hi> und <hirendition="#g"><supplied>δ</supplied><hirendition="#i">T</hi></hi> die Variationen der Arbeit<lb/>
und der lebendigen Kraft bedeuten, die aber für die An-<lb/>
fangs- und Endzeit verschwinden müssen. Der Hamil-<lb/>
ton’sche Satz ist leicht aus dem d’Alembert’schen ab-<lb/>
zuleiten und umgekehrt letzterer aus dem erstern, weil<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[356/0368]
Drittes Kapitel.
oben für die einfachen Fälle gegebene physikalische
Interpretation des Satzes der kleinsten Wirkung lässt
sich auch in complicirtern Fällen festhalten, wenn man
sich Scharen von Flächen gleicher Spannung, gleicher
Geschwindigkeit oder gleicher Brechungsexponenten
construirt denkt, welche den Faden, die Bewegungsbahn
oder die Lichtbahn in Elemente theilen, und nun unter
α den Winkel dieser Elemente gegen die zugehörigen
Flächennormalen versteht. Lagrange hat den Satz
der kleinsten Wirkung auf ein System von Massen ausge-
dehnt, und in der Form gegeben
[FORMEL] Bedenkt man, dass durch die Verbindung der Massen
der Satz der lebendigen Kräfte, welcher die wesent-
liche Grundlage des Satzes der kleinsten Wirkung ist,
nicht aufgehoben wird, so findet man auch für diesen
Fall letztern Satz gültig und physikalisch verständlich.
9. Der Hamilton’sche Satz.
1. Es wurde schon bemerkt, dass sich verschiedene
Ausdrücke erdenken lassen, welche so beschaffen sind,
dass durch Nullsetzung der Variationen derselben die
gewöhnlichen Bewegungsgleichungen gewonnen werden.
Einen solchen Ausdruck enthält der Hamilton’sche Satz
[FORMEL] oder
[FORMEL] in welchem δU und δT die Variationen der Arbeit
und der lebendigen Kraft bedeuten, die aber für die An-
fangs- und Endzeit verschwinden müssen. Der Hamil-
ton’sche Satz ist leicht aus dem d’Alembert’schen ab-
zuleiten und umgekehrt letzterer aus dem erstern, weil
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/368>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.