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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Viertes Kapitel.
tigt. Die theologische Auffassung wich nach und nach
einer sehr nüchternen, welche aber mit einem bedeu-
tenden Gewinn an Aufklärung verbunden war, wie wir
dies in Kürze andeuten wollen.

Wenn wir sagen, das Licht bewege sich auf einem
Wege kürzester Zeit, so können wir dadurch manches
überschauen. Wir wissen aber noch nicht, warum das
Licht die Wege kürzester Zeit vorzieht. Mit der An-
nahme der Weisheit des Schöpfers verzichten wir auf
weitere Einsicht. Wir wissen heute, dass sich das Licht
auf allen Wegen bewegt, dass aber nur auf den
Wegen kürzester Zeit die Lichtwellen sich so verstär-
ken, dass ein merkliches Resultat zu Stande kommt.
Das Licht scheint sich also nur auf Wegen kürzester
Zeit zu bewegen. Nach Beseitigung des Vorurtheils
fand man alsbald Fälle, in welchen neben der vermeint-
lichen Sparsamkeit der Natur die auffallendste Ver-
schwendung auftritt. Solche hat z. B. Jacobi in Bezug
auf das Euler'sche Princip der kleinsten Wirkung nach-
gewiesen. Manche Naturerscheinungen machen also blos
deshalb den Eindruck der Sparsamkeit, weil sie nur
dann sichtbar hervortreten, wenn eben zufällig ein Zu-
sammensparen der Effecte stattfindet. Dies ist derselbe
Gedanke im Gebiete des Unorganischen, welchen Darwin
im Gebiete der organischen Natur ausgeführt hat. Wir
erleichtern uns instinctiv die Auffassung der Natur, in-
dem wir die uns geläufigen ökonomischen Vorstellungen
auf dieselbe übertragen.

Zuweilen zeigen die Naturvorgänge darum eine Maxi-
mum- oder Minimumeigenschaft, weil in diesem Falle
des Grössten oder Kleinsten die Ursachen weiterer Ver-
änderung wegfallen. Die Kettenlinie weist den tiefsten
Schwerpunkt auf, weil nur bei dem tiefsten Schwerpunkt
kein weiterer Fall der Kettenglieder mehr möglich ist.
Die Flüssigkeiten unter dem Einfluss der Molecularkräfte
bieten ein Minimum der Oberfläche dar, weil stabiles
Gleichgewicht nur bestehen kann, wenn die Molecular-
kräfte die Oberfläche nicht weiter verkleinern können. Das

Viertes Kapitel.
tigt. Die theologische Auffassung wich nach und nach
einer sehr nüchternen, welche aber mit einem bedeu-
tenden Gewinn an Aufklärung verbunden war, wie wir
dies in Kürze andeuten wollen.

Wenn wir sagen, das Licht bewege sich auf einem
Wege kürzester Zeit, so können wir dadurch manches
überschauen. Wir wissen aber noch nicht, warum das
Licht die Wege kürzester Zeit vorzieht. Mit der An-
nahme der Weisheit des Schöpfers verzichten wir auf
weitere Einsicht. Wir wissen heute, dass sich das Licht
auf allen Wegen bewegt, dass aber nur auf den
Wegen kürzester Zeit die Lichtwellen sich so verstär-
ken, dass ein merkliches Resultat zu Stande kommt.
Das Licht scheint sich also nur auf Wegen kürzester
Zeit zu bewegen. Nach Beseitigung des Vorurtheils
fand man alsbald Fälle, in welchen neben der vermeint-
lichen Sparsamkeit der Natur die auffallendste Ver-
schwendung auftritt. Solche hat z. B. Jacobi in Bezug
auf das Euler’sche Princip der kleinsten Wirkung nach-
gewiesen. Manche Naturerscheinungen machen also blos
deshalb den Eindruck der Sparsamkeit, weil sie nur
dann sichtbar hervortreten, wenn eben zufällig ein Zu-
sammensparen der Effecte stattfindet. Dies ist derselbe
Gedanke im Gebiete des Unorganischen, welchen Darwin
im Gebiete der organischen Natur ausgeführt hat. Wir
erleichtern uns instinctiv die Auffassung der Natur, in-
dem wir die uns geläufigen ökonomischen Vorstellungen
auf dieselbe übertragen.

Zuweilen zeigen die Naturvorgänge darum eine Maxi-
mum- oder Minimumeigenschaft, weil in diesem Falle
des Grössten oder Kleinsten die Ursachen weiterer Ver-
änderung wegfallen. Die Kettenlinie weist den tiefsten
Schwerpunkt auf, weil nur bei dem tiefsten Schwerpunkt
kein weiterer Fall der Kettenglieder mehr möglich ist.
Die Flüssigkeiten unter dem Einfluss der Molecularkräfte
bieten ein Minimum der Oberfläche dar, weil stabiles
Gleichgewicht nur bestehen kann, wenn die Molecular-
kräfte die Oberfläche nicht weiter verkleinern können. Das

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[432/0444] Viertes Kapitel. tigt. Die theologische Auffassung wich nach und nach einer sehr nüchternen, welche aber mit einem bedeu- tenden Gewinn an Aufklärung verbunden war, wie wir dies in Kürze andeuten wollen. Wenn wir sagen, das Licht bewege sich auf einem Wege kürzester Zeit, so können wir dadurch manches überschauen. Wir wissen aber noch nicht, warum das Licht die Wege kürzester Zeit vorzieht. Mit der An- nahme der Weisheit des Schöpfers verzichten wir auf weitere Einsicht. Wir wissen heute, dass sich das Licht auf allen Wegen bewegt, dass aber nur auf den Wegen kürzester Zeit die Lichtwellen sich so verstär- ken, dass ein merkliches Resultat zu Stande kommt. Das Licht scheint sich also nur auf Wegen kürzester Zeit zu bewegen. Nach Beseitigung des Vorurtheils fand man alsbald Fälle, in welchen neben der vermeint- lichen Sparsamkeit der Natur die auffallendste Ver- schwendung auftritt. Solche hat z. B. Jacobi in Bezug auf das Euler’sche Princip der kleinsten Wirkung nach- gewiesen. Manche Naturerscheinungen machen also blos deshalb den Eindruck der Sparsamkeit, weil sie nur dann sichtbar hervortreten, wenn eben zufällig ein Zu- sammensparen der Effecte stattfindet. Dies ist derselbe Gedanke im Gebiete des Unorganischen, welchen Darwin im Gebiete der organischen Natur ausgeführt hat. Wir erleichtern uns instinctiv die Auffassung der Natur, in- dem wir die uns geläufigen ökonomischen Vorstellungen auf dieselbe übertragen. Zuweilen zeigen die Naturvorgänge darum eine Maxi- mum- oder Minimumeigenschaft, weil in diesem Falle des Grössten oder Kleinsten die Ursachen weiterer Ver- änderung wegfallen. Die Kettenlinie weist den tiefsten Schwerpunkt auf, weil nur bei dem tiefsten Schwerpunkt kein weiterer Fall der Kettenglieder mehr möglich ist. Die Flüssigkeiten unter dem Einfluss der Molecularkräfte bieten ein Minimum der Oberfläche dar, weil stabiles Gleichgewicht nur bestehen kann, wenn die Molecular- kräfte die Oberfläche nicht weiter verkleinern können. Das

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/444>, abgerufen am 23.11.2024.