also eine Ungerechtigkeit, die ich an meinen ärmern Mitmenschen verübe, ein Raub und ein Betrug, deren ich mich gegen die Dürftigen schuldig mache, eine Untreue, die ich gegen dich selbst begehe, der du mir diese Güter nicht zu solchen, sondern zu ganz andern Absichten verliehen hast.
Kann und soll mir mein Reichthum so edle, menschenfreundliche Gesinnungen einflößen und mich zu so gemeinnützigen und wohlthätigen Handlungen er- muntern, kann und soll er meine Denkungsart ver- edeln, mein Herz erweitern und meine Menschenliebe entflammen, so darf er mich auf keine Weise stolz und eitel machen. Die Eitelkeit verenget das Herz, ver- schlimmert die Denkungsart und ist stets mit Selbst- sucht, mit Neid, mit Eigennutz verbunden. Sie kann unmöglich mit der ächten, aufgeklärten Men- schenliebe und wahren Wohlthätigkeit bestehen. Je mehrere Mittel, die Forderungen der Eitelkeit zu be- friedigen, mir also mein Reichthum anbietet, desto ernstlicher und frühzeitiger muß ich mich dagegen waff- nen. Lasse ich mich aber von diesem Laster beherrschen, dann, ja dann hat der Reichthum keinen Werth für mich; dann beschäfftige ich mich blos mit mir selbst; dann verschwende ich das an Pracht und Putz und Ueppig- keit, wodurch ich das Elend meiner Mitmenschen ver- mindern sollte; dann wird das Mitleiden, die Theilnehmung und die wahre, wohlthätige Empfind- samkeit vom Leichtsinne und von der Modesucht ver- drängt; dann sind Kopf und Herz mit ganz andern
Entwür-
Die reiche Hausfrau.
alſo eine Ungerechtigkeit, die ich an meinen ärmern Mitmenſchen verübe, ein Raub und ein Betrug, deren ich mich gegen die Dürftigen ſchuldig mache, eine Untreue, die ich gegen dich ſelbſt begehe, der du mir dieſe Güter nicht zu ſolchen, ſondern zu ganz andern Abſichten verliehen haſt.
Kann und ſoll mir mein Reichthum ſo edle, menſchenfreundliche Geſinnungen einflößen und mich zu ſo gemeinnützigen und wohlthätigen Handlungen er- muntern, kann und ſoll er meine Denkungsart ver- edeln, mein Herz erweitern und meine Menſchenliebe entflammen, ſo darf er mich auf keine Weiſe ſtolz und eitel machen. Die Eitelkeit verenget das Herz, ver- ſchlimmert die Denkungsart und iſt ſtets mit Selbſt- ſucht, mit Neid, mit Eigennutz verbunden. Sie kann unmöglich mit der ächten, aufgeklärten Men- ſchenliebe und wahren Wohlthätigkeit beſtehen. Je mehrere Mittel, die Forderungen der Eitelkeit zu be- friedigen, mir alſo mein Reichthum anbietet, deſto ernſtlicher und frühzeitiger muß ich mich dagegen waff- nen. Laſſe ich mich aber von dieſem Laſter beherrſchen, dann, ja dann hat der Reichthum keinen Werth für mich; dann beſchäfftige ich mich blos mit mir ſelbſt; dann verſchwende ich das an Pracht und Putz und Ueppig- keit, wodurch ich das Elend meiner Mitmenſchen ver- mindern ſollte; dann wird das Mitleiden, die Theilnehmung und die wahre, wohlthätige Empfind- ſamkeit vom Leichtſinne und von der Modeſucht ver- drängt; dann ſind Kopf und Herz mit ganz andern
Entwür-
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Die reiche Hausfrau.
alſo eine Ungerechtigkeit, die ich an meinen ärmern
Mitmenſchen verübe, ein Raub und ein Betrug,
deren ich mich gegen die Dürftigen ſchuldig mache, eine
Untreue, die ich gegen dich ſelbſt begehe, der du mir
dieſe Güter nicht zu ſolchen, ſondern zu ganz andern
Abſichten verliehen haſt.
Kann und ſoll mir mein Reichthum ſo edle,
menſchenfreundliche Geſinnungen einflößen und mich
zu ſo gemeinnützigen und wohlthätigen Handlungen er-
muntern, kann und ſoll er meine Denkungsart ver-
edeln, mein Herz erweitern und meine Menſchenliebe
entflammen, ſo darf er mich auf keine Weiſe ſtolz und
eitel machen. Die Eitelkeit verenget das Herz, ver-
ſchlimmert die Denkungsart und iſt ſtets mit Selbſt-
ſucht, mit Neid, mit Eigennutz verbunden. Sie
kann unmöglich mit der ächten, aufgeklärten Men-
ſchenliebe und wahren Wohlthätigkeit beſtehen. Je
mehrere Mittel, die Forderungen der Eitelkeit zu be-
friedigen, mir alſo mein Reichthum anbietet, deſto
ernſtlicher und frühzeitiger muß ich mich dagegen waff-
nen. Laſſe ich mich aber von dieſem Laſter beherrſchen,
dann, ja dann hat der Reichthum keinen Werth für
mich; dann beſchäfftige ich mich blos mit mir ſelbſt;
dann verſchwende ich das an Pracht und Putz und Ueppig-
keit, wodurch ich das Elend meiner Mitmenſchen ver-
mindern ſollte; dann wird das Mitleiden, die
Theilnehmung und die wahre, wohlthätige Empfind-
ſamkeit vom Leichtſinne und von der Modeſucht ver-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/206>, abgerufen am 16.02.2025.
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