Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.Die mit Leibesfrucht gesegnete Gattin. Ja, meine Liebe, meine Zärtlichkeit, meine Jtzt fordert mich meine Bestimmnng zur größten durch
Die mit Leibesfrucht geſegnete Gattin. Ja, meine Liebe, meine Zärtlichkeit, meine Jtzt fordert mich meine Beſtimmnng zur größten durch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0230" n="218"/> <fw place="top" type="header">Die mit Leibesfrucht geſegnete Gattin.</fw><lb/> <p>Ja, meine Liebe, meine Zärtlichkeit, meine<lb/> Sorgfalt müſſen ſchon itzt für das Wohl des werden-<lb/> den Menſchen wachen, der mir ſein Daſeyn nicht nur,<lb/> ſondern auch ſein Glück verdanken ſoll. Was iſt das<lb/> Leben ohne Geſundheit und ohne Tugend? Und wie<lb/> viel kann ich nicht in meinem gegenwärtigen Zuſtande<lb/> dazu beytragen, daß der Menſch, der Chriſt, der<lb/> durch mich ſein Daſeyn erhält, ſich auch dieſes Da-<lb/> ſeyns freuen und geſund und tugendhaft werden kann!<lb/> O wie wichtig, wie reich an Folgen iſt alles, was ich<lb/> itzt will und wünſche, was ich thue und genieße! Wie<lb/> wenig gleichgültig, wie voll Einfluß iſt itzt jeder<lb/> Schritt, jeder Wunſch, jede Empfindung, jede Hand-<lb/> lung meines Lebens!</p><lb/> <p>Jtzt fordert mich meine Beſtimmnng zur größten<lb/> Mäßigkeit und zum eingeſchränkteſten, vorſichtigſten<lb/> Genuſſe aller ſinnlichen Vergnügungen auf. Jtzt hat<lb/> jede Bewegung, jede Anſtrengung, jede Behandlung<lb/> meines Körpers auf den Körper meines Kindes Ein-<lb/> fluß. Jtzt kann eine Menge kleiner und an ſich unbe-<lb/> deutender Dinge, itzt können meine Kleidung, meine<lb/> Nahrungsmittel, meine beobachtete Ordnung in Ge-<lb/> ſchäfften und Vergnügungen die gute oder ſchlechte Be-<lb/> ſchaffenheit deſſelben beſtimmen. Jtzt ſündige ich durch<lb/> jede Ausſchweifung, durch jedes Uebermaß von Sinn-<lb/> lichkeit zwiefach, weil ich dadurch nicht blos mir, ſon-<lb/> dern auch dem Kinde, das ich unter meinem Herzen<lb/> trage, Schaden zufüge. O wie oft hat es die Mut-<lb/> ter verſchuldet, daß ſich ihr Kind mit einem ſiechen,<lb/> kränklichen Körper oder mit wirklichen Leibesgebrechen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0230]
Die mit Leibesfrucht geſegnete Gattin.
Ja, meine Liebe, meine Zärtlichkeit, meine
Sorgfalt müſſen ſchon itzt für das Wohl des werden-
den Menſchen wachen, der mir ſein Daſeyn nicht nur,
ſondern auch ſein Glück verdanken ſoll. Was iſt das
Leben ohne Geſundheit und ohne Tugend? Und wie
viel kann ich nicht in meinem gegenwärtigen Zuſtande
dazu beytragen, daß der Menſch, der Chriſt, der
durch mich ſein Daſeyn erhält, ſich auch dieſes Da-
ſeyns freuen und geſund und tugendhaft werden kann!
O wie wichtig, wie reich an Folgen iſt alles, was ich
itzt will und wünſche, was ich thue und genieße! Wie
wenig gleichgültig, wie voll Einfluß iſt itzt jeder
Schritt, jeder Wunſch, jede Empfindung, jede Hand-
lung meines Lebens!
Jtzt fordert mich meine Beſtimmnng zur größten
Mäßigkeit und zum eingeſchränkteſten, vorſichtigſten
Genuſſe aller ſinnlichen Vergnügungen auf. Jtzt hat
jede Bewegung, jede Anſtrengung, jede Behandlung
meines Körpers auf den Körper meines Kindes Ein-
fluß. Jtzt kann eine Menge kleiner und an ſich unbe-
deutender Dinge, itzt können meine Kleidung, meine
Nahrungsmittel, meine beobachtete Ordnung in Ge-
ſchäfften und Vergnügungen die gute oder ſchlechte Be-
ſchaffenheit deſſelben beſtimmen. Jtzt ſündige ich durch
jede Ausſchweifung, durch jedes Uebermaß von Sinn-
lichkeit zwiefach, weil ich dadurch nicht blos mir, ſon-
dern auch dem Kinde, das ich unter meinem Herzen
trage, Schaden zufüge. O wie oft hat es die Mut-
ter verſchuldet, daß ſich ihr Kind mit einem ſiechen,
kränklichen Körper oder mit wirklichen Leibesgebrechen
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