Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.Von der Nothwendigkeit der Temperatur. §. 122. Wenn das Product von zwölf Quinten eine zu große Das Product von drey großen Terzen giebet ein um Das Product von vier kleinen Terzen giebet eine um §. 123. Zu hohe Jntervalle müssen natürlicher Weise erniedriget, Gleichschwebend ist eine Temperatur, wenn jedes Jn- Ungleich- G 2
Von der Nothwendigkeit der Temperatur. §. 122. Wenn das Product von zwoͤlf Quinten eine zu große Das Product von drey großen Terzen giebet ein um Das Product von vier kleinen Terzen giebet eine um §. 123. Zu hohe Jntervalle muͤſſen natuͤrlicher Weiſe erniedriget, Gleichſchwebend iſt eine Temperatur, wenn jedes Jn- Ungleich- G 2
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Von der Nothwendigkeit der Temperatur.
§. 122.
Wenn das Product von zwoͤlf Quinten eine zu große
Octave, und das Product von zwoͤlf Quarten eine zu kleine
Octave giebet, ſo folget nothwendig, daß das natuͤrliche Ver-
haͤltniß 3:2, und folglich jede einzelne Quinte um [FORMEL] der Dif-
ferenz 531441:524288 zu hoch; und das Verhaͤltniß 4__,
folglich jede einzelne Quarte um eben ſoviel zu niedrig iſt.
Das Product von drey großen Terzen giebet ein um
die kleinere Dieſin 128:125 zu kleine Octave. Folglich iſt
das reine Verhaͤltniß 5:4, und alſo jede einzelne große Terz
um ⅓ dieſes Commatis zu niedrig. Um ſoviel aber die groſ-
ſen Terzen in der Ration 5:4 zu niedrig ſind, um ſoviel ſind
die kleinen Sexten in der Ration 8:5 zu hoch.
Das Product von vier kleinen Terzen giebet eine um
die groͤßere Dieſin 648:625 zu große Octave. Folglich iſt
jede kleine Terz in der Ration 6:5 um ¼ dieſes Commatis zu
hoch. Um ſo viel aber die kleinen Terzen in der Ration 6:5 zu
hoch ſind, um ſoviel ſind die großen Sexten in der Ration
5:3 zu niedrig.
§. 123.
Zu hohe Jntervalle muͤſſen natuͤrlicher Weiſe erniedriget,
und zu niedrige Jntervalle erhoͤhet werden. Jn dieſem Punkt
kommen die Muſiker uͤberein; nur, da ſie nicht alle die Ernie-
drigung und Erhoͤhung verhaͤltnißmaͤßig fordern, ſo geſchicht
es daher, daß zweyerley Arten von Temperaturen entſtehen,
eine gleichſchwebende und ungleichſchwebende.
Gleichſchwebend iſt eine Temperatur, wenn jedes Jn-
tervall ſeiner Natur gemaͤß verhaͤltnißmaͤßig erhoͤhet oder ernie-
driget wird; das iſt, 1) wo jede Quinte 3:2 um [FORMEL] Comm-
pyth. erniedriget, und jede Quarte 4:3 um [FORMEL] dieſes Com-
matis erhoͤhet wird; 2) wo jede große Terz 5:4 um ⅓ der klei-
nern Dieſis 128:125 erhoͤhet, und 3) wo jede kleine Terz 6:5
um ¼ der groͤßern Dieſis 648:625 erniedriget wird. Da ver-
mitteſt dieſer Einrichtung alle gleichartige Jntervalle, und alſo
auch die halben Toͤne geometriſch gleich werden: ſo kann man
die gleichſchwebende Temperatur auch als eine ſolche beſchrei-
ben, wo die zwoͤlf halben Toͤne der Octave in ſtetiger geome-
triſchen Proportion fortgehen.
Ungleich-
G 2
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