Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.Etwas von der musikalischen Transposition. erste Frage wird seyn: warum uns der Hr. Kirnberger eine sounvollständige Temperatur gegeben hat? Denn die Tem- peratur soll sich ja auf alle zwölf harte und zwölf weiche Ton- arten ganz, und nicht etwann nur halb erstrecken. Ein jeder der zwölf halben Töne soll eine Tonica werden können. Es hat der Hr. Auctor zwar durch die zweyte Temperatur die- sen Fehler zum Theil verbessert, und uns durch Verwand- lung des eis : a = f : a aus 4:5 in 128:161 das gute Fis mol zum Theil, (denn 128:161 ist nur ungefähr die Hälfte von 64:81) zu erhalten gesuchet. Aber es fehlen immer annoch die Tonarten Cis mol, Es mol und As mol, oder sie sind we- nigstens nur halb da. §. 239. Wir wollen itzo den Grundsatz, nach welchem der Hr. Kirn- §. 240. P
Etwas von der muſikaliſchen Transpoſition. erſte Frage wird ſeyn: warum uns der Hr. Kirnberger eine ſounvollſtaͤndige Temperatur gegeben hat? Denn die Tem- peratur ſoll ſich ja auf alle zwoͤlf harte und zwoͤlf weiche Ton- arten ganz, und nicht etwann nur halb erſtrecken. Ein jeder der zwoͤlf halben Toͤne ſoll eine Tonica werden koͤnnen. Es hat der Hr. Auctor zwar durch die zweyte Temperatur die- ſen Fehler zum Theil verbeſſert, und uns durch Verwand- lung des eis : a = f : a aus 4:5 in 128:161 das gute Fis mol zum Theil, (denn 128:161 iſt nur ungefaͤhr die Haͤlfte von 64:81) zu erhalten geſuchet. Aber es fehlen immer annoch die Tonarten Cis mol, Es mol und As mol, oder ſie ſind we- nigſtens nur halb da. §. 239. Wir wollen itzo den Grundſatz, nach welchem der Hr. Kirn- §. 240. P
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0245" n="225"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Etwas von der muſikaliſchen Transpoſition.</hi></fw><lb/> erſte Frage wird ſeyn: warum uns der Hr. Kirnberger eine ſo<lb/><hi rendition="#fr">unvollſtaͤndige Temperatur</hi> gegeben hat? Denn die Tem-<lb/> peratur ſoll ſich ja auf alle zwoͤlf harte und zwoͤlf weiche Ton-<lb/> arten <hi rendition="#fr">ganz,</hi> und nicht etwann nur <hi rendition="#fr">halb</hi> erſtrecken. Ein<lb/> jeder der zwoͤlf halben Toͤne ſoll eine Tonica werden koͤnnen.<lb/> Es hat der Hr. Auctor zwar durch die zweyte Temperatur die-<lb/> ſen Fehler <hi rendition="#fr">zum Theil</hi> verbeſſert, und uns durch Verwand-<lb/> lung des <hi rendition="#aq">eis : a = f : a</hi> aus 4:5 in 128:161 das gute <hi rendition="#aq">Fis</hi><lb/> mol zum Theil, (denn 128:161 iſt nur ungefaͤhr die Haͤlfte von<lb/> 64:81) zu erhalten geſuchet. Aber es fehlen immer annoch<lb/> die Tonarten <hi rendition="#aq">Cis</hi> mol, <hi rendition="#aq">Es</hi> mol und <hi rendition="#aq">As</hi> mol, oder ſie ſind we-<lb/> nigſtens nur halb da.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 239.</head><lb/> <p>Wir wollen itzo den Grundſatz, nach welchem der Hr. Kirn-<lb/> berger die Melodie <hi rendition="#aq">a, a, gis, c, a, h, a</hi> fuͤr unmoͤglich in <hi rendition="#aq">Cis, Es,<lb/> Fis</hi> und <hi rendition="#aq">As</hi> mol haͤlt, auf einen andern Fall anwenden. Es iſt<lb/> aber ſein Grundſatz dieſer: <hi rendition="#fr">das Verhaͤltniß 64:81 kann<lb/> fuͤr die verminderte Quarte, nicht aber fuͤr die große<lb/> Terz gebrauchet werden.</hi> Dieſer Grundſatz widerſpricht<lb/> nun zwar demjenigen, nach welchem derſelbe das Verhaͤltniß<lb/> 61:84, wie aus dem <hi rendition="#aq">XXIII</hi>ten Abſchnitt bekannt iſt, fuͤr ein<lb/><hi rendition="#fr">wahres Verhaͤltniß der großen Terz</hi> erklaͤret hat. Aber<lb/> daran muͤſſen wir uns nicht ſtoßen. Es ſeyn die Noten <hi rendition="#aq">ē, ē, ḡ.</hi><lb/> Jch ſage, daß dem Grundſatz des Hrn. Kirnb. zufolge dieſer<lb/> Geſang nicht verſetzet werden kann in <hi rendition="#aq">c, as, es̄,</hi> oder <hi rendition="#aq">g, es, b,</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq">d, b, f̄,</hi> oder <hi rendition="#aq">eis, cis, gis.</hi> Warum? Das Jntervall <hi rendition="#aq">c:e</hi> iſt<lb/> in der Kirnb. Temperatur 4:5, und <hi rendition="#aq">as:c, es:g, b:d,</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">cis:eis</hi> ſind jedes = 64:81. Alſo ſind die harten Tonarten<lb/><hi rendition="#aq">as, es, b</hi> und <hi rendition="#aq">cis</hi> ebenfalls unvollſtaͤndig, ſo wie die weichen <hi rendition="#aq">cis,<lb/> es, fis</hi> und <hi rendition="#aq">as.</hi> Es iſt leicht zu erachten, daß der Kirnberger-<lb/> ſche Grundſatz auf alle uͤbrige Jntervalle, welche gemeinſchaft-<lb/> liche Seyten haben, ausgedehnet werden kann, und was wird<lb/> alsdenn geſchehen? Alle Tonarten werden, nach und nach, eine<lb/> nach der andern, unvollſtaͤndig werden und zulezt ganz und<lb/> gar eclipſiren; und wenn nun alle Tonarten wegcalculiret ſind,<lb/> wozu werden alsdenn die Kirnbergerſchen Temperaturen zu ge-<lb/> brauchen ſeyn? O die armen ungleichſchwebenden Tempe-<lb/> raturen!</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="sig">P</fw> <fw place="bottom" type="catch">§. 240.</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [225/0245]
Etwas von der muſikaliſchen Transpoſition.
erſte Frage wird ſeyn: warum uns der Hr. Kirnberger eine ſo
unvollſtaͤndige Temperatur gegeben hat? Denn die Tem-
peratur ſoll ſich ja auf alle zwoͤlf harte und zwoͤlf weiche Ton-
arten ganz, und nicht etwann nur halb erſtrecken. Ein
jeder der zwoͤlf halben Toͤne ſoll eine Tonica werden koͤnnen.
Es hat der Hr. Auctor zwar durch die zweyte Temperatur die-
ſen Fehler zum Theil verbeſſert, und uns durch Verwand-
lung des eis : a = f : a aus 4:5 in 128:161 das gute Fis
mol zum Theil, (denn 128:161 iſt nur ungefaͤhr die Haͤlfte von
64:81) zu erhalten geſuchet. Aber es fehlen immer annoch
die Tonarten Cis mol, Es mol und As mol, oder ſie ſind we-
nigſtens nur halb da.
§. 239.
Wir wollen itzo den Grundſatz, nach welchem der Hr. Kirn-
berger die Melodie a, a, gis, c, a, h, a fuͤr unmoͤglich in Cis, Es,
Fis und As mol haͤlt, auf einen andern Fall anwenden. Es iſt
aber ſein Grundſatz dieſer: das Verhaͤltniß 64:81 kann
fuͤr die verminderte Quarte, nicht aber fuͤr die große
Terz gebrauchet werden. Dieſer Grundſatz widerſpricht
nun zwar demjenigen, nach welchem derſelbe das Verhaͤltniß
61:84, wie aus dem XXIIIten Abſchnitt bekannt iſt, fuͤr ein
wahres Verhaͤltniß der großen Terz erklaͤret hat. Aber
daran muͤſſen wir uns nicht ſtoßen. Es ſeyn die Noten ē, ē, ḡ.
Jch ſage, daß dem Grundſatz des Hrn. Kirnb. zufolge dieſer
Geſang nicht verſetzet werden kann in c, as, es̄, oder g, es, b, oder
d, b, f̄, oder eis, cis, gis. Warum? Das Jntervall c:e iſt
in der Kirnb. Temperatur 4:5, und as:c, es:g, b:d, und
cis:eis ſind jedes = 64:81. Alſo ſind die harten Tonarten
as, es, b und cis ebenfalls unvollſtaͤndig, ſo wie die weichen cis,
es, fis und as. Es iſt leicht zu erachten, daß der Kirnberger-
ſche Grundſatz auf alle uͤbrige Jntervalle, welche gemeinſchaft-
liche Seyten haben, ausgedehnet werden kann, und was wird
alsdenn geſchehen? Alle Tonarten werden, nach und nach, eine
nach der andern, unvollſtaͤndig werden und zulezt ganz und
gar eclipſiren; und wenn nun alle Tonarten wegcalculiret ſind,
wozu werden alsdenn die Kirnbergerſchen Temperaturen zu ge-
brauchen ſeyn? O die armen ungleichſchwebenden Tempe-
raturen!
§. 240.
P
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |