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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Anhang etc. Zehnter Abschn. Dritte u. lezte Forts.
"so viele groteske Massen zu beschweren, bloß damit man --
"etwas Neues zu sagen scheine!"

Zehnter Abschnitt.
Dritte und lezte Fortsetzung der Anmer-
kungen über die Kirnbergerschen Grundsätze
der Harmonie.


§. 331.

Wenn man einen Septimenaccord, welcher auf einen un-
eigentlichen Dreyklang
erbauet ist, einen uneigent-
lichen Septimenaccord nennet, so kann diese Benennung des
Septimenaccords aus der Ursache statt finden, weil er auf
einen uneigentlichen Dreyklang erbauet ist. (Nur müssen die
uneigentlichen Septimenaccorde nicht auf eine so seltsame Art,
als man vorhin gesehen, entwickelt und nicht für unselbst-
ständig
erkläret werden.) Aber niemals kann man diejeni-
gen Septimenaccorde uneigentliche Septimenaccorde nennen,
welche auf einen harten oder weichen, und also auf einen ei-
gentlichen oder vollkommnen Dreyklang erbauet sind. Jndes-
sen hat es dem Herrn Kirnberger gesallen, auch diese Selt-
samkeit zu begehen, und in folgenden Exempeln bey Fig. 124,
125 und 126 die Septimenaccorde nicht allein für uneigent-
lich, sondern auch die Unterterz des Baßtons mit dem Septi-
menaccord für ihre Grundaccorde zu erklären. (Man sehe
die Grundsätze Seite 20 unten, und die Exempel Seite 21.)
Und was ist denn die Ursache dieser Seltsamkeit? Vermuth-
lich die Fortschreitung des Generalbasses. Es ist nemlich, nach
dem Hrn. Kirnberger, kein einziger Accord durch sich allein
das was er ist, sondern er erhält seine Bestimmung von der
Fortschreitung des Basses. Es hat damit ungefähr die
Bewandtniß, wie mit unsern Claviertasten, wo z. E. der Ton
zwischen g und a ein gis genennet wird, wenn der Ton h dazu
eine kleine Terz formiret, und ein as, wenn der Ton c dazu
eine große Terz machet. Aber, (man erlaube mir hier einige

Fra-

Anhang ꝛc. Zehnter Abſchn. Dritte u. lezte Fortſ.
„ſo viele groteske Maſſen zu beſchweren, bloß damit man —
„etwas Neues zu ſagen ſcheine!‟

Zehnter Abſchnitt.
Dritte und lezte Fortſetzung der Anmer-
kungen uͤber die Kirnbergerſchen Grundſaͤtze
der Harmonie.


§. 331.

Wenn man einen Septimenaccord, welcher auf einen un-
eigentlichen Dreyklang
erbauet iſt, einen uneigent-
lichen Septimenaccord nennet, ſo kann dieſe Benennung des
Septimenaccords aus der Urſache ſtatt finden, weil er auf
einen uneigentlichen Dreyklang erbauet iſt. (Nur muͤſſen die
uneigentlichen Septimenaccorde nicht auf eine ſo ſeltſame Art,
als man vorhin geſehen, entwickelt und nicht fuͤr unſelbſt-
ſtaͤndig
erklaͤret werden.) Aber niemals kann man diejeni-
gen Septimenaccorde uneigentliche Septimenaccorde nennen,
welche auf einen harten oder weichen, und alſo auf einen ei-
gentlichen oder vollkommnen Dreyklang erbauet ſind. Jndeſ-
ſen hat es dem Herrn Kirnberger geſallen, auch dieſe Selt-
ſamkeit zu begehen, und in folgenden Exempeln bey Fig. 124,
125 und 126 die Septimenaccorde nicht allein fuͤr uneigent-
lich, ſondern auch die Unterterz des Baßtons mit dem Septi-
menaccord fuͤr ihre Grundaccorde zu erklaͤren. (Man ſehe
die Grundſaͤtze Seite 20 unten, und die Exempel Seite 21.)
Und was iſt denn die Urſache dieſer Seltſamkeit? Vermuth-
lich die Fortſchreitung des Generalbaſſes. Es iſt nemlich, nach
dem Hrn. Kirnberger, kein einziger Accord durch ſich allein
das was er iſt, ſondern er erhaͤlt ſeine Beſtimmung von der
Fortſchreitung des Baſſes. Es hat damit ungefaͤhr die
Bewandtniß, wie mit unſern Claviertaſten, wo z. E. der Ton
zwiſchen g und a ein gis genennet wird, wenn der Ton h dazu
eine kleine Terz formiret, und ein as, wenn der Ton c dazu
eine große Terz machet. Aber, (man erlaube mir hier einige

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[314/0334] Anhang ꝛc. Zehnter Abſchn. Dritte u. lezte Fortſ. „ſo viele groteske Maſſen zu beſchweren, bloß damit man — „etwas Neues zu ſagen ſcheine!‟ Zehnter Abſchnitt. Dritte und lezte Fortſetzung der Anmer- kungen uͤber die Kirnbergerſchen Grundſaͤtze der Harmonie. §. 331. Wenn man einen Septimenaccord, welcher auf einen un- eigentlichen Dreyklang erbauet iſt, einen uneigent- lichen Septimenaccord nennet, ſo kann dieſe Benennung des Septimenaccords aus der Urſache ſtatt finden, weil er auf einen uneigentlichen Dreyklang erbauet iſt. (Nur muͤſſen die uneigentlichen Septimenaccorde nicht auf eine ſo ſeltſame Art, als man vorhin geſehen, entwickelt und nicht fuͤr unſelbſt- ſtaͤndig erklaͤret werden.) Aber niemals kann man diejeni- gen Septimenaccorde uneigentliche Septimenaccorde nennen, welche auf einen harten oder weichen, und alſo auf einen ei- gentlichen oder vollkommnen Dreyklang erbauet ſind. Jndeſ- ſen hat es dem Herrn Kirnberger geſallen, auch dieſe Selt- ſamkeit zu begehen, und in folgenden Exempeln bey Fig. 124, 125 und 126 die Septimenaccorde nicht allein fuͤr uneigent- lich, ſondern auch die Unterterz des Baßtons mit dem Septi- menaccord fuͤr ihre Grundaccorde zu erklaͤren. (Man ſehe die Grundſaͤtze Seite 20 unten, und die Exempel Seite 21.) Und was iſt denn die Urſache dieſer Seltſamkeit? Vermuth- lich die Fortſchreitung des Generalbaſſes. Es iſt nemlich, nach dem Hrn. Kirnberger, kein einziger Accord durch ſich allein das was er iſt, ſondern er erhaͤlt ſeine Beſtimmung von der Fortſchreitung des Baſſes. Es hat damit ungefaͤhr die Bewandtniß, wie mit unſern Claviertaſten, wo z. E. der Ton zwiſchen g und a ein gis genennet wird, wenn der Ton h dazu eine kleine Terz formiret, und ein as, wenn der Ton c dazu eine große Terz machet. Aber, (man erlaube mir hier einige Fra-

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/334>, abgerufen am 26.11.2024.