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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Anhang etc. Zehnter Abschn. Dritte u. lezte Forts.
fortschreitung die wesentliche, die parallele die zufällige und
die in der Secunde die uneigentliche Fortschreitung, und wie
die Terzenfortschreitung zu characterisiren ist? Ob der Grund-
baß in lauter Quart- und Quintensprüngen fortgehen soll, und
warum? Ob nicht in diesem Falle neue Grundsätze für die Com-
ponisten zu verfertigen sind, daß sie die Folge ihrer Harmo-
nien darnach einrichten, damit solche mit Bestand der Wahr-
heit auf lauter solche Grundbäße reduciret werden können.

§. 332.

Es ist bekannt, daß ein Septimenaccord entsteht, wenn
zu dem höchsten Ton eines terzenweise disponirten Dreyklangs
eine Terz hinzugefüget wird. Auf diese Weise ist der Septi-
menaccord f a c e aus dem Dreyklang f a c und der Septimen-
accord d f a c aus dem Dreyklang d f a entstanden. Können
diese beyde Septimenaccorde f a c e und d f a c einander substi-
tuiret werden? So wenig als die Dreyklänge f a c und d f a.
Es ist also wohl ein Unterscheid unter den beyden Grundfort-
schreitungen bey Fig. 127 und 128? Ohne Zweifel, und die-
ser Unterscheid bleibt, wenn f a c in f a c e, und d f a in d f a c
verwandelt wird. Jst dieses gewiß, so kann wohl keine die-
ser beyden Fortschreitungen der Grund von der andern seyn?
So wenig als der Accord f a c der Grund von d f a, oder der
Accord f a c e der Grund von d f a c ist. Jeder Dreyklang ist
sein eigener Grundaccord, so wie jeder Septimenaccord. Wie
kömmt denn der Hr. Kirnberger auf den Einfall, den |Accord
f a c e von dem Accord d f a c herzuleiten? Vielleicht wird er ein
andermal den Accord d f a c von f a c e herleiten.

§. 333.

Da ich in meinen Anmerkungen über die Grundsätze etc.
so weit bin, so steigt in mir der verzweifelte Serupel auf, ob
der Auetor derselben sie auch |im Ernst geschrieben hat. -- Jch
begebe mich also vor der Hand aller fernern Untersuchung,
nicht allein dieses Werks, sondern auch aller übrigen in der
Kunst etc. und der Theorie etc. befindlichen hieher gehörigen
Artikel, und werde nicht eher die Feder wieder ansetzen, als
bis der Hr. Verfasser mich durch eine gnugthuende Antwort
überzeuget hat, daß sein Buch nicht für die Langeweile geschrie-

ben

Anhang ꝛc. Zehnter Abſchn. Dritte u. lezte Fortſ.
fortſchreitung die weſentliche, die parallele die zufaͤllige und
die in der Secunde die uneigentliche Fortſchreitung, und wie
die Terzenfortſchreitung zu characteriſiren iſt? Ob der Grund-
baß in lauter Quart- und Quintenſpruͤngen fortgehen ſoll, und
warum? Ob nicht in dieſem Falle neue Grundſaͤtze fuͤr die Com-
poniſten zu verfertigen ſind, daß ſie die Folge ihrer Harmo-
nien darnach einrichten, damit ſolche mit Beſtand der Wahr-
heit auf lauter ſolche Grundbaͤße reduciret werden koͤnnen.

§. 332.

Es iſt bekannt, daß ein Septimenaccord entſteht, wenn
zu dem hoͤchſten Ton eines terzenweiſe diſponirten Dreyklangs
eine Terz hinzugefuͤget wird. Auf dieſe Weiſe iſt der Septi-
menaccord f a c e aus dem Dreyklang f a c und der Septimen-
accord d f a c aus dem Dreyklang d f a entſtanden. Koͤnnen
dieſe beyde Septimenaccorde f a c e und d f a c einander ſubſti-
tuiret werden? So wenig als die Dreyklaͤnge f a c und d f a.
Es iſt alſo wohl ein Unterſcheid unter den beyden Grundfort-
ſchreitungen bey Fig. 127 und 128? Ohne Zweifel, und die-
ſer Unterſcheid bleibt, wenn f a c in f a c e, und d f a in d f a c
verwandelt wird. Jſt dieſes gewiß, ſo kann wohl keine die-
ſer beyden Fortſchreitungen der Grund von der andern ſeyn?
So wenig als der Accord f a c der Grund von d f a, oder der
Accord f a c e der Grund von d f a c iſt. Jeder Dreyklang iſt
ſein eigener Grundaccord, ſo wie jeder Septimenaccord. Wie
koͤmmt denn der Hr. Kirnberger auf den Einfall, den |Accord
f a c e von dem Accord d f a c herzuleiten? Vielleicht wird er ein
andermal den Accord d f a c von f a c e herleiten.

§. 333.

Da ich in meinen Anmerkungen uͤber die Grundſaͤtze ꝛc.
ſo weit bin, ſo ſteigt in mir der verzweifelte Serupel auf, ob
der Auetor derſelben ſie auch |im Ernſt geſchrieben hat. — Jch
begebe mich alſo vor der Hand aller fernern Unterſuchung,
nicht allein dieſes Werks, ſondern auch aller uͤbrigen in der
Kunſt ꝛc. und der Theorie ꝛc. befindlichen hieher gehoͤrigen
Artikel, und werde nicht eher die Feder wieder anſetzen, als
bis der Hr. Verfaſſer mich durch eine gnugthuende Antwort
uͤberzeuget hat, daß ſein Buch nicht fuͤr die Langeweile geſchrie-

ben
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[316/0336] Anhang ꝛc. Zehnter Abſchn. Dritte u. lezte Fortſ. fortſchreitung die weſentliche, die parallele die zufaͤllige und die in der Secunde die uneigentliche Fortſchreitung, und wie die Terzenfortſchreitung zu characteriſiren iſt? Ob der Grund- baß in lauter Quart- und Quintenſpruͤngen fortgehen ſoll, und warum? Ob nicht in dieſem Falle neue Grundſaͤtze fuͤr die Com- poniſten zu verfertigen ſind, daß ſie die Folge ihrer Harmo- nien darnach einrichten, damit ſolche mit Beſtand der Wahr- heit auf lauter ſolche Grundbaͤße reduciret werden koͤnnen. §. 332. Es iſt bekannt, daß ein Septimenaccord entſteht, wenn zu dem hoͤchſten Ton eines terzenweiſe diſponirten Dreyklangs eine Terz hinzugefuͤget wird. Auf dieſe Weiſe iſt der Septi- menaccord f a c e aus dem Dreyklang f a c und der Septimen- accord d f a c aus dem Dreyklang d f a entſtanden. Koͤnnen dieſe beyde Septimenaccorde f a c e und d f a c einander ſubſti- tuiret werden? So wenig als die Dreyklaͤnge f a c und d f a. Es iſt alſo wohl ein Unterſcheid unter den beyden Grundfort- ſchreitungen bey Fig. 127 und 128? Ohne Zweifel, und die- ſer Unterſcheid bleibt, wenn f a c in f a c e, und d f a in d f a c verwandelt wird. Jſt dieſes gewiß, ſo kann wohl keine die- ſer beyden Fortſchreitungen der Grund von der andern ſeyn? So wenig als der Accord f a c der Grund von d f a, oder der Accord f a c e der Grund von d f a c iſt. Jeder Dreyklang iſt ſein eigener Grundaccord, ſo wie jeder Septimenaccord. Wie koͤmmt denn der Hr. Kirnberger auf den Einfall, den |Accord f a c e von dem Accord d f a c herzuleiten? Vielleicht wird er ein andermal den Accord d f a c von f a c e herleiten. §. 333. Da ich in meinen Anmerkungen uͤber die Grundſaͤtze ꝛc. ſo weit bin, ſo ſteigt in mir der verzweifelte Serupel auf, ob der Auetor derſelben ſie auch |im Ernſt geſchrieben hat. — Jch begebe mich alſo vor der Hand aller fernern Unterſuchung, nicht allein dieſes Werks, ſondern auch aller uͤbrigen in der Kunſt ꝛc. und der Theorie ꝛc. befindlichen hieher gehoͤrigen Artikel, und werde nicht eher die Feder wieder anſetzen, als bis der Hr. Verfaſſer mich durch eine gnugthuende Antwort uͤberzeuget hat, daß ſein Buch nicht fuͤr die Langeweile geſchrie- ben

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/336>, abgerufen am 26.11.2024.