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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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der Anmerk. über die Kirnberg. Grundsätze etc.
ben ist. Um den Rest der Seiten indessen voll zu machen, will ich
annoch zwey Stellen aus der Kunst re. kürzlich prüfen.

1) Der Hr. Kirnberger zweifelt in seiner Zugabe zur
Kunst etc. Seite 249. ob wahre Kenner der Harmonie einen
Satz, wie der bey Fig. 129. vom Hrn. Rameau ist, rechtfer-
tigen werden. Jch frage den Hrn. Kirnberger, ob er den
Satz bey Fig. 130 für gut oder nicht gut hält? Hält er ihn
für gut, so muß er auch den Satz bey Fig. 129. NB. als
einen Grundbaß
für gut erkennen. Es soll nemlich dieser
Satz kein Generalbaß seyn, und im Grundbasse wird bekann-
termassen auf die reguläre und irreguläre Connexion der Ac-
corde kein Bedacht genommen. So lange der Quintsexten-
accord f a c d von dem Septimenaccord d f a c, der Quintsex-
tenaccord g h d e von dem Septimenaccord e g h d und der Terz-
quartenaccord g h c e von dem Septimenaccord c e g h abstam-
met, wie der Doppelcontrapunct in der Octave lehret, so lange
wird es mit dem Grundbaß bey Fig. 129, seine völlige Rich-
tigkeit haben. Man brauchet nur, wie oben gesaget worden,
die nicht richtig zusammenhängenden zwey Grundaccorde,
(diese sind allhier zwischen den Tönen f d und e c, wo sich die
Septime in die Octave auflöset,) durch ein paar Striche von
einander zu trennen, oder man kann die Terzengänge f d und
e c in Sextengänge verwandeln, wie der Hr. Kirnberger im
Artikel Septinte, (Seite 1066 der Theorie etc.) gethan hat.

2) Der Hr. Kirnberger schreibet in der Kunst etc. Seite
"102, "daß die bey Fig. 131 befindliche Periode, der zufäl-
"ligen Versetzungszeichen ungeachtet, ganz in C dur ist; und
in den Grundsätzen etc. Seite 45, hält er dafür, "daß die
"bey Fig. 132 und 133 stuffenweise nacheinander fortgehende
"Sextenaccorde unmöglich so viele Verwechselungen des Drey-
"klangs seyn können. Wie können in einer so kurzen Zeit
"C dur, D mol, E mol u. s. w. die gar keiner so engen Ver-
"bindung unter sich fähig sind, nach einander vorkommen,
"ohne unser Ohr zu beleidigen?"

Man wird sofort bemerken, daß der Verfasser der Grund-
sätze
dem Verfasser der Kunst schnurstracks widerspricht. Wer
hat nun Recht? Jener behauptet, daß sobald in C dur ein an-
derer Dreyklang als der von C, oder ein anderer Sextenac-

cord

der Anmerk. uͤber die Kirnberg. Grundſaͤtze ꝛc.
ben iſt. Um den Reſt der Seiten indeſſen voll zu machen, will ich
annoch zwey Stellen aus der Kunſt ꝛe. kuͤrzlich pruͤfen.

1) Der Hr. Kirnberger zweifelt in ſeiner Zugabe zur
Kunſt ꝛc. Seite 249. ob wahre Kenner der Harmonie einen
Satz, wie der bey Fig. 129. vom Hrn. Rameau iſt, rechtfer-
tigen werden. Jch frage den Hrn. Kirnberger, ob er den
Satz bey Fig. 130 fuͤr gut oder nicht gut haͤlt? Haͤlt er ihn
fuͤr gut, ſo muß er auch den Satz bey Fig. 129. NB. als
einen Grundbaß
fuͤr gut erkennen. Es ſoll nemlich dieſer
Satz kein Generalbaß ſeyn, und im Grundbaſſe wird bekann-
termaſſen auf die regulaͤre und irregulaͤre Connexion der Ac-
corde kein Bedacht genommen. So lange der Quintſexten-
accord f a c d von dem Septimenaccord d f a c, der Quintſex-
tenaccord g h d e von dem Septimenaccord e g h d und der Terz-
quartenaccord g h c e von dem Septimenaccord c e g h abſtam-
met, wie der Doppelcontrapunct in der Octave lehret, ſo lange
wird es mit dem Grundbaß bey Fig. 129, ſeine voͤllige Rich-
tigkeit haben. Man brauchet nur, wie oben geſaget worden,
die nicht richtig zuſammenhaͤngenden zwey Grundaccorde,
(dieſe ſind allhier zwiſchen den Toͤnen f d und e c, wo ſich die
Septime in die Octave aufloͤſet,) durch ein paar Striche von
einander zu trennen, oder man kann die Terzengaͤnge f d und
e c in Sextengaͤnge verwandeln, wie der Hr. Kirnberger im
Artikel Septinte, (Seite 1066 der Theorie ꝛc.) gethan hat.

2) Der Hr. Kirnberger ſchreibet in der Kunſt ꝛc. Seite
„102, „daß die bey Fig. 131 befindliche Periode, der zufaͤl-
„ligen Verſetzungszeichen ungeachtet, ganz in C dur iſt; und
in den Grundſaͤtzen ꝛc. Seite 45, haͤlt er dafuͤr, „daß die
„bey Fig. 132 und 133 ſtuffenweiſe nacheinander fortgehende
„Sextenaccorde unmoͤglich ſo viele Verwechſelungen des Drey-
„klangs ſeyn koͤnnen. Wie koͤnnen in einer ſo kurzen Zeit
C dur, D mol, E mol u. ſ. w. die gar keiner ſo engen Ver-
„bindung unter ſich faͤhig ſind, nach einander vorkommen,
„ohne unſer Ohr zu beleidigen?‟

Man wird ſofort bemerken, daß der Verfaſſer der Grund-
ſaͤtze
dem Verfaſſer der Kunſt ſchnurſtracks widerſpricht. Wer
hat nun Recht? Jener behauptet, daß ſobald in C dur ein an-
derer Dreyklang als der von C, oder ein anderer Sextenac-

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[317/0337] der Anmerk. uͤber die Kirnberg. Grundſaͤtze ꝛc. ben iſt. Um den Reſt der Seiten indeſſen voll zu machen, will ich annoch zwey Stellen aus der Kunſt ꝛe. kuͤrzlich pruͤfen. 1) Der Hr. Kirnberger zweifelt in ſeiner Zugabe zur Kunſt ꝛc. Seite 249. ob wahre Kenner der Harmonie einen Satz, wie der bey Fig. 129. vom Hrn. Rameau iſt, rechtfer- tigen werden. Jch frage den Hrn. Kirnberger, ob er den Satz bey Fig. 130 fuͤr gut oder nicht gut haͤlt? Haͤlt er ihn fuͤr gut, ſo muß er auch den Satz bey Fig. 129. NB. als einen Grundbaß fuͤr gut erkennen. Es ſoll nemlich dieſer Satz kein Generalbaß ſeyn, und im Grundbaſſe wird bekann- termaſſen auf die regulaͤre und irregulaͤre Connexion der Ac- corde kein Bedacht genommen. So lange der Quintſexten- accord f a c d von dem Septimenaccord d f a c, der Quintſex- tenaccord g h d e von dem Septimenaccord e g h d und der Terz- quartenaccord g h c e von dem Septimenaccord c e g h abſtam- met, wie der Doppelcontrapunct in der Octave lehret, ſo lange wird es mit dem Grundbaß bey Fig. 129, ſeine voͤllige Rich- tigkeit haben. Man brauchet nur, wie oben geſaget worden, die nicht richtig zuſammenhaͤngenden zwey Grundaccorde, (dieſe ſind allhier zwiſchen den Toͤnen f d und e c, wo ſich die Septime in die Octave aufloͤſet,) durch ein paar Striche von einander zu trennen, oder man kann die Terzengaͤnge f d und e c in Sextengaͤnge verwandeln, wie der Hr. Kirnberger im Artikel Septinte, (Seite 1066 der Theorie ꝛc.) gethan hat. 2) Der Hr. Kirnberger ſchreibet in der Kunſt ꝛc. Seite „102, „daß die bey Fig. 131 befindliche Periode, der zufaͤl- „ligen Verſetzungszeichen ungeachtet, ganz in C dur iſt; und in den Grundſaͤtzen ꝛc. Seite 45, haͤlt er dafuͤr, „daß die „bey Fig. 132 und 133 ſtuffenweiſe nacheinander fortgehende „Sextenaccorde unmoͤglich ſo viele Verwechſelungen des Drey- „klangs ſeyn koͤnnen. Wie koͤnnen in einer ſo kurzen Zeit „C dur, D mol, E mol u. ſ. w. die gar keiner ſo engen Ver- „bindung unter ſich faͤhig ſind, nach einander vorkommen, „ohne unſer Ohr zu beleidigen?‟ Man wird ſofort bemerken, daß der Verfaſſer der Grund- ſaͤtze dem Verfaſſer der Kunſt ſchnurſtracks widerſpricht. Wer hat nun Recht? Jener behauptet, daß ſobald in C dur ein an- derer Dreyklang als der von C, oder ein anderer Sextenac- cord

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/337>, abgerufen am 26.11.2024.