Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Priorität der Septime vor der Secunde.
Anmerkung.

Wir wissen, daß der Herr. S. die harmonische Tonleiter bis zur
Zahl 7 ausdehnet. Wenn nun die Zahl 7 eine Dissonanz und
zwar eine kleine Septime giebet, welche von 9:5 um 36:35,
und von 16:9 um 64:63 differiret, wie vielmal zeiget sich da
die kleine Septime, ehe die auf diese soweit ausgedehnte Ton-
leiter sich gründende große Secunde in 8:7 erscheinet? Drey-
mal, als in 7:1, 7:2 und 7:4. Es brauchet wohl nicht
nicht mehr als dieses aus dem Fundament der Gegner selbst
hergenommne Argument, um die Priorität der Septime vor
der Secunde 9:8 darzuthun.

Achter Abschnitt.
Von den musikalischen Commatibus, und
den Hülfs- oder Temperaturintervallen.


§. 60.

Ein Comma ist jedes Verhältniß, das kleiner als 25:24
ist, und entsteht sowohl aus der Addition als Subtraction
und Theilung etc. der natürlichen Verhältnisse. Z. E. wenn das
Verhältniß 16:15 arithmetisch getheilet wird, so entstehen die
Commata 32:31 und 31:30. Wenn ferner drey große Ter-
zen in dem Verhältniß 5:4 addiret werden, und das Product
125:64, welches eine Octave 2:1 geben sollte, mit 2:1 ver-
glichen wird, so findet man, daß es um 128:125 kleiner als
die Octave 2:1 ist, und dieses Verhältniß 128:125 ist ein
Comma, welches die kleinere Diesis genennet wird. Wenn
ferner der kleinere halbe Ton 25:24 von dem größern halben
Ton 16:15 abgezogen wird, so findet man, daß der leztere den
erstern um eben dieses Comma 128:125 übersteiget. Jn dem
ersten Erempel entstand also das Comma 128:125 aus der
dreymaligen Zusammensetzung des reinen Verhältnisses 5:4,
und in dem zweyten Erempel aus der bloßen Subtraction. Auf
ähnliche Art kann nun eben dieses Comma sowohl durch die
Addition als Subtraction anderer Verhältnisse untereinander

hervor-
D 4
Von der Prioritaͤt der Septime vor der Secunde.
Anmerkung.

Wir wiſſen, daß der Herr. S. die harmoniſche Tonleiter bis zur
Zahl 7 ausdehnet. Wenn nun die Zahl 7 eine Diſſonanz und
zwar eine kleine Septime giebet, welche von 9:5 um 36:35,
und von 16:9 um 64:63 differiret, wie vielmal zeiget ſich da
die kleine Septime, ehe die auf dieſe ſoweit ausgedehnte Ton-
leiter ſich gruͤndende große Secunde in 8:7 erſcheinet? Drey-
mal, als in 7:1, 7:2 und 7:4. Es brauchet wohl nicht
nicht mehr als dieſes aus dem Fundament der Gegner ſelbſt
hergenommne Argument, um die Prioritaͤt der Septime vor
der Secunde 9:8 darzuthun.

Achter Abſchnitt.
Von den muſikaliſchen Commatibus, und
den Huͤlfs- oder Temperaturintervallen.


§. 60.

Ein Comma iſt jedes Verhaͤltniß, das kleiner als 25:24
iſt, und entſteht ſowohl aus der Addition als Subtraction
und Theilung ꝛc. der natuͤrlichen Verhaͤltniſſe. Z. E. wenn das
Verhaͤltniß 16:15 arithmetiſch getheilet wird, ſo entſtehen die
Commata 32:31 und 31:30. Wenn ferner drey große Ter-
zen in dem Verhaͤltniß 5:4 addiret werden, und das Product
125:64, welches eine Octave 2:1 geben ſollte, mit 2:1 ver-
glichen wird, ſo findet man, daß es um 128:125 kleiner als
die Octave 2:1 iſt, und dieſes Verhaͤltniß 128:125 iſt ein
Comma, welches die kleinere Dieſis genennet wird. Wenn
ferner der kleinere halbe Ton 25:24 von dem groͤßern halben
Ton 16:15 abgezogen wird, ſo findet man, daß der leztere den
erſtern um eben dieſes Comma 128:125 uͤberſteiget. Jn dem
erſten Erempel entſtand alſo das Comma 128:125 aus der
dreymaligen Zuſammenſetzung des reinen Verhaͤltniſſes 5:4,
und in dem zweyten Erempel aus der bloßen Subtraction. Auf
aͤhnliche Art kann nun eben dieſes Comma ſowohl durch die
Addition als Subtraction anderer Verhaͤltniſſe untereinander

hervor-
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0075" n="55"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der Priorita&#x0364;t der Septime vor der Secunde.</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Anmerkung.</hi> </head><lb/>
              <p>Wir wi&#x017F;&#x017F;en, daß der Herr. S. die harmoni&#x017F;che Tonleiter bis zur<lb/>
Zahl 7 ausdehnet. Wenn nun die Zahl 7 eine Di&#x017F;&#x017F;onanz und<lb/>
zwar eine <hi rendition="#fr">kleine Septime</hi> giebet, welche von 9:5 um 36:35,<lb/>
und von 16:9 um 64:63 differiret, wie vielmal zeiget &#x017F;ich da<lb/>
die kleine Septime, ehe die auf die&#x017F;e &#x017F;oweit ausgedehnte Ton-<lb/>
leiter &#x017F;ich gru&#x0364;ndende große Secunde in 8:7 er&#x017F;cheinet? Drey-<lb/>
mal, als in 7:1, 7:2 und 7:4. Es brauchet wohl nicht<lb/>
nicht mehr als die&#x017F;es aus dem Fundament der Gegner &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
hergenommne Argument, um die Priorita&#x0364;t der Septime vor<lb/>
der Secunde 9:8 darzuthun.</p>
            </div>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Achter Ab&#x017F;chnitt.</hi><lb/>
Von den mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Commatibus, und<lb/>
den Hu&#x0364;lfs- oder Temperaturintervallen.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 60.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">E</hi>in <hi rendition="#fr">Comma</hi> i&#x017F;t jedes Verha&#x0364;ltniß, das kleiner als 25:24<lb/>
i&#x017F;t, und ent&#x017F;teht &#x017F;owohl aus der Addition als Subtraction<lb/>
und Theilung &#xA75B;c. der natu&#x0364;rlichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e. Z. E. wenn das<lb/>
Verha&#x0364;ltniß 16:15 arithmeti&#x017F;ch getheilet wird, &#x017F;o ent&#x017F;tehen die<lb/>
Commata 32:31 und 31:30. Wenn ferner drey große Ter-<lb/>
zen in dem Verha&#x0364;ltniß 5:4 addiret werden, und das Product<lb/>
125:64, welches eine Octave 2:1 geben &#x017F;ollte, mit 2:1 ver-<lb/>
glichen wird, &#x017F;o findet man, daß es um 128:125 kleiner als<lb/>
die Octave 2:1 i&#x017F;t, und die&#x017F;es Verha&#x0364;ltniß 128:125 i&#x017F;t ein<lb/>
Comma, welches die <hi rendition="#fr">kleinere Die&#x017F;is</hi> genennet wird. Wenn<lb/>
ferner der kleinere halbe Ton 25:24 von dem gro&#x0364;ßern halben<lb/>
Ton 16:15 abgezogen wird, &#x017F;o findet man, daß der leztere den<lb/>
er&#x017F;tern um eben die&#x017F;es Comma 128:125 u&#x0364;ber&#x017F;teiget. Jn dem<lb/>
er&#x017F;ten Erempel ent&#x017F;tand al&#x017F;o das Comma 128:125 aus der<lb/>
dreymaligen Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung des reinen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es 5:4,<lb/>
und in dem zweyten Erempel aus der bloßen Subtraction. Auf<lb/>
a&#x0364;hnliche Art kann nun eben die&#x017F;es Comma &#x017F;owohl durch die<lb/>
Addition als Subtraction anderer Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e untereinander<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 4</fw><fw place="bottom" type="catch">hervor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0075] Von der Prioritaͤt der Septime vor der Secunde. Anmerkung. Wir wiſſen, daß der Herr. S. die harmoniſche Tonleiter bis zur Zahl 7 ausdehnet. Wenn nun die Zahl 7 eine Diſſonanz und zwar eine kleine Septime giebet, welche von 9:5 um 36:35, und von 16:9 um 64:63 differiret, wie vielmal zeiget ſich da die kleine Septime, ehe die auf dieſe ſoweit ausgedehnte Ton- leiter ſich gruͤndende große Secunde in 8:7 erſcheinet? Drey- mal, als in 7:1, 7:2 und 7:4. Es brauchet wohl nicht nicht mehr als dieſes aus dem Fundament der Gegner ſelbſt hergenommne Argument, um die Prioritaͤt der Septime vor der Secunde 9:8 darzuthun. Achter Abſchnitt. Von den muſikaliſchen Commatibus, und den Huͤlfs- oder Temperaturintervallen. §. 60. Ein Comma iſt jedes Verhaͤltniß, das kleiner als 25:24 iſt, und entſteht ſowohl aus der Addition als Subtraction und Theilung ꝛc. der natuͤrlichen Verhaͤltniſſe. Z. E. wenn das Verhaͤltniß 16:15 arithmetiſch getheilet wird, ſo entſtehen die Commata 32:31 und 31:30. Wenn ferner drey große Ter- zen in dem Verhaͤltniß 5:4 addiret werden, und das Product 125:64, welches eine Octave 2:1 geben ſollte, mit 2:1 ver- glichen wird, ſo findet man, daß es um 128:125 kleiner als die Octave 2:1 iſt, und dieſes Verhaͤltniß 128:125 iſt ein Comma, welches die kleinere Dieſis genennet wird. Wenn ferner der kleinere halbe Ton 25:24 von dem groͤßern halben Ton 16:15 abgezogen wird, ſo findet man, daß der leztere den erſtern um eben dieſes Comma 128:125 uͤberſteiget. Jn dem erſten Erempel entſtand alſo das Comma 128:125 aus der dreymaligen Zuſammenſetzung des reinen Verhaͤltniſſes 5:4, und in dem zweyten Erempel aus der bloßen Subtraction. Auf aͤhnliche Art kann nun eben dieſes Comma ſowohl durch die Addition als Subtraction anderer Verhaͤltniſſe untereinander hervor- D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/75
Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/75>, abgerufen am 23.11.2024.