Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Rechte d. Völker in Ans. d. einzelnen Hoheitsrechte.
auch außerhalb der Nothfälle; und diese Freyheit des
Durchgangs beruhet theils auf Verträge, insonderheit auf
Friedenschlüsse, Grenz- und Handelsverträge f) theils auf
Herkommen, theils in Ansehung der teutschen Staaten
unter einander sogar zum Theil auf Gesetze g). Auch das
Verboth des Ankaufs liegender Gründe für Fremde ist in
neueren Zeiten seltner geworden, und zum Theil durch
Verträge h) gehoben.

Diese Freyheit des Eintritts und Aufenthalts ist
jedoch nur im allgemeinen und so weit sie dem Staat un-
schädlich ist anerkannt, daher jeder Staat noch jetzt das
Recht übt 1) sich beym Eintritt eines Fremden nach sei-
nem Nahmen, Stand u. s. f. zu erkundigen i). Zum Be-
weise dieser Umstände dienen die Pässe k) der Obrigkeit
des Orts von welchem der Fremde kommt, und denen,
wenn sie von Personen ausgestellt sind, welche dazu das
Recht haben, wie fremde Souveraine, deren Gerichte, Ge-
sandte, Generäle u. s. f. vorläufig überall Glauben beyge-
messen wird. 2) Verdächtigen oder sonst dem Staat ge-
fährlichen Leuten den Eintritt zu versagen, oder sie fort zu
schaffen l). 3) Gewissen Gattungen von Fremden oder
gewissen Gattungen von Gütern ohne besondere Erlaubniß
den Eingang ganz zu verschließen, es sey für immer, oder
für eine gewisse Zeit, oder die Zeit des ihnen gestatteten
Aufenthalts abzukürzen, wenn die Umstände dies erfordern;
4) ganzen Haufen, insonderheit bewaffneter Leute, den Ein-
und Durchgang nicht anders als auf erfolgte Requisition
zu erlauben m), und eben so 5) zwar wohl Kaufarthey-
schiffen, nicht aber Kriegsschiffen, den Nothfall ausgenom-
men, den Eintritt in das Seegebiet ohne besondere Er-
laubniß zu gestatten, sofern nicht in Verträgen diese Frey-
heit für eine gewisse Zahl Kriegsschiffe festgesetzt ist n).

a) G. L. Böhmer de iure principis libertatem commerciorum restrin-
gendi
§. 16. u. f. in seinen Electis iur civ. T. III. exerc. 19.
b) Wie weit sich hier der Nothfall erstrecken lasse, scheint zweifel-
haft. Bey kleinen ganz eingeschlossenen Staaten ist er in die

Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
auch außerhalb der Nothfaͤlle; und dieſe Freyheit des
Durchgangs beruhet theils auf Vertraͤge, inſonderheit auf
Friedenſchluͤſſe, Grenz- und Handelsvertraͤge f) theils auf
Herkommen, theils in Anſehung der teutſchen Staaten
unter einander ſogar zum Theil auf Geſetze g). Auch das
Verboth des Ankaufs liegender Gruͤnde fuͤr Fremde iſt in
neueren Zeiten ſeltner geworden, und zum Theil durch
Vertraͤge h) gehoben.

Dieſe Freyheit des Eintritts und Aufenthalts iſt
jedoch nur im allgemeinen und ſo weit ſie dem Staat un-
ſchaͤdlich iſt anerkannt, daher jeder Staat noch jetzt das
Recht uͤbt 1) ſich beym Eintritt eines Fremden nach ſei-
nem Nahmen, Stand u. ſ. f. zu erkundigen i). Zum Be-
weiſe dieſer Umſtaͤnde dienen die Paͤſſe k) der Obrigkeit
des Orts von welchem der Fremde kommt, und denen,
wenn ſie von Perſonen ausgeſtellt ſind, welche dazu das
Recht haben, wie fremde Souveraine, deren Gerichte, Ge-
ſandte, Generaͤle u. ſ. f. vorlaͤufig uͤberall Glauben beyge-
meſſen wird. 2) Verdaͤchtigen oder ſonſt dem Staat ge-
faͤhrlichen Leuten den Eintritt zu verſagen, oder ſie fort zu
ſchaffen l). 3) Gewiſſen Gattungen von Fremden oder
gewiſſen Gattungen von Guͤtern ohne beſondere Erlaubniß
den Eingang ganz zu verſchließen, es ſey fuͤr immer, oder
fuͤr eine gewiſſe Zeit, oder die Zeit des ihnen geſtatteten
Aufenthalts abzukuͤrzen, wenn die Umſtaͤnde dies erfordern;
4) ganzen Haufen, inſonderheit bewaffneter Leute, den Ein-
und Durchgang nicht anders als auf erfolgte Requiſition
zu erlauben m), und eben ſo 5) zwar wohl Kaufarthey-
ſchiffen, nicht aber Kriegsſchiffen, den Nothfall ausgenom-
men, den Eintritt in das Seegebiet ohne beſondere Er-
laubniß zu geſtatten, ſofern nicht in Vertraͤgen dieſe Frey-
heit fuͤr eine gewiſſe Zahl Kriegsſchiffe feſtgeſetzt iſt n).

a) G. L. Böhmer de iure principis libertatem commerciorum reſtrin-
gendi
§. 16. u. f. in ſeinen Electis iur civ. T. III. exerc. 19.
b) Wie weit ſich hier der Nothfall erſtrecken laſſe, ſcheint zweifel-
haft. Bey kleinen ganz eingeſchloſſenen Staaten iſt er in die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0123" n="95"/><fw place="top" type="header">Rechte d. Vo&#x0364;lker in An&#x017F;. d. einzelnen Hoheitsrechte.</fw><lb/>
auch außerhalb der Nothfa&#x0364;lle; und die&#x017F;e Freyheit des<lb/>
Durchgangs beruhet theils auf Vertra&#x0364;ge, in&#x017F;onderheit auf<lb/>
Frieden&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, Grenz- und Handelsvertra&#x0364;ge <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">f</hi></hi>) theils auf<lb/>
Herkommen, theils in An&#x017F;ehung der teut&#x017F;chen Staaten<lb/>
unter einander &#x017F;ogar zum Theil auf Ge&#x017F;etze <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">g</hi></hi>). Auch das<lb/>
Verboth des Ankaufs liegender Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r Fremde i&#x017F;t in<lb/>
neueren Zeiten &#x017F;eltner geworden, und zum Theil durch<lb/>
Vertra&#x0364;ge <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">h</hi></hi>) gehoben.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Freyheit des Eintritts und Aufenthalts i&#x017F;t<lb/>
jedoch nur im allgemeinen und &#x017F;o weit &#x017F;ie dem Staat un-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;dlich i&#x017F;t anerkannt, daher jeder Staat noch jetzt das<lb/>
Recht u&#x0364;bt 1) &#x017F;ich beym Eintritt eines Fremden nach &#x017F;ei-<lb/>
nem Nahmen, Stand u. &#x017F;. f. zu erkundigen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">i</hi></hi>). Zum Be-<lb/>
wei&#x017F;e die&#x017F;er Um&#x017F;ta&#x0364;nde dienen die Pa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">k</hi></hi>) der Obrigkeit<lb/>
des Orts von welchem der Fremde kommt, und denen,<lb/>
wenn &#x017F;ie von Per&#x017F;onen ausge&#x017F;tellt &#x017F;ind, welche dazu das<lb/>
Recht haben, wie fremde Souveraine, deren Gerichte, Ge-<lb/>
&#x017F;andte, Genera&#x0364;le u. &#x017F;. f. vorla&#x0364;ufig u&#x0364;berall Glauben beyge-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en wird. 2) Verda&#x0364;chtigen oder &#x017F;on&#x017F;t dem Staat ge-<lb/>
fa&#x0364;hrlichen Leuten den Eintritt zu ver&#x017F;agen, oder &#x017F;ie fort zu<lb/>
&#x017F;chaffen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">l</hi></hi>). 3) Gewi&#x017F;&#x017F;en Gattungen von Fremden oder<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Gattungen von Gu&#x0364;tern ohne be&#x017F;ondere Erlaubniß<lb/>
den Eingang ganz zu ver&#x017F;chließen, es &#x017F;ey fu&#x0364;r immer, oder<lb/>
fu&#x0364;r eine gewi&#x017F;&#x017F;e Zeit, oder die Zeit des ihnen ge&#x017F;tatteten<lb/>
Aufenthalts abzuku&#x0364;rzen, wenn die Um&#x017F;ta&#x0364;nde dies erfordern;<lb/>
4) ganzen Haufen, in&#x017F;onderheit bewaffneter Leute, den Ein-<lb/>
und Durchgang nicht anders als auf erfolgte Requi&#x017F;ition<lb/>
zu erlauben <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">m</hi></hi>), und eben &#x017F;o 5) zwar wohl Kaufarthey-<lb/>
&#x017F;chiffen, nicht aber Kriegs&#x017F;chiffen, den Nothfall ausgenom-<lb/>
men, den Eintritt in das Seegebiet ohne be&#x017F;ondere Er-<lb/>
laubniß zu ge&#x017F;tatten, &#x017F;ofern nicht in Vertra&#x0364;gen die&#x017F;e Frey-<lb/>
heit fu&#x0364;r eine gewi&#x017F;&#x017F;e Zahl Kriegs&#x017F;chiffe fe&#x017F;tge&#x017F;etzt i&#x017F;t <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">n</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#aq">G. L. <hi rendition="#k">Böhmer</hi> <hi rendition="#i">de iure principis libertatem commerciorum re&#x017F;trin-<lb/>
gendi</hi></hi> §. 16. u. f. in &#x017F;einen <hi rendition="#aq">Electis iur civ. T. III. exerc.</hi> 19.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Wie weit &#x017F;ich hier der Nothfall er&#x017F;trecken la&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;cheint zweifel-<lb/>
haft. Bey kleinen ganz einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Staaten i&#x017F;t er in die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Augen</fw><lb/></note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0123] Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte. auch außerhalb der Nothfaͤlle; und dieſe Freyheit des Durchgangs beruhet theils auf Vertraͤge, inſonderheit auf Friedenſchluͤſſe, Grenz- und Handelsvertraͤge f) theils auf Herkommen, theils in Anſehung der teutſchen Staaten unter einander ſogar zum Theil auf Geſetze g). Auch das Verboth des Ankaufs liegender Gruͤnde fuͤr Fremde iſt in neueren Zeiten ſeltner geworden, und zum Theil durch Vertraͤge h) gehoben. Dieſe Freyheit des Eintritts und Aufenthalts iſt jedoch nur im allgemeinen und ſo weit ſie dem Staat un- ſchaͤdlich iſt anerkannt, daher jeder Staat noch jetzt das Recht uͤbt 1) ſich beym Eintritt eines Fremden nach ſei- nem Nahmen, Stand u. ſ. f. zu erkundigen i). Zum Be- weiſe dieſer Umſtaͤnde dienen die Paͤſſe k) der Obrigkeit des Orts von welchem der Fremde kommt, und denen, wenn ſie von Perſonen ausgeſtellt ſind, welche dazu das Recht haben, wie fremde Souveraine, deren Gerichte, Ge- ſandte, Generaͤle u. ſ. f. vorlaͤufig uͤberall Glauben beyge- meſſen wird. 2) Verdaͤchtigen oder ſonſt dem Staat ge- faͤhrlichen Leuten den Eintritt zu verſagen, oder ſie fort zu ſchaffen l). 3) Gewiſſen Gattungen von Fremden oder gewiſſen Gattungen von Guͤtern ohne beſondere Erlaubniß den Eingang ganz zu verſchließen, es ſey fuͤr immer, oder fuͤr eine gewiſſe Zeit, oder die Zeit des ihnen geſtatteten Aufenthalts abzukuͤrzen, wenn die Umſtaͤnde dies erfordern; 4) ganzen Haufen, inſonderheit bewaffneter Leute, den Ein- und Durchgang nicht anders als auf erfolgte Requiſition zu erlauben m), und eben ſo 5) zwar wohl Kaufarthey- ſchiffen, nicht aber Kriegsſchiffen, den Nothfall ausgenom- men, den Eintritt in das Seegebiet ohne beſondere Er- laubniß zu geſtatten, ſofern nicht in Vertraͤgen dieſe Frey- heit fuͤr eine gewiſſe Zahl Kriegsſchiffe feſtgeſetzt iſt n). a⁾ G. L. Böhmer de iure principis libertatem commerciorum reſtrin- gendi §. 16. u. f. in ſeinen Electis iur civ. T. III. exerc. 19. b⁾ Wie weit ſich hier der Nothfall erſtrecken laſſe, ſcheint zweifel- haft. Bey kleinen ganz eingeſchloſſenen Staaten iſt er in die Augen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/123
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/123>, abgerufen am 18.05.2024.