Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Rechte d. Völker in Ans d. einzelnen Hoheitsrechte.

i) Daher konnte mit Recht von Frankreich verlangt werden, daß
es, nachdem Nassau-Saarbrücken ihm in dem Grenzvertage von
1766 die Abtey Wadgassen mit abgetreten, diejenigen Rechte
der Abtey ungekränkt ließe, welche sie von dem Fürsten von N.
Saarbrücken durch rechtskräftige Erkenntnisse der Reichsgerichte
erstritten hatte. S. Haas l. c §. 20. Aber Frankreich hegt über-
haupt in Ansehung der Frage von der Gültigkeit auswärtiger
Erkenntnisse sehr auffallende Grundsätze s. Emerigon traite des
assurances T. I. p. 123.

§. 98.
Von der freywilligen Gerichtbarkeit.

Nach eben diesen Grundsätzen ist die freywillige Ge-
richtbarkeit, im Gegensatz der streitigen zu beurtheilen.
Auch diese erstreckt sich ordentlicher Weise über alle inner-
halb des Gerichtsbezirks befindliche Personen und Güter,
und kann hingegen der Regel nach nicht über die außer-
halb desselben belegenen ausgeübt werden a); doch giebt es
Handlungen der willkührlichen Gerichtbarkeit, die, weil sie
bloß die Autorität irgend eines Gerichts ohne alle causae
cognition erfordern, auch in jedem andern Gericht als dem
foro rei sitae vorgenommen werden können b).

Was nun aber ein Richter, Kraft der ihm zustehen-
den Gerichtbarkeit, gültig unternommen hat, das ist in
allen Landen in welchen hievon Gebrauch gemacht werden
soll, für gültig anzusehn c).

a) Hannesen de iurisdictione p. 40. u. f. T. I. Reinharth de in
dice iurisdictionem voluntariam extra territorium perperam exercente.
Erfordiae 1735. 4. So kann z. B. eine Obrigkeit nur in Anse-
hung der in ihrem Gerichtsbezirk belegenen Güter Curatores an-
setzen. Selbst die Obrigkeit des Wohnorts des Minderjährigen
kann dem Curator die Verwaltung der außerhalb Landes gele-
genen Güter nicht auftragen, wenn sie nicht durch Verträge
dazu berechtiget ist, wie z. B. nach dem Handelsbündnisse zwischen
Frankreich und den vereinigten Niederlanden 1739. art. 37. So
erlangt ein Minderjähriger wenn er in einem Lande für volljäh-
tig erkläret worden ist, dadurch nicht die freye Verwaltung sei-
ner in einem andren Lande gelegenen Güter.

b) Hie-

H 5

Rechte d. Voͤlker in Anſ d. einzelnen Hoheitsrechte.

i) Daher konnte mit Recht von Frankreich verlangt werden, daß
es, nachdem Naſſau-Saarbruͤcken ihm in dem Grenzvertage von
1766 die Abtey Wadgaſſen mit abgetreten, diejenigen Rechte
der Abtey ungekraͤnkt ließe, welche ſie von dem Fuͤrſten von N.
Saarbruͤcken durch rechtskraͤftige Erkenntniſſe der Reichsgerichte
erſtritten hatte. S. Haas l. c §. 20. Aber Frankreich hegt uͤber-
haupt in Anſehung der Frage von der Guͤltigkeit auswaͤrtiger
Erkenntniſſe ſehr auffallende Grundſaͤtze ſ. Emerigon traité des
aſſurances T. I. p. 123.

§. 98.
Von der freywilligen Gerichtbarkeit.

Nach eben dieſen Grundſaͤtzen iſt die freywillige Ge-
richtbarkeit, im Gegenſatz der ſtreitigen zu beurtheilen.
Auch dieſe erſtreckt ſich ordentlicher Weiſe uͤber alle inner-
halb des Gerichtsbezirks befindliche Perſonen und Guͤter,
und kann hingegen der Regel nach nicht uͤber die außer-
halb deſſelben belegenen ausgeuͤbt werden a); doch giebt es
Handlungen der willkuͤhrlichen Gerichtbarkeit, die, weil ſie
bloß die Autoritaͤt irgend eines Gerichts ohne alle cauſae
cognition erfordern, auch in jedem andern Gericht als dem
foro rei ſitae vorgenommen werden koͤnnen b).

Was nun aber ein Richter, Kraft der ihm zuſtehen-
den Gerichtbarkeit, guͤltig unternommen hat, das iſt in
allen Landen in welchen hievon Gebrauch gemacht werden
ſoll, fuͤr guͤltig anzuſehn c).

a) Hannesen de iurisdictione p. 40. u. f. T. I. Reinharth de in
dice iurisdictionem voluntariam extra territorium perperam exercente.
Erfordiae 1735. 4. So kann z. B. eine Obrigkeit nur in Anſe-
hung der in ihrem Gerichtsbezirk belegenen Guͤter Curatores an-
ſetzen. Selbſt die Obrigkeit des Wohnorts des Minderjaͤhrigen
kann dem Curator die Verwaltung der außerhalb Landes gele-
genen Guͤter nicht auftragen, wenn ſie nicht durch Vertraͤge
dazu berechtiget iſt, wie z. B. nach dem Handelsbuͤndniſſe zwiſchen
Frankreich und den vereinigten Niederlanden 1739. art. 37. So
erlangt ein Minderjaͤhriger wenn er in einem Lande fuͤr volljaͤh-
tig erklaͤret worden iſt, dadurch nicht die freye Verwaltung ſei-
ner in einem andren Lande gelegenen Guͤter.

b) Hie-

H 5

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0149" n="121"/>
            <fw place="top" type="header">Rechte d. Vo&#x0364;lker in An&#x017F; d. einzelnen Hoheitsrechte.</fw><lb/>
            <note place="end" n="i)">Daher konnte mit Recht von Frankreich verlangt werden, daß<lb/>
es, nachdem Na&#x017F;&#x017F;au-Saarbru&#x0364;cken ihm in dem Grenzvertage von<lb/>
1766 die Abtey Wadga&#x017F;&#x017F;en mit abgetreten, diejenigen Rechte<lb/>
der Abtey ungekra&#x0364;nkt ließe, welche &#x017F;ie von dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten von N.<lb/>
Saarbru&#x0364;cken durch rechtskra&#x0364;ftige Erkenntni&#x017F;&#x017F;e der Reichsgerichte<lb/>
er&#x017F;tritten hatte. S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Haas</hi> l. c</hi> §. 20. Aber Frankreich hegt u&#x0364;ber-<lb/>
haupt in An&#x017F;ehung der Frage von der Gu&#x0364;ltigkeit auswa&#x0364;rtiger<lb/>
Erkenntni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ehr auffallende Grund&#x017F;a&#x0364;tze &#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Emerigon</hi><hi rendition="#i">traité des<lb/>
a&#x017F;&#x017F;urances</hi> T. I. p.</hi> 123.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 98.<lb/><hi rendition="#fr">Von der freywilligen Gerichtbarkeit.</hi></head><lb/>
            <p>Nach eben die&#x017F;en Grund&#x017F;a&#x0364;tzen i&#x017F;t die freywillige Ge-<lb/>
richtbarkeit, im Gegen&#x017F;atz der &#x017F;treitigen zu beurtheilen.<lb/>
Auch die&#x017F;e er&#x017F;treckt &#x017F;ich ordentlicher Wei&#x017F;e u&#x0364;ber alle inner-<lb/>
halb des Gerichtsbezirks befindliche Per&#x017F;onen und Gu&#x0364;ter,<lb/>
und kann hingegen der Regel nach nicht u&#x0364;ber die außer-<lb/>
halb de&#x017F;&#x017F;elben belegenen ausgeu&#x0364;bt werden <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>); doch giebt es<lb/>
Handlungen der willku&#x0364;hrlichen Gerichtbarkeit, die, weil &#x017F;ie<lb/>
bloß die Autorita&#x0364;t irgend eines Gerichts ohne alle <hi rendition="#aq">cau&#x017F;ae<lb/>
cognition</hi> erfordern, auch in jedem andern Gericht als dem<lb/><hi rendition="#aq">foro rei &#x017F;itae</hi> vorgenommen werden ko&#x0364;nnen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>).</p><lb/>
            <p>Was nun aber ein Richter, Kraft der ihm zu&#x017F;tehen-<lb/>
den Gerichtbarkeit, gu&#x0364;ltig unternommen hat, das i&#x017F;t in<lb/>
allen Landen in welchen hievon Gebrauch gemacht werden<lb/>
&#x017F;oll, fu&#x0364;r gu&#x0364;ltig anzu&#x017F;ehn <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Hannesen</hi><hi rendition="#i">de iurisdictione</hi> p.</hi> 40. u. f. <hi rendition="#aq">T. I. <hi rendition="#k">Reinharth</hi> <hi rendition="#i">de in<lb/>
dice iurisdictionem voluntariam extra territorium perperam exercente.</hi><lb/>
Erfordiae</hi> 1735. 4. So kann z. B. eine Obrigkeit nur in An&#x017F;e-<lb/>
hung der in ihrem Gerichtsbezirk belegenen Gu&#x0364;ter Curatores an-<lb/>
&#x017F;etzen. Selb&#x017F;t die Obrigkeit des Wohnorts des Minderja&#x0364;hrigen<lb/>
kann dem Curator die Verwaltung der außerhalb Landes gele-<lb/>
genen Gu&#x0364;ter nicht auftragen, wenn &#x017F;ie nicht durch Vertra&#x0364;ge<lb/>
dazu berechtiget i&#x017F;t, wie z. B. nach dem Handelsbu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e zwi&#x017F;chen<lb/>
Frankreich und den vereinigten Niederlanden 1739. <hi rendition="#aq">art.</hi> 37. So<lb/>
erlangt ein Minderja&#x0364;hriger wenn er in einem Lande fu&#x0364;r vollja&#x0364;h-<lb/>
tig erkla&#x0364;ret worden i&#x017F;t, dadurch nicht die freye Verwaltung &#x017F;ei-<lb/>
ner in einem andren Lande gelegenen Gu&#x0364;ter.</note><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">H 5</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>) Hie-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[121/0149] Rechte d. Voͤlker in Anſ d. einzelnen Hoheitsrechte. i⁾ Daher konnte mit Recht von Frankreich verlangt werden, daß es, nachdem Naſſau-Saarbruͤcken ihm in dem Grenzvertage von 1766 die Abtey Wadgaſſen mit abgetreten, diejenigen Rechte der Abtey ungekraͤnkt ließe, welche ſie von dem Fuͤrſten von N. Saarbruͤcken durch rechtskraͤftige Erkenntniſſe der Reichsgerichte erſtritten hatte. S. Haas l. c §. 20. Aber Frankreich hegt uͤber- haupt in Anſehung der Frage von der Guͤltigkeit auswaͤrtiger Erkenntniſſe ſehr auffallende Grundſaͤtze ſ. Emerigon traité des aſſurances T. I. p. 123. §. 98. Von der freywilligen Gerichtbarkeit. Nach eben dieſen Grundſaͤtzen iſt die freywillige Ge- richtbarkeit, im Gegenſatz der ſtreitigen zu beurtheilen. Auch dieſe erſtreckt ſich ordentlicher Weiſe uͤber alle inner- halb des Gerichtsbezirks befindliche Perſonen und Guͤter, und kann hingegen der Regel nach nicht uͤber die außer- halb deſſelben belegenen ausgeuͤbt werden a); doch giebt es Handlungen der willkuͤhrlichen Gerichtbarkeit, die, weil ſie bloß die Autoritaͤt irgend eines Gerichts ohne alle cauſae cognition erfordern, auch in jedem andern Gericht als dem foro rei ſitae vorgenommen werden koͤnnen b). Was nun aber ein Richter, Kraft der ihm zuſtehen- den Gerichtbarkeit, guͤltig unternommen hat, das iſt in allen Landen in welchen hievon Gebrauch gemacht werden ſoll, fuͤr guͤltig anzuſehn c). a⁾ Hannesen de iurisdictione p. 40. u. f. T. I. Reinharth de in dice iurisdictionem voluntariam extra territorium perperam exercente. Erfordiae 1735. 4. So kann z. B. eine Obrigkeit nur in Anſe- hung der in ihrem Gerichtsbezirk belegenen Guͤter Curatores an- ſetzen. Selbſt die Obrigkeit des Wohnorts des Minderjaͤhrigen kann dem Curator die Verwaltung der außerhalb Landes gele- genen Guͤter nicht auftragen, wenn ſie nicht durch Vertraͤge dazu berechtiget iſt, wie z. B. nach dem Handelsbuͤndniſſe zwiſchen Frankreich und den vereinigten Niederlanden 1739. art. 37. So erlangt ein Minderjaͤhriger wenn er in einem Lande fuͤr volljaͤh- tig erklaͤret worden iſt, dadurch nicht die freye Verwaltung ſei- ner in einem andren Lande gelegenen Guͤter. b) Hie- H 5

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/149
Zitationshilfe:	Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/149>, abgerufen am 04.12.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.