Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht.
ten -- und doch wohl in vielen Fällen darauf nicht
pochen würden.

Wenn man an alle die Neckereyen und zum
Theil beschwerliche Händel gedenkt, die über die
wahren und vermeinten Vorrechte der Gesandten,
über die Unabhängigkeit ihrer Person, ihres Hotels,
ihres Gefolges, ihrer Güter entstanden sind, so
könnte es allerdings wünschenswürdig scheinen, daß
diese Vorzüge näher bestimmt und in zweckmäßige
Schranken zurückgeführt werden könnten. Würde
aber der Sache geholfen seyn, wenn man auf den
reinen Satz des natürlichen Rechts zurückkehrte, wie
er seit mehr als 100 Jahren in allen Lehrbüchern des
Naturrechts sich findet, und wie Gregoire ihn im
19ten Artikel vorschlägt: les agens publics que les
peuples s'envoyent sont independans des lois du
pays ou ils sont envoyes dans tout ce qui concerne
l'objet de leur mission
,
würde wohl dieß dem gehof-
ten Zweck entsprechen, würde diese Einschränkung,
nach welcher Gesandte nur in dem was ihre Sendung
anbetrifft von dem Hofe bey welchen sie residiren
unabhängig seyn sollen, nicht zu unzähligen neuen
Streitigkeiten Anlaß geben, würde sie nicht den
Gesandten manchen wahrhaftig für die Führung
seiner Geschäfte nicht gleichgültigen Chicanen bloß
stellen, und so das Uebel auf der einen Seite ver-
größern wenn man es auf der andern zu verringern
suchte. Daß unzählige Streitigkeiten wegen des
ius asyli, wegen der Gerichtbarkeit über das Ge-
folge der Gesandten u. s. f. erwachsen seyn, ist wahr,
und man braucht eben nicht an den Lakeyen-Streit
in Utrecht zu gedenken, um diese Händel unanständig

zu

Vorbericht.
ten — und doch wohl in vielen Faͤllen darauf nicht
pochen wuͤrden.

Wenn man an alle die Neckereyen und zum
Theil beſchwerliche Haͤndel gedenkt, die uͤber die
wahren und vermeinten Vorrechte der Geſandten,
uͤber die Unabhaͤngigkeit ihrer Perſon, ihres Hotels,
ihres Gefolges, ihrer Guͤter entſtanden ſind, ſo
koͤnnte es allerdings wuͤnſchenswuͤrdig ſcheinen, daß
dieſe Vorzuͤge naͤher beſtimmt und in zweckmaͤßige
Schranken zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnten. Wuͤrde
aber der Sache geholfen ſeyn, wenn man auf den
reinen Satz des natuͤrlichen Rechts zuruͤckkehrte, wie
er ſeit mehr als 100 Jahren in allen Lehrbuͤchern des
Naturrechts ſich findet, und wie Gregoire ihn im
19ten Artikel vorſchlaͤgt: les agens publics que les
peuples s’envoyent ſont independans des lois du
pays où ils ſont envoyés dans tout ce qui concerne
l’objet de leur miſſion
,
wuͤrde wohl dieß dem gehof-
ten Zweck entſprechen, wuͤrde dieſe Einſchraͤnkung,
nach welcher Geſandte nur in dem was ihre Sendung
anbetrifft von dem Hofe bey welchen ſie reſidiren
unabhaͤngig ſeyn ſollen, nicht zu unzaͤhligen neuen
Streitigkeiten Anlaß geben, wuͤrde ſie nicht den
Geſandten manchen wahrhaftig fuͤr die Fuͤhrung
ſeiner Geſchaͤfte nicht gleichguͤltigen Chicanen bloß
ſtellen, und ſo das Uebel auf der einen Seite ver-
groͤßern wenn man es auf der andern zu verringern
ſuchte. Daß unzaͤhlige Streitigkeiten wegen des
ius aſyli, wegen der Gerichtbarkeit uͤber das Ge-
folge der Geſandten u. ſ. f. erwachſen ſeyn, iſt wahr,
und man braucht eben nicht an den Lakeyen-Streit
in Utrecht zu gedenken, um dieſe Haͤndel unanſtaͤndig

zu
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="XI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorbericht</hi>.</fw><lb/>
ten &#x2014; und doch wohl in vielen Fa&#x0364;llen darauf nicht<lb/>
pochen wu&#x0364;rden.</p><lb/>
        <p>Wenn man an alle die Neckereyen und zum<lb/>
Theil be&#x017F;chwerliche Ha&#x0364;ndel gedenkt, die u&#x0364;ber die<lb/>
wahren und vermeinten Vorrechte der Ge&#x017F;andten,<lb/>
u&#x0364;ber die Unabha&#x0364;ngigkeit ihrer Per&#x017F;on, ihres Hotels,<lb/>
ihres Gefolges, ihrer Gu&#x0364;ter ent&#x017F;tanden &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnte es allerdings wu&#x0364;n&#x017F;chenswu&#x0364;rdig &#x017F;cheinen, daß<lb/>
die&#x017F;e Vorzu&#x0364;ge na&#x0364;her be&#x017F;timmt und in zweckma&#x0364;ßige<lb/>
Schranken zuru&#x0364;ckgefu&#x0364;hrt werden ko&#x0364;nnten. Wu&#x0364;rde<lb/>
aber der Sache geholfen &#x017F;eyn, wenn man auf den<lb/>
reinen Satz des natu&#x0364;rlichen Rechts zuru&#x0364;ckkehrte, wie<lb/>
er &#x017F;eit mehr als 100 Jahren in allen Lehrbu&#x0364;chern des<lb/>
Naturrechts &#x017F;ich findet, und wie <hi rendition="#fr">Gregoire</hi> ihn im<lb/>
19ten Artikel vor&#x017F;chla&#x0364;gt: <hi rendition="#aq">les agens publics que les<lb/>
peuples s&#x2019;envoyent &#x017F;ont independans des lois du<lb/>
pays où ils &#x017F;ont envoyés <hi rendition="#i">dans tout ce qui concerne<lb/>
l&#x2019;objet de leur mi&#x017F;&#x017F;ion</hi>,</hi> wu&#x0364;rde wohl dieß dem gehof-<lb/>
ten Zweck ent&#x017F;prechen, wu&#x0364;rde die&#x017F;e Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung,<lb/>
nach welcher Ge&#x017F;andte nur in dem was ihre Sendung<lb/>
anbetrifft von dem Hofe bey welchen &#x017F;ie re&#x017F;idiren<lb/>
unabha&#x0364;ngig &#x017F;eyn &#x017F;ollen, nicht zu unza&#x0364;hligen neuen<lb/>
Streitigkeiten Anlaß geben, wu&#x0364;rde &#x017F;ie nicht den<lb/>
Ge&#x017F;andten manchen wahrhaftig fu&#x0364;r die Fu&#x0364;hrung<lb/>
&#x017F;einer Ge&#x017F;cha&#x0364;fte nicht gleichgu&#x0364;ltigen Chicanen bloß<lb/>
&#x017F;tellen, und &#x017F;o das Uebel auf der einen Seite ver-<lb/>
gro&#x0364;ßern wenn man es auf der andern zu verringern<lb/>
&#x017F;uchte. Daß unza&#x0364;hlige Streitigkeiten wegen des<lb/><hi rendition="#aq">ius a&#x017F;yli,</hi> wegen der Gerichtbarkeit u&#x0364;ber das Ge-<lb/>
folge der Ge&#x017F;andten u. &#x017F;. f. erwach&#x017F;en &#x017F;eyn, i&#x017F;t wahr,<lb/>
und man braucht eben nicht an den Lakeyen-Streit<lb/>
in Utrecht zu gedenken, um die&#x017F;e Ha&#x0364;ndel unan&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XI/0015] Vorbericht. ten — und doch wohl in vielen Faͤllen darauf nicht pochen wuͤrden. Wenn man an alle die Neckereyen und zum Theil beſchwerliche Haͤndel gedenkt, die uͤber die wahren und vermeinten Vorrechte der Geſandten, uͤber die Unabhaͤngigkeit ihrer Perſon, ihres Hotels, ihres Gefolges, ihrer Guͤter entſtanden ſind, ſo koͤnnte es allerdings wuͤnſchenswuͤrdig ſcheinen, daß dieſe Vorzuͤge naͤher beſtimmt und in zweckmaͤßige Schranken zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnten. Wuͤrde aber der Sache geholfen ſeyn, wenn man auf den reinen Satz des natuͤrlichen Rechts zuruͤckkehrte, wie er ſeit mehr als 100 Jahren in allen Lehrbuͤchern des Naturrechts ſich findet, und wie Gregoire ihn im 19ten Artikel vorſchlaͤgt: les agens publics que les peuples s’envoyent ſont independans des lois du pays où ils ſont envoyés dans tout ce qui concerne l’objet de leur miſſion, wuͤrde wohl dieß dem gehof- ten Zweck entſprechen, wuͤrde dieſe Einſchraͤnkung, nach welcher Geſandte nur in dem was ihre Sendung anbetrifft von dem Hofe bey welchen ſie reſidiren unabhaͤngig ſeyn ſollen, nicht zu unzaͤhligen neuen Streitigkeiten Anlaß geben, wuͤrde ſie nicht den Geſandten manchen wahrhaftig fuͤr die Fuͤhrung ſeiner Geſchaͤfte nicht gleichguͤltigen Chicanen bloß ſtellen, und ſo das Uebel auf der einen Seite ver- groͤßern wenn man es auf der andern zu verringern ſuchte. Daß unzaͤhlige Streitigkeiten wegen des ius aſyli, wegen der Gerichtbarkeit uͤber das Ge- folge der Geſandten u. ſ. f. erwachſen ſeyn, iſt wahr, und man braucht eben nicht an den Lakeyen-Streit in Utrecht zu gedenken, um dieſe Haͤndel unanſtaͤndig zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/15
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/15>, abgerufen am 04.05.2024.