Wenn eine Zahl freyer Menschen und Familien sich zu dem fortdaurenden Zweck der Beförderung ihrer Sicherheit und Wohlfarth in eine Gesellschaft begiebt, so macht sie ein Volk, und wenn sie in dieser Absicht sich einer gemeinsamen höchsten Oberherrschaft unterwirst, einen Staat aus. In beyden Fällen entsteht für sie eine zwie- fache Gattung von Rechten und Verbindlichkeiten, in ihrem inneren, und in ihrem auswärtigen Verhältnisse.
Die Rechte und Verbindlichkeiten der Mitglieder eines Volks, als solche gegen einander, fließen, theils aus den natürlichen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts, theils aus besondern Verträgen.
Die Rechte und Verbindlichkeiten, welche in einem Staate in dem Verhältniß des Verwalters der höchsten Gewalt auf der einen, und der Unterthanen, als Unter- thanen, auf der andern Seite eintreten, fließen theils aus den Begriffen eines Staats überhaupt, oder eines Staats einer gewissen Art, und deren Inbegriff macht das natür- liche allgemeine Staatsrecht aus, theils aus den Grund- verträgen und Grundherkommen eines jeden Staats ins- besondere, deren Inbegriff das positive besondere Staats- recht desselben ausmacht.
Wenn
A
Einleitung.
§. 1. Begriff des natuͤrlichen Voͤlkerrechts.
Wenn eine Zahl freyer Menſchen und Familien ſich zu dem fortdaurenden Zweck der Befoͤrderung ihrer Sicherheit und Wohlfarth in eine Geſellſchaft begiebt, ſo macht ſie ein Volk, und wenn ſie in dieſer Abſicht ſich einer gemeinſamen hoͤchſten Oberherrſchaft unterwirſt, einen Staat aus. In beyden Faͤllen entſteht fuͤr ſie eine zwie- fache Gattung von Rechten und Verbindlichkeiten, in ihrem inneren, und in ihrem auswaͤrtigen Verhaͤltniſſe.
Die Rechte und Verbindlichkeiten der Mitglieder eines Volks, als ſolche gegen einander, fließen, theils aus den natuͤrlichen Grundſaͤtzen des Geſellſchaftsrechts, theils aus beſondern Vertraͤgen.
Die Rechte und Verbindlichkeiten, welche in einem Staate in dem Verhaͤltniß des Verwalters der hoͤchſten Gewalt auf der einen, und der Unterthanen, als Unter- thanen, auf der andern Seite eintreten, fließen theils aus den Begriffen eines Staats uͤberhaupt, oder eines Staats einer gewiſſen Art, und deren Inbegriff macht das natuͤr- liche allgemeine Staatsrecht aus, theils aus den Grund- vertraͤgen und Grundherkommen eines jeden Staats ins- beſondere, deren Inbegriff das poſitive beſondere Staats- recht deſſelben ausmacht.
Wenn
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Einleitung.
§. 1.
Begriff des natuͤrlichen Voͤlkerrechts.
Wenn eine Zahl freyer Menſchen und Familien ſich zu
dem fortdaurenden Zweck der Befoͤrderung ihrer
Sicherheit und Wohlfarth in eine Geſellſchaft begiebt, ſo
macht ſie ein Volk, und wenn ſie in dieſer Abſicht ſich
einer gemeinſamen hoͤchſten Oberherrſchaft unterwirſt, einen
Staat aus. In beyden Faͤllen entſteht fuͤr ſie eine zwie-
fache Gattung von Rechten und Verbindlichkeiten, in
ihrem inneren, und in ihrem auswaͤrtigen Verhaͤltniſſe.
Die Rechte und Verbindlichkeiten der Mitglieder
eines Volks, als ſolche gegen einander, fließen, theils aus
den natuͤrlichen Grundſaͤtzen des Geſellſchaftsrechts, theils
aus beſondern Vertraͤgen.
Die Rechte und Verbindlichkeiten, welche in einem
Staate in dem Verhaͤltniß des Verwalters der hoͤchſten
Gewalt auf der einen, und der Unterthanen, als Unter-
thanen, auf der andern Seite eintreten, fließen theils aus
den Begriffen eines Staats uͤberhaupt, oder eines Staats
einer gewiſſen Art, und deren Inbegriff macht das natuͤr-
liche allgemeine Staatsrecht aus, theils aus den Grund-
vertraͤgen und Grundherkommen eines jeden Staats ins-
beſondere, deren Inbegriff das poſitive beſondere Staats-
recht deſſelben ausmacht.
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/29>, abgerufen am 04.12.2024.
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