Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Gesandschaftliche Verhandlungen.
gesandschaftliche Vorrechte verliert, so behält doch der Staat
das Recht sich seiner zu entledigen.

a) Vattel Liv. IV. chap. VII. §. 93. Pecquet de l'art de negocier
p.
71.
b) Nur von vollkommnen Pflichten ist hier die Rede; forschte man
nach dem was gewissenhaft, edel, großmüthig gethan sey, so
müßte man weit in den allermehreften Fällen der Bestechungen
verwerfen, in welchen sie nach dem äußeren Völkerrecht gerecht-
fertiget oder entschuldiget werden könnte.
Neuntes Hauptstück.
Von dem Gefolge des Gesandten
.
§. 230.
Von der Gemahlinn des Gesandten.

Vor Einführung der beständigen Gesandschaften war
es gar nicht Sitte, daß der Gesandte seine Gemahlinn mit-
bringe und selbst der Titel Gesand[t]inn war nicht üblich a).
Erst im 17ten Jahrhundert b) kam beides auf, seit die be-
ständigen Gesandschaften häufiger wurden.

Die Gemahlinn eines Gesandten genießt als solche
eines noch höheren Grades der Unverletzlichkeit als ihr sonst
schon ihre Geburt und ihr Geschlecht zusichern. Sie theilt
die Befreyungen ihres Gemahls und verlangt in Ansehung
des Ceremoniels, soviel die Visiten und Revisiten, die Prä-
cedenz und den Empfang bey Hofe angeht eben die Gleich-
heit oder die Vorzüge vor den am Hofe befindlichen Frauen-
zimmern vom Stande, die ihr Gemahl vor den Ehegemah-
len derselben begehrt c).

a) F. C. v. Moser die Gesandtinn nach ihren Rechten und
Pflichten
in dessen kleinen Schriften Th. III. n. 2.
b) Noch 1649 hielt sich ein französischer Gesandte in dem Haag dar-
über auf, daß ein spanischer Bothschafter seine Gemahlinn mit
sich gebracht hatte und sagte: que c'etoit une Ambassade hermaphro-
dite,
s. Bynkershoek de foro competente legatorum cap. 15. §. 7.

c) Die
S

Geſandſchaftliche Verhandlungen.
geſandſchaftliche Vorrechte verliert, ſo behaͤlt doch der Staat
das Recht ſich ſeiner zu entledigen.

a) Vattel Liv. IV. chap. VII. §. 93. Pecquet de l’art de negocier
p.
71.
b) Nur von vollkommnen Pflichten iſt hier die Rede; forſchte man
nach dem was gewiſſenhaft, edel, großmuͤthig gethan ſey, ſo
muͤßte man weit in den allermehreften Faͤllen der Beſtechungen
verwerfen, in welchen ſie nach dem aͤußeren Voͤlkerrecht gerecht-
fertiget oder entſchuldiget werden koͤnnte.
Neuntes Hauptſtuͤck.
Von dem Gefolge des Geſandten
.
§. 230.
Von der Gemahlinn des Geſandten.

Vor Einfuͤhrung der beſtaͤndigen Geſandſchaften war
es gar nicht Sitte, daß der Geſandte ſeine Gemahlinn mit-
bringe und ſelbſt der Titel Geſand[t]inn war nicht uͤblich a).
Erſt im 17ten Jahrhundert b) kam beides auf, ſeit die be-
ſtaͤndigen Geſandſchaften haͤufiger wurden.

Die Gemahlinn eines Geſandten genießt als ſolche
eines noch hoͤheren Grades der Unverletzlichkeit als ihr ſonſt
ſchon ihre Geburt und ihr Geſchlecht zuſichern. Sie theilt
die Befreyungen ihres Gemahls und verlangt in Anſehung
des Ceremoniels, ſoviel die Viſiten und Reviſiten, die Praͤ-
cedenz und den Empfang bey Hofe angeht eben die Gleich-
heit oder die Vorzuͤge vor den am Hofe befindlichen Frauen-
zimmern vom Stande, die ihr Gemahl vor den Ehegemah-
len derſelben begehrt c).

a) F. C. v. Moſer die Geſandtinn nach ihren Rechten und
Pflichten
in deſſen kleinen Schriften Th. III. n. 2.
b) Noch 1649 hielt ſich ein franzoͤſiſcher Geſandte in dem Haag dar-
uͤber auf, daß ein ſpaniſcher Bothſchafter ſeine Gemahlinn mit
ſich gebracht hatte und ſagte: que c’étoit une Ambaſſade hermaphro-
dite,
ſ. Bynkershoek de foro competente legatorum cap. 15. §. 7.

c) Die
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0301" n="273"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;and&#x017F;chaftliche Verhandlungen.</fw><lb/>
ge&#x017F;and&#x017F;chaftliche Vorrechte verliert, &#x017F;o beha&#x0364;lt doch der Staat<lb/>
das Recht &#x017F;ich &#x017F;einer zu entledigen.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Vattel</hi> Liv. IV. chap. VII. §. 93. <hi rendition="#k">Pecquet</hi> <hi rendition="#i">de l&#x2019;art de negocier</hi><lb/>
p.</hi> 71.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Nur von vollkommnen Pflichten i&#x017F;t hier die Rede; for&#x017F;chte man<lb/>
nach dem was gewi&#x017F;&#x017F;enhaft, edel, großmu&#x0364;thig gethan &#x017F;ey, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;ßte man weit in den allermehreften Fa&#x0364;llen der Be&#x017F;techungen<lb/>
verwerfen, in welchen &#x017F;ie nach dem a&#x0364;ußeren Vo&#x0364;lkerrecht gerecht-<lb/>
fertiget oder ent&#x017F;chuldiget werden ko&#x0364;nnte.</note>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g"><hi rendition="#fr">Neuntes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi><lb/>
Von dem Gefolge des Ge&#x017F;andten</hi>.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 230.<lb/><hi rendition="#fr">Von der Gemahlinn des Ge&#x017F;andten.</hi></head><lb/>
            <p>Vor <choice><sic>Einfu&#x0364;hruug</sic><corr>Einfu&#x0364;hrung</corr></choice> der be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Ge&#x017F;and&#x017F;chaften war<lb/>
es gar nicht Sitte, daß der Ge&#x017F;andte &#x017F;eine Gemahlinn mit-<lb/>
bringe und &#x017F;elb&#x017F;t der Titel Ge&#x017F;and<supplied>t</supplied>inn war nicht u&#x0364;blich <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>).<lb/>
Er&#x017F;t im 17ten Jahrhundert <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>) kam beides auf, &#x017F;eit die be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen Ge&#x017F;and&#x017F;chaften ha&#x0364;ufiger wurden.</p><lb/>
            <p>Die Gemahlinn eines Ge&#x017F;andten genießt als &#x017F;olche<lb/>
eines noch ho&#x0364;heren Grades der Unverletzlichkeit als ihr &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chon ihre Geburt und ihr Ge&#x017F;chlecht zu&#x017F;ichern. Sie theilt<lb/>
die Befreyungen ihres Gemahls und verlangt in An&#x017F;ehung<lb/>
des Ceremoniels, &#x017F;oviel die Vi&#x017F;iten und Revi&#x017F;iten, die Pra&#x0364;-<lb/>
cedenz und den Empfang bey Hofe angeht eben die Gleich-<lb/>
heit oder die Vorzu&#x0364;ge vor den am Hofe befindlichen Frauen-<lb/>
zimmern vom Stande, die ihr Gemahl vor den Ehegemah-<lb/>
len der&#x017F;elben begehrt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">c</hi>)</hi>.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"><hi rendition="#fr">F. C. v. <hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> die Ge&#x017F;andtinn nach ihren Rechten und<lb/>
Pflichten</hi> in de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">kleinen Schriften</hi> Th. <hi rendition="#aq">III. n.</hi> 2.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Noch 1649 hielt &#x017F;ich ein franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Ge&#x017F;andte in dem Haag dar-<lb/>
u&#x0364;ber auf, daß ein &#x017F;pani&#x017F;cher Both&#x017F;chafter &#x017F;eine Gemahlinn mit<lb/>
&#x017F;ich gebracht hatte und &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">que c&#x2019;étoit une Amba&#x017F;&#x017F;ade hermaphro-<lb/>
dite,</hi> &#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Bynkershoek</hi><hi rendition="#i">de foro competente legatorum</hi> cap.</hi> 15. §. 7.</note><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">S</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>) Die</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0301] Geſandſchaftliche Verhandlungen. geſandſchaftliche Vorrechte verliert, ſo behaͤlt doch der Staat das Recht ſich ſeiner zu entledigen. a⁾ Vattel Liv. IV. chap. VII. §. 93. Pecquet de l’art de negocier p. 71. b⁾ Nur von vollkommnen Pflichten iſt hier die Rede; forſchte man nach dem was gewiſſenhaft, edel, großmuͤthig gethan ſey, ſo muͤßte man weit in den allermehreften Faͤllen der Beſtechungen verwerfen, in welchen ſie nach dem aͤußeren Voͤlkerrecht gerecht- fertiget oder entſchuldiget werden koͤnnte. Neuntes Hauptſtuͤck. Von dem Gefolge des Geſandten. §. 230. Von der Gemahlinn des Geſandten. Vor Einfuͤhrung der beſtaͤndigen Geſandſchaften war es gar nicht Sitte, daß der Geſandte ſeine Gemahlinn mit- bringe und ſelbſt der Titel Geſandtinn war nicht uͤblich a). Erſt im 17ten Jahrhundert b) kam beides auf, ſeit die be- ſtaͤndigen Geſandſchaften haͤufiger wurden. Die Gemahlinn eines Geſandten genießt als ſolche eines noch hoͤheren Grades der Unverletzlichkeit als ihr ſonſt ſchon ihre Geburt und ihr Geſchlecht zuſichern. Sie theilt die Befreyungen ihres Gemahls und verlangt in Anſehung des Ceremoniels, ſoviel die Viſiten und Reviſiten, die Praͤ- cedenz und den Empfang bey Hofe angeht eben die Gleich- heit oder die Vorzuͤge vor den am Hofe befindlichen Frauen- zimmern vom Stande, die ihr Gemahl vor den Ehegemah- len derſelben begehrt c). a⁾ F. C. v. Moſer die Geſandtinn nach ihren Rechten und Pflichten in deſſen kleinen Schriften Th. III. n. 2. b⁾ Noch 1649 hielt ſich ein franzoͤſiſcher Geſandte in dem Haag dar- uͤber auf, daß ein ſpaniſcher Bothſchafter ſeine Gemahlinn mit ſich gebracht hatte und ſagte: que c’étoit une Ambaſſade hermaphro- dite, ſ. Bynkershoek de foro competente legatorum cap. 15. §. 7. c) Die S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/301
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/301>, abgerufen am 05.12.2024.