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Martin, Marie: Wahre Frauenbildung. Tübingen 1905.

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wissen wir wohl alle, Mann und Weib. Dann beginnt das
kraftlose Suchen ohne Finden, das Haschen nach Befriedigung
im Genuß, da der Frieden der Pflichterfüllung
verloren ging. Dann macht man die furchtbare Faust-
erfahrung:

"so tauml' ich von Begierde zu Genuß, Und im Genuß verschmacht' ich nach Begierde,

sei es, daß der Mensch in die wüsten, verlorenen Tiefen grober
Sinnlichkeit gerät, sei es, daß er bei Kaffeetasse, Klatsch und
Nichtstun sein Heil sucht.

Aber es leuchtet ein, daß die verkümmerte, mißleitete
Frauenkraft, leeres oder überbürdetes oder gar vergiftetes
Frauenleben, für ein Volk noch eine ganz andre Gefahr be-
deutet als irgendwelche Verirrungen des Männerlebens. Falsche
Kulturentwickelungen können zurückgeführt, Kulturnöte können
gehoben werden, wenn auch unter noch so vielen Opfern.
Wo aber der Zusammenhang mit der Natur selbst unterbun-
den wird, wo die Quellen verseucht werden, woher soll da
Heilung kommen? Darum ist es ein wahres Wort: ein
Volk steht so hoch, als seine Frauen stehen
.

[Abbildung]

wissen wir wohl alle, Mann und Weib. Dann beginnt das
kraftlose Suchen ohne Finden, das Haschen nach Befriedigung
im Genuß, da der Frieden der Pflichterfüllung
verloren ging. Dann macht man die furchtbare Faust-
erfahrung:

„so tauml' ich von Begierde zu Genuß, Und im Genuß verschmacht' ich nach Begierde,

sei es, daß der Mensch in die wüsten, verlorenen Tiefen grober
Sinnlichkeit gerät, sei es, daß er bei Kaffeetasse, Klatsch und
Nichtstun sein Heil sucht.

Aber es leuchtet ein, daß die verkümmerte, mißleitete
Frauenkraft, leeres oder überbürdetes oder gar vergiftetes
Frauenleben, für ein Volk noch eine ganz andre Gefahr be-
deutet als irgendwelche Verirrungen des Männerlebens. Falsche
Kulturentwickelungen können zurückgeführt, Kulturnöte können
gehoben werden, wenn auch unter noch so vielen Opfern.
Wo aber der Zusammenhang mit der Natur selbst unterbun-
den wird, wo die Quellen verseucht werden, woher soll da
Heilung kommen? Darum ist es ein wahres Wort: ein
Volk steht so hoch, als seine Frauen stehen
.

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[11/0014] wissen wir wohl alle, Mann und Weib. Dann beginnt das kraftlose Suchen ohne Finden, das Haschen nach Befriedigung im Genuß, da der Frieden der Pflichterfüllung verloren ging. Dann macht man die furchtbare Faust- erfahrung: „so tauml' ich von Begierde zu Genuß, Und im Genuß verschmacht' ich nach Begierde, sei es, daß der Mensch in die wüsten, verlorenen Tiefen grober Sinnlichkeit gerät, sei es, daß er bei Kaffeetasse, Klatsch und Nichtstun sein Heil sucht. Aber es leuchtet ein, daß die verkümmerte, mißleitete Frauenkraft, leeres oder überbürdetes oder gar vergiftetes Frauenleben, für ein Volk noch eine ganz andre Gefahr be- deutet als irgendwelche Verirrungen des Männerlebens. Falsche Kulturentwickelungen können zurückgeführt, Kulturnöte können gehoben werden, wenn auch unter noch so vielen Opfern. Wo aber der Zusammenhang mit der Natur selbst unterbun- den wird, wo die Quellen verseucht werden, woher soll da Heilung kommen? Darum ist es ein wahres Wort: ein Volk steht so hoch, als seine Frauen stehen. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Martin, Marie: Wahre Frauenbildung. Tübingen 1905, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martin_frauenbildung_1905/14>, abgerufen am 16.04.2024.