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Martin, Marie: Wahre Frauenbildung. Tübingen 1905.

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Zwei Gründe sind es, die dem geistig privilegierten Manne
so gefährlich erscheinen lassen, uns Frauen höhere geistige Bil-
dung frei zugänglich zu machen.

1. Diese unfreie Berechtigungsbildung ist ein Konkurrenz-
mittel. Ließe man die Frau daran ohne Einschränkung teil-
nehmen, so würde der Mann einfach, besonders bei der heu-
tigen ungesunden wirtschaftlichen Lage der Frau, den Kreis
seiner Konkurrenten vergrößern und den Konkurrenzkampf
verschärfen. So leicht gibt kein Stand und kein Lebenskreis
freiwillig ein Privilegium aus der Hand, und so dumm ist
auch der Mann nicht, daß er Bildung als Konkurrenzberech-
tigung dem weiblichen Geschlecht auf dem Präsentierbrett ent-
gegenbrächte. Im Gegenteil, er, der viel Gewitzigtere und
Erfahrenere, sieht schon die Konsequenzen für diesen Kampf
voraus, wo wir Frauen noch gar nicht an wirtschaftliche
Rechte denken und nur an der Wissensquelle zu trinken be-
gehren, weil wir Durst haben. Nur keine wahrhaft höhere
Schulbildung, denn -- dann drängt die Frau zum Studium!
Nur kein Recht auf Studium, denn -- dann drängt die Frau
in die höheren Berufe! Nur keine höheren Berufe, denn --
da kann sich der Mann nicht verdrängen lassen!

Dieser einfache, zwar natürliche, aber brutale Konkur-
renzkampf des Mannes gegen die Frau wird zum teil ganz
offen und ehrlich geführt. Wir Frauen müssen ihn auch ganz
einfach verstehen und die Schwierigkeit der Lage anerkennen.
Der Mann will und muß sich und -- nicht zu vergessen! -- sei-
ner Familie die Daseinsbedingungen in dem harten Getriebe
des Lebens schützen, denn es tauchen niemals neue Rechte auf
und setzen sich durch, ohne alte Rechte zu verletzen. Schwerer
wird es uns Frauen, die wir von dem harten Leben eben-
falls, wir mögen wollen oder nicht, zum wirtschaftlichen Kampf
gezwungen werden, diesen Kampf ohne Bitterkeit zu führen,
wenn unsre Gegner mit hohen Phrasen die Waffen, mit denen
sie uns doch einfach aus dem Felde schlagen wollen, umwickeln.

Zwei Gründe sind es, die dem geistig privilegierten Manne
so gefährlich erscheinen lassen, uns Frauen höhere geistige Bil-
dung frei zugänglich zu machen.

1. Diese unfreie Berechtigungsbildung ist ein Konkurrenz-
mittel. Ließe man die Frau daran ohne Einschränkung teil-
nehmen, so würde der Mann einfach, besonders bei der heu-
tigen ungesunden wirtschaftlichen Lage der Frau, den Kreis
seiner Konkurrenten vergrößern und den Konkurrenzkampf
verschärfen. So leicht gibt kein Stand und kein Lebenskreis
freiwillig ein Privilegium aus der Hand, und so dumm ist
auch der Mann nicht, daß er Bildung als Konkurrenzberech-
tigung dem weiblichen Geschlecht auf dem Präsentierbrett ent-
gegenbrächte. Im Gegenteil, er, der viel Gewitzigtere und
Erfahrenere, sieht schon die Konsequenzen für diesen Kampf
voraus, wo wir Frauen noch gar nicht an wirtschaftliche
Rechte denken und nur an der Wissensquelle zu trinken be-
gehren, weil wir Durst haben. Nur keine wahrhaft höhere
Schulbildung, denn — dann drängt die Frau zum Studium!
Nur kein Recht auf Studium, denn — dann drängt die Frau
in die höheren Berufe! Nur keine höheren Berufe, denn —
da kann sich der Mann nicht verdrängen lassen!

Dieser einfache, zwar natürliche, aber brutale Konkur-
renzkampf des Mannes gegen die Frau wird zum teil ganz
offen und ehrlich geführt. Wir Frauen müssen ihn auch ganz
einfach verstehen und die Schwierigkeit der Lage anerkennen.
Der Mann will und muß sich und — nicht zu vergessen! — sei-
ner Familie die Daseinsbedingungen in dem harten Getriebe
des Lebens schützen, denn es tauchen niemals neue Rechte auf
und setzen sich durch, ohne alte Rechte zu verletzen. Schwerer
wird es uns Frauen, die wir von dem harten Leben eben-
falls, wir mögen wollen oder nicht, zum wirtschaftlichen Kampf
gezwungen werden, diesen Kampf ohne Bitterkeit zu führen,
wenn unsre Gegner mit hohen Phrasen die Waffen, mit denen
sie uns doch einfach aus dem Felde schlagen wollen, umwickeln.

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[14/0017] Zwei Gründe sind es, die dem geistig privilegierten Manne so gefährlich erscheinen lassen, uns Frauen höhere geistige Bil- dung frei zugänglich zu machen. 1. Diese unfreie Berechtigungsbildung ist ein Konkurrenz- mittel. Ließe man die Frau daran ohne Einschränkung teil- nehmen, so würde der Mann einfach, besonders bei der heu- tigen ungesunden wirtschaftlichen Lage der Frau, den Kreis seiner Konkurrenten vergrößern und den Konkurrenzkampf verschärfen. So leicht gibt kein Stand und kein Lebenskreis freiwillig ein Privilegium aus der Hand, und so dumm ist auch der Mann nicht, daß er Bildung als Konkurrenzberech- tigung dem weiblichen Geschlecht auf dem Präsentierbrett ent- gegenbrächte. Im Gegenteil, er, der viel Gewitzigtere und Erfahrenere, sieht schon die Konsequenzen für diesen Kampf voraus, wo wir Frauen noch gar nicht an wirtschaftliche Rechte denken und nur an der Wissensquelle zu trinken be- gehren, weil wir Durst haben. Nur keine wahrhaft höhere Schulbildung, denn — dann drängt die Frau zum Studium! Nur kein Recht auf Studium, denn — dann drängt die Frau in die höheren Berufe! Nur keine höheren Berufe, denn — da kann sich der Mann nicht verdrängen lassen! Dieser einfache, zwar natürliche, aber brutale Konkur- renzkampf des Mannes gegen die Frau wird zum teil ganz offen und ehrlich geführt. Wir Frauen müssen ihn auch ganz einfach verstehen und die Schwierigkeit der Lage anerkennen. Der Mann will und muß sich und — nicht zu vergessen! — sei- ner Familie die Daseinsbedingungen in dem harten Getriebe des Lebens schützen, denn es tauchen niemals neue Rechte auf und setzen sich durch, ohne alte Rechte zu verletzen. Schwerer wird es uns Frauen, die wir von dem harten Leben eben- falls, wir mögen wollen oder nicht, zum wirtschaftlichen Kampf gezwungen werden, diesen Kampf ohne Bitterkeit zu führen, wenn unsre Gegner mit hohen Phrasen die Waffen, mit denen sie uns doch einfach aus dem Felde schlagen wollen, umwickeln.

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Zitationshilfe: Martin, Marie: Wahre Frauenbildung. Tübingen 1905, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martin_frauenbildung_1905/17>, abgerufen am 18.04.2024.