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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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ihn melancholisch und traurig siehet. Nichts
ist in dem Gebrauch der Dinge gemeiner/
als die Verdeckung. Siehet man nicht
alle Tage viel traurige und betrübete Leute
unter dem Reichthum und den Ehren/ und
andere/ die ihre Freude öffentlich sehen las-
sen/ ob sie schon in der äussersten Noth
stecken.

LX.

Ehe man von einem Dinge urtheilet/
muß man das Ende wohl betrachten. Du
kanst in aller Sicherheit ein Ding gut nen-
nen/ wann es also nach seinem Ende ist/ ob
es schon anfänglich scheinet/ als sey es nicht
gut/ und dasjenige/ was nach seinem Zweck
oder Ende nicht gut ist/ verwerffen als ein
böses Ding/ ob es schon einen ziemlichen
schönen Anfang hat. In diesem Fall muß
man alle Sachen in der Welt sehr geringe
achten/ weil sie so nahe an ihrem Ende sind.
Die Güter dieses Lebens sind weniger
zu betrachten nach ihrer Menge/ als nach
ihrer Währung.

LXI.

Das Gute/ wer es recht erforschen will/
bestehet in der Action, die Tugend ist ein
Gut welches nicht an der Fortun henget/

und
F 3

ihn melancholiſch uñ traurig ſiehet. Nichts
iſt in dem Gebrauch der Dinge gemeiner/
als die Verdeckung. Siehet man nicht
alle Tage viel traurige und betruͤbete Leute
unter dem Reichthum und den Ehren/ und
andere/ die ihre Freude oͤffentlich ſehen laſ-
ſen/ ob ſie ſchon in der aͤuſſerſten Noth
ſtecken.

LX.

Ehe man von einem Dinge urtheilet/
muß man das Ende wohl betrachten. Du
kanſt in aller Sicherheit ein Ding gut nen-
nen/ wann es alſo nach ſeinem Ende iſt/ ob
es ſchon anfaͤnglich ſcheinet/ als ſey es nicht
gut/ und dasjenige/ was nach ſeinem Zweck
oder Ende nicht gut iſt/ verwerffen als ein
boͤſes Ding/ ob es ſchon einen ziemlichen
ſchoͤnen Anfang hat. In dieſem Fall muß
man alle Sachen in der Welt ſehr geringe
achten/ weil ſie ſo nahe an ihrem Ende ſind.
Die Guͤter dieſes Lebens ſind weniger
zu betrachten nach ihrer Menge/ als nach
ihrer Waͤhrung.

LXI.

Das Gute/ wer es recht erforſchen will/
beſtehet in der Action, die Tugend iſt ein
Gut welches nicht an der Fortun henget/

und
F 3
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[135[125]/0136] ihn melancholiſch uñ traurig ſiehet. Nichts iſt in dem Gebrauch der Dinge gemeiner/ als die Verdeckung. Siehet man nicht alle Tage viel traurige und betruͤbete Leute unter dem Reichthum und den Ehren/ und andere/ die ihre Freude oͤffentlich ſehen laſ- ſen/ ob ſie ſchon in der aͤuſſerſten Noth ſtecken. LX. Ehe man von einem Dinge urtheilet/ muß man das Ende wohl betrachten. Du kanſt in aller Sicherheit ein Ding gut nen- nen/ wann es alſo nach ſeinem Ende iſt/ ob es ſchon anfaͤnglich ſcheinet/ als ſey es nicht gut/ und dasjenige/ was nach ſeinem Zweck oder Ende nicht gut iſt/ verwerffen als ein boͤſes Ding/ ob es ſchon einen ziemlichen ſchoͤnen Anfang hat. In dieſem Fall muß man alle Sachen in der Welt ſehr geringe achten/ weil ſie ſo nahe an ihrem Ende ſind. Die Guͤter dieſes Lebens ſind weniger zu betrachten nach ihrer Menge/ als nach ihrer Waͤhrung. LXI. Das Gute/ wer es recht erforſchen will/ beſtehet in der Action, die Tugend iſt ein Gut welches nicht an der Fortun henget/ und F 3

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 135[125]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/136>, abgerufen am 25.11.2024.