traut wurde. Am 8. Mai brachte er das Gesetz ein, wodurch das allgemeine Wahlrecht abgeschafft, ein dreijähriges Domizil an dem Orte der Wahl den Wählern als Bedingung auferlegt, endlich der Nachweis dieses Domizils für die Arbeiter von dem Zeugnisse ihrer Arbeitgeber abhängig gemacht wurde.
Wie revolutionär die Demokraten während des konstitutionellen Wahl¬ kampfes aufgeregt und getobt hatten, so konstitutionell predigten sie jetzt, wo es galt, mit den Waffen in der Hand den Ernst jener Wahlsiege zu beweisen, Ordnung, majestätische Ruhe (calme majestueux), gesetzliche Haltung, d. h. blinde Unterwerfung unter den Willen der Kontrerevolution, der sich als Ge¬ setz breit machte. Während der Debatte beschämte der Berg die Partei der Ordnung, indem er gegen ihre revolutionäre Leidenschaftlichkeit die leidenschaftslose Haltung des Biedermanns geltend machte, der den Rechts¬ boden behauptet, und indem er sie mit dem furchtbaren Vorwurfe zu Boden schlug, daß sie revolutionär verfahre. Selbst die neugewählten Deputirten bemühten sich durch anständiges und besonnenes Auftreten zu beweisen, welche Verkennung es war, sie als Anarchisten zu verschreien und ihre Wahl als einen Sieg der Revolution auszulegen. Am 31. Mai ging das neue Wahl¬ gesetz durch. Die Montagne begnügte sich damit, dem Präsidenten einen Protest in die Tasche zu schmuggeln. Dem Wahlgesetz folgte ein neues Preßgesetz, wodurch die revolutionäre Zeitungspresse vollständig beseitigt wurde. Sie hatte ihr Schicksal verdient. "National" und "la Presse", zwei bürgerliche Organe, blieben nach dieser Sündfluth als äußerste Vorposten der Revolution zurück.
Wir haben gesehn, wie die demokratischen Führer während März und April Alles gethan hatten, um das Volk von Paris in einen Scheinkampf zu verwickeln, wie sie nach dem 8. Mai Alles thaten, um es vom wirklichen Kampf abzuhalten. Wir dürfen zudem nicht vergessen, daß das Jahr 1850 eines der glänzendsten Jahre industrieller und kommerzieller Prosperität, also das Pariser Proletariat vollständig beschäftigt war. Allein das Wahlgesetz vom 31. Mai 1850 schloß es von aller Theilnahme an der politischen Ge¬ walt aus. Es schnitt ihm das Kampfterrain selbst ab. Es warf die Ar¬ beiter in die Pariastellung zurück, die sie vor der Februarrevolution einge¬ nommen hatten. Indem sie einem solchen Ereignisse gegenüber sich von den Demokraten lenken lassen und das revolutionäre Interesse ihrer Klasse über einem augenblicklichen Wohlbehagen vergessen konnten, verzichteten sie auf die Ehre eine erobernde Macht zu sein, unterwarfen sich ihrem Schicksale, be¬
traut wurde. Am 8. Mai brachte er das Geſetz ein, wodurch das allgemeine Wahlrecht abgeſchafft, ein dreijähriges Domizil an dem Orte der Wahl den Wählern als Bedingung auferlegt, endlich der Nachweis dieſes Domizils für die Arbeiter von dem Zeugniſſe ihrer Arbeitgeber abhängig gemacht wurde.
Wie revolutionär die Demokraten während des konſtitutionellen Wahl¬ kampfes aufgeregt und getobt hatten, ſo konſtitutionell predigten ſie jetzt, wo es galt, mit den Waffen in der Hand den Ernſt jener Wahlſiege zu beweiſen, Ordnung, majeſtätiſche Ruhe (calme majestueux), geſetzliche Haltung, d. h. blinde Unterwerfung unter den Willen der Kontrerevolution, der ſich als Ge¬ ſetz breit machte. Während der Debatte beſchämte der Berg die Partei der Ordnung, indem er gegen ihre revolutionäre Leidenſchaftlichkeit die leidenſchaftsloſe Haltung des Biedermanns geltend machte, der den Rechts¬ boden behauptet, und indem er ſie mit dem furchtbaren Vorwurfe zu Boden ſchlug, daß ſie revolutionär verfahre. Selbſt die neugewählten Deputirten bemühten ſich durch anſtändiges und beſonnenes Auftreten zu beweiſen, welche Verkennung es war, ſie als Anarchiſten zu verſchreien und ihre Wahl als einen Sieg der Revolution auszulegen. Am 31. Mai ging das neue Wahl¬ geſetz durch. Die Montagne begnügte ſich damit, dem Präſidenten einen Proteſt in die Taſche zu ſchmuggeln. Dem Wahlgeſetz folgte ein neues Preßgeſetz, wodurch die revolutionäre Zeitungspreſſe vollſtändig beſeitigt wurde. Sie hatte ihr Schickſal verdient. „National“ und „la Presse“, zwei bürgerliche Organe, blieben nach dieſer Sündfluth als äußerſte Vorpoſten der Revolution zurück.
Wir haben geſehn, wie die demokratiſchen Führer während März und April Alles gethan hatten, um das Volk von Paris in einen Scheinkampf zu verwickeln, wie ſie nach dem 8. Mai Alles thaten, um es vom wirklichen Kampf abzuhalten. Wir dürfen zudem nicht vergeſſen, daß das Jahr 1850 eines der glänzendſten Jahre induſtrieller und kommerzieller Prosperität, alſo das Pariſer Proletariat vollſtändig beſchäftigt war. Allein das Wahlgeſetz vom 31. Mai 1850 ſchloß es von aller Theilnahme an der politiſchen Ge¬ walt aus. Es ſchnitt ihm das Kampfterrain ſelbſt ab. Es warf die Ar¬ beiter in die Pariaſtellung zurück, die ſie vor der Februarrevolution einge¬ nommen hatten. Indem ſie einem ſolchen Ereigniſſe gegenüber ſich von den Demokraten lenken laſſen und das revolutionäre Intereſſe ihrer Klaſſe über einem augenblicklichen Wohlbehagen vergeſſen konnten, verzichteten ſie auf die Ehre eine erobernde Macht zu ſein, unterwarfen ſich ihrem Schickſale, be¬
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[45/0057]
traut wurde. Am 8. Mai brachte er das Geſetz ein, wodurch das allgemeine
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Wählern als Bedingung auferlegt, endlich der Nachweis dieſes Domizils für
die Arbeiter von dem Zeugniſſe ihrer Arbeitgeber abhängig gemacht wurde.
Wie revolutionär die Demokraten während des konſtitutionellen Wahl¬
kampfes aufgeregt und getobt hatten, ſo konſtitutionell predigten ſie jetzt, wo
es galt, mit den Waffen in der Hand den Ernſt jener Wahlſiege zu beweiſen,
Ordnung, majeſtätiſche Ruhe (calme majestueux), geſetzliche Haltung, d. h.
blinde Unterwerfung unter den Willen der Kontrerevolution, der ſich als Ge¬
ſetz breit machte. Während der Debatte beſchämte der Berg die Partei
der Ordnung, indem er gegen ihre revolutionäre Leidenſchaftlichkeit die
leidenſchaftsloſe Haltung des Biedermanns geltend machte, der den Rechts¬
boden behauptet, und indem er ſie mit dem furchtbaren Vorwurfe zu Boden
ſchlug, daß ſie revolutionär verfahre. Selbſt die neugewählten Deputirten
bemühten ſich durch anſtändiges und beſonnenes Auftreten zu beweiſen, welche
Verkennung es war, ſie als Anarchiſten zu verſchreien und ihre Wahl als
einen Sieg der Revolution auszulegen. Am 31. Mai ging das neue Wahl¬
geſetz durch. Die Montagne begnügte ſich damit, dem Präſidenten einen
Proteſt in die Taſche zu ſchmuggeln. Dem Wahlgeſetz folgte ein neues
Preßgeſetz, wodurch die revolutionäre Zeitungspreſſe vollſtändig beſeitigt
wurde. Sie hatte ihr Schickſal verdient. „National“ und „la Presse“, zwei
bürgerliche Organe, blieben nach dieſer Sündfluth als äußerſte Vorpoſten der
Revolution zurück.
Wir haben geſehn, wie die demokratiſchen Führer während März und
April Alles gethan hatten, um das Volk von Paris in einen Scheinkampf zu
verwickeln, wie ſie nach dem 8. Mai Alles thaten, um es vom wirklichen
Kampf abzuhalten. Wir dürfen zudem nicht vergeſſen, daß das Jahr 1850
eines der glänzendſten Jahre induſtrieller und kommerzieller Prosperität, alſo
das Pariſer Proletariat vollſtändig beſchäftigt war. Allein das Wahlgeſetz
vom 31. Mai 1850 ſchloß es von aller Theilnahme an der politiſchen Ge¬
walt aus. Es ſchnitt ihm das Kampfterrain ſelbſt ab. Es warf die Ar¬
beiter in die Pariaſtellung zurück, die ſie vor der Februarrevolution einge¬
nommen hatten. Indem ſie einem ſolchen Ereigniſſe gegenüber ſich von den
Demokraten lenken laſſen und das revolutionäre Intereſſe ihrer Klaſſe über
einem augenblicklichen Wohlbehagen vergeſſen konnten, verzichteten ſie auf die
Ehre eine erobernde Macht zu ſein, unterwarfen ſich ihrem Schickſale, be¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/57>, abgerufen am 02.03.2025.
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