seinen Erwartungen geprellt. Die Oppositionsdeputirten, welche Vorlage der Protokolle der Permanenzkommission über die Oktoberereignisse verlangten, wurden von der Majorität überstimmt. Man floh prinzipiell alle Debatte, die aufregen konnte. Die Arbeiten der Nationalversammlung während No¬ vember und Dezember 1850 waren ohne Interesse.
Endlich gegen Ende Dezember begann der Guerillakrieg um einzelne Prärogativen des Parlaments. In kleinlichen Chikanen um die Präroga¬ tive der beiden Gewalten versumpfte die Bewegung, seitdem die Bourgeoisie mit der Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts den Klassenkampf zunächst abgemacht hatte.
Gegen Mauguin, einen der Volksrepräsentanten, war Schulden halber ein gerichtliches Urtheil erwirkt worden. Auf Anfrage des Gerichtspräsidenten erklärte der Justizminister Rouher, es sei ohne weitere Umstände ein Verhafts¬ befehl gegen den Schuldner auszufertigen. Mauguin wurde also in den Schuldthurm geworfen. Die Nationalversammlung brauste auf, als sie das Attentat erfuhr. Sie verordnete nicht nur seine sofortige Freilassung, son¬ dern ließ ihn auch noch denselben Abend von ihrem Greffier gewaltsam aus Clichy herausholen. Um jedoch ihren Glauben an die Heiligkeit des Privat¬ eigenthums zu bewähren, und mit dem Hintergedanken, im Nothfall ein Asyl für lästig gewordene Montagnards zu eröffnen, erklärte sie die Schuldhaft von Volksrepräsentanten nach vorheriger Einholung ihrer Erlaubniß für zulässig. Sie vergaß zu dekretiren, daß auch der Präsident Schulden halber eingesperrt werden könne. Sie vernichtete den letzten Schein von Unverletzlichkeit, der die Glieder ihres eigenen Körpers umgab.
Man erinnert sich, daß der Polizeikommissär Yon eine Sektion der De¬ zembristen auf Aussage eines gewissen Alais hin wegen Mordplans auf Du¬ pin und Changarnier denunzirt hatte. Gleich in der ersten Sitzung machten die Quästoren mit Bezug hierauf den Vorschlag, eine eigne parlamentarische Polizei zu bilden, besoldet aus dem Privatbudget der Nationalversammlung und durchaus unabhängig von dem Polizeipräfekten. Der Minister des Innern, Baroche, hatte gegen diesen Eingriff in sein Ressort protestirt. Man schloß darauf einen elenden Kompromiß, wonach der Polizeikommissär der Versammlung zwar aus ihrem Privatbudget besoldet und von ihren Quästoren ein- und abgesetzt werden solle, aber nach vorheriger Verständigung mit dem Minister des Innern. Unterdessen war Alais gerichtlich von der Regierung verfolgt worden und hier war es leicht, seine Aussagen als eine Mystifikation
ſeinen Erwartungen geprellt. Die Oppoſitionsdeputirten, welche Vorlage der Protokolle der Permanenzkommiſſion über die Oktoberereigniſſe verlangten, wurden von der Majorität überſtimmt. Man floh prinzipiell alle Debatte, die aufregen konnte. Die Arbeiten der Nationalverſammlung während No¬ vember und Dezember 1850 waren ohne Intereſſe.
Endlich gegen Ende Dezember begann der Guerillakrieg um einzelne Prärogativen des Parlaments. In kleinlichen Chikanen um die Präroga¬ tive der beiden Gewalten verſumpfte die Bewegung, ſeitdem die Bourgeoiſie mit der Abſchaffung des allgemeinen Wahlrechts den Klaſſenkampf zunächſt abgemacht hatte.
Gegen Mauguin, einen der Volksrepräſentanten, war Schulden halber ein gerichtliches Urtheil erwirkt worden. Auf Anfrage des Gerichtspräſidenten erklärte der Juſtizminiſter Rouher, es ſei ohne weitere Umſtände ein Verhafts¬ befehl gegen den Schuldner auszufertigen. Mauguin wurde alſo in den Schuldthurm geworfen. Die Nationalverſammlung brauſte auf, als ſie das Attentat erfuhr. Sie verordnete nicht nur ſeine ſofortige Freilaſſung, ſon¬ dern ließ ihn auch noch denſelben Abend von ihrem Greffier gewaltſam aus Clichy herausholen. Um jedoch ihren Glauben an die Heiligkeit des Privat¬ eigenthums zu bewähren, und mit dem Hintergedanken, im Nothfall ein Aſyl für läſtig gewordene Montagnards zu eröffnen, erklärte ſie die Schuldhaft von Volksrepräſentanten nach vorheriger Einholung ihrer Erlaubniß für zuläſſig. Sie vergaß zu dekretiren, daß auch der Präſident Schulden halber eingeſperrt werden könne. Sie vernichtete den letzten Schein von Unverletzlichkeit, der die Glieder ihres eigenen Körpers umgab.
Man erinnert ſich, daß der Polizeikommiſſär Yon eine Sektion der De¬ zembriſten auf Ausſage eines gewiſſen Alais hin wegen Mordplans auf Du¬ pin und Changarnier denunzirt hatte. Gleich in der erſten Sitzung machten die Quäſtoren mit Bezug hierauf den Vorſchlag, eine eigne parlamentariſche Polizei zu bilden, beſoldet aus dem Privatbudget der Nationalverſammlung und durchaus unabhängig von dem Polizeipräfekten. Der Miniſter des Innern, Baroche, hatte gegen dieſen Eingriff in ſein Reſſort proteſtirt. Man ſchloß darauf einen elenden Kompromiß, wonach der Polizeikommiſſär der Verſammlung zwar aus ihrem Privatbudget beſoldet und von ihren Quäſtoren ein- und abgeſetzt werden ſolle, aber nach vorheriger Verſtändigung mit dem Miniſter des Innern. Unterdeſſen war Alais gerichtlich von der Regierung verfolgt worden und hier war es leicht, ſeine Ausſagen als eine Myſtifikation
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ſeinen Erwartungen geprellt. Die Oppoſitionsdeputirten, welche Vorlage der
Protokolle der Permanenzkommiſſion über die Oktoberereigniſſe verlangten,
wurden von der Majorität überſtimmt. Man floh prinzipiell alle Debatte,
die aufregen konnte. Die Arbeiten der Nationalverſammlung während No¬
vember und Dezember 1850 waren ohne Intereſſe.
Endlich gegen Ende Dezember begann der Guerillakrieg um einzelne
Prärogativen des Parlaments. In kleinlichen Chikanen um die Präroga¬
tive der beiden Gewalten verſumpfte die Bewegung, ſeitdem die Bourgeoiſie
mit der Abſchaffung des allgemeinen Wahlrechts den Klaſſenkampf zunächſt
abgemacht hatte.
Gegen Mauguin, einen der Volksrepräſentanten, war Schulden halber
ein gerichtliches Urtheil erwirkt worden. Auf Anfrage des Gerichtspräſidenten
erklärte der Juſtizminiſter Rouher, es ſei ohne weitere Umſtände ein Verhafts¬
befehl gegen den Schuldner auszufertigen. Mauguin wurde alſo in den
Schuldthurm geworfen. Die Nationalverſammlung brauſte auf, als ſie das
Attentat erfuhr. Sie verordnete nicht nur ſeine ſofortige Freilaſſung, ſon¬
dern ließ ihn auch noch denſelben Abend von ihrem Greffier gewaltſam aus
Clichy herausholen. Um jedoch ihren Glauben an die Heiligkeit des Privat¬
eigenthums zu bewähren, und mit dem Hintergedanken, im Nothfall ein Aſyl
für läſtig gewordene Montagnards zu eröffnen, erklärte ſie die Schuldhaft von
Volksrepräſentanten nach vorheriger Einholung ihrer Erlaubniß für zuläſſig.
Sie vergaß zu dekretiren, daß auch der Präſident Schulden halber eingeſperrt
werden könne. Sie vernichtete den letzten Schein von Unverletzlichkeit, der
die Glieder ihres eigenen Körpers umgab.
Man erinnert ſich, daß der Polizeikommiſſär Yon eine Sektion der De¬
zembriſten auf Ausſage eines gewiſſen Alais hin wegen Mordplans auf Du¬
pin und Changarnier denunzirt hatte. Gleich in der erſten Sitzung machten
die Quäſtoren mit Bezug hierauf den Vorſchlag, eine eigne parlamentariſche
Polizei zu bilden, beſoldet aus dem Privatbudget der Nationalverſammlung
und durchaus unabhängig von dem Polizeipräfekten. Der Miniſter des
Innern, Baroche, hatte gegen dieſen Eingriff in ſein Reſſort proteſtirt. Man
ſchloß darauf einen elenden Kompromiß, wonach der Polizeikommiſſär der
Verſammlung zwar aus ihrem Privatbudget beſoldet und von ihren Quäſtoren
ein- und abgeſetzt werden ſolle, aber nach vorheriger Verſtändigung mit dem
Miniſter des Innern. Unterdeſſen war Alais gerichtlich von der Regierung
verfolgt worden und hier war es leicht, ſeine Ausſagen als eine Myſtifikation
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/66>, abgerufen am 02.03.2025.
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