Bruch mit der Bourgeoisie im Parlamente noch einmal einige Tage vor der Katastrophe feierlich bestätigen. Thiers, als parlamentarischer Held vorzugs¬ weise von der unheilbaren Krankheit des parlamentarischen Kretinismus angesteckt, hatte nach dem Tode des Parlaments eine neue parlamentarische Intrigue mit dem Staatsrathe ausgeheckt, ein Verantwortlichkeitsgesetz, das den Präsidenten in die Schranken der Verfassung festbannen sollte. Wie Bonaparte am 15. September bei Grundlegung zu den neuen Markthallen von Paris die dames des halles, die Fischweiber, als zweiter Masaniello bezaubert hatte -- allerdings wog ein Fischweib an realer Gewalt 17 Burg¬ grafen auf --, wie er nach Vorlegung der Quästorenbill die in dem Elysee traktirten Lieutenants begeisterte, so riß er jetzt am 25. November die indu¬ strielle Bourgeoisie mit sich fort, die im Circus versammelt war, um aus seiner Hand Preismedaillen für die Londoner Industrieausstellung ent¬ gegenzunehmen. Ich gebe den bezeichnenden Theil seiner Rede nach dem "Journal des Debats:" "Mit solch' unverhofften Erfolgen bin ich berechtigt zu wiederholen, wie groß die französische Republik sein würde, wenn es ihr gestattet wäre, ihre realen Interessen zu verfolgen und ihre Institutionen zu reformiren, statt beständig gestört zu werden einerseits durch die Demagogen, andrerseits durch die monarchischen Hallucinationen. (Lauter, stürmischer und wiederholter Applaus von jedem Theile des Amphitheaters.) Die monarchischen Hallucinationen verhindern allen Fortschritt und alle ernsten Industriezweige. Statt des Fortschritts nur Kampf. Man sieht Männer, die früher die eifrigsten Stützen der königlichen Autorität und Prärogative waren, Parteigänger eines Konvents werden, blos um die Autorität zu schwächen, die aus dem allgemeinen Stimmrecht entsprungen ist. (Lauter und wiederholter Applaus.) Wir sehen Männer, die am meisten von der Revolution gelitten und sie am meisten bejammert haben, eine neue provo¬ ziren, und nur um den Willen der Nation zu fesseln . . . . . . . . Ich ver¬ spreche Euch Ruhe für die Zukunft etc. etc. (Bravo, Bravo, stürmisches Bravo.)" -- So klatscht die industrielle Bourgeoisie dem Staatsstreiche vom 2. Dezem¬ ber, der Vernichtung des Parlaments, dem Untergang ihrer eignen Herr¬ schaft, der Diktatur Bonaparte's ihr serviles Bravo zu. Der Beifalls¬ donner vom 25. November erhielt seine Antwort in dem Kanonendonner vom 4. Dezember, und das Haus des Herrn Sallandrouze, der die meisten Bravos geklatscht hatte, wurde von den meisten Bomben zerklatscht.
Cromwell, als er das lange Parlament auflöste, begab sich allein in
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Bruch mit der Bourgeoiſie im Parlamente noch einmal einige Tage vor der Kataſtrophe feierlich beſtätigen. Thiers, als parlamentariſcher Held vorzugs¬ weiſe von der unheilbaren Krankheit des parlamentariſchen Kretinismus angeſteckt, hatte nach dem Tode des Parlaments eine neue parlamentariſche Intrigue mit dem Staatsrathe ausgeheckt, ein Verantwortlichkeitsgeſetz, das den Präſidenten in die Schranken der Verfaſſung feſtbannen ſollte. Wie Bonaparte am 15. September bei Grundlegung zu den neuen Markthallen von Paris die dames des halles, die Fiſchweiber, als zweiter Maſaniello bezaubert hatte — allerdings wog ein Fiſchweib an realer Gewalt 17 Burg¬ grafen auf —, wie er nach Vorlegung der Quäſtorenbill die in dem Elyſee traktirten Lieutenants begeiſterte, ſo riß er jetzt am 25. November die indu¬ ſtrielle Bourgeoiſie mit ſich fort, die im Circus verſammelt war, um aus ſeiner Hand Preismedaillen für die Londoner Induſtrieausſtellung ent¬ gegenzunehmen. Ich gebe den bezeichnenden Theil ſeiner Rede nach dem „Journal des Débats:“ „Mit ſolch' unverhofften Erfolgen bin ich berechtigt zu wiederholen, wie groß die franzöſiſche Republik ſein würde, wenn es ihr geſtattet wäre, ihre realen Intereſſen zu verfolgen und ihre Inſtitutionen zu reformiren, ſtatt beſtändig geſtört zu werden einerſeits durch die Demagogen, andrerſeits durch die monarchiſchen Hallucinationen. (Lauter, ſtürmiſcher und wiederholter Applaus von jedem Theile des Amphitheaters.) Die monarchiſchen Hallucinationen verhindern allen Fortſchritt und alle ernſten Induſtriezweige. Statt des Fortſchritts nur Kampf. Man ſieht Männer, die früher die eifrigſten Stützen der königlichen Autorität und Prärogative waren, Parteigänger eines Konvents werden, blos um die Autorität zu ſchwächen, die aus dem allgemeinen Stimmrecht entſprungen iſt. (Lauter und wiederholter Applaus.) Wir ſehen Männer, die am meiſten von der Revolution gelitten und ſie am meiſten bejammert haben, eine neue provo¬ ziren, und nur um den Willen der Nation zu feſſeln . . . . . . . . Ich ver¬ ſpreche Euch Ruhe für die Zukunft ꝛc. ꝛc. (Bravo, Bravo, ſtürmiſches Bravo.)“ — So klatſcht die induſtrielle Bourgeoiſie dem Staatsſtreiche vom 2. Dezem¬ ber, der Vernichtung des Parlaments, dem Untergang ihrer eignen Herr¬ ſchaft, der Diktatur Bonaparte's ihr ſerviles Bravo zu. Der Beifalls¬ donner vom 25. November erhielt ſeine Antwort in dem Kanonendonner vom 4. Dezember, und das Haus des Herrn Sallandrouze, der die meiſten Bravos geklatſcht hatte, wurde von den meiſten Bomben zerklatſcht.
Cromwell, als er das lange Parlament auflöſte, begab ſich allein in
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Bruch mit der Bourgeoiſie im Parlamente noch einmal einige Tage vor der
Kataſtrophe feierlich beſtätigen. Thiers, als parlamentariſcher Held vorzugs¬
weiſe von der unheilbaren Krankheit des parlamentariſchen Kretinismus
angeſteckt, hatte nach dem Tode des Parlaments eine neue parlamentariſche
Intrigue mit dem Staatsrathe ausgeheckt, ein Verantwortlichkeitsgeſetz, das
den Präſidenten in die Schranken der Verfaſſung feſtbannen ſollte. Wie
Bonaparte am 15. September bei Grundlegung zu den neuen Markthallen
von Paris die dames des halles, die Fiſchweiber, als zweiter Maſaniello
bezaubert hatte — allerdings wog ein Fiſchweib an realer Gewalt 17 Burg¬
grafen auf —, wie er nach Vorlegung der Quäſtorenbill die in dem Elyſee
traktirten Lieutenants begeiſterte, ſo riß er jetzt am 25. November die indu¬
ſtrielle Bourgeoiſie mit ſich fort, die im Circus verſammelt war, um aus
ſeiner Hand Preismedaillen für die Londoner Induſtrieausſtellung ent¬
gegenzunehmen. Ich gebe den bezeichnenden Theil ſeiner Rede nach dem
„Journal des Débats:“ „Mit ſolch' unverhofften Erfolgen bin ich berechtigt
zu wiederholen, wie groß die franzöſiſche Republik ſein würde, wenn es ihr
geſtattet wäre, ihre realen Intereſſen zu verfolgen und ihre Inſtitutionen zu
reformiren, ſtatt beſtändig geſtört zu werden einerſeits durch die Demagogen,
andrerſeits durch die monarchiſchen Hallucinationen. (Lauter, ſtürmiſcher
und wiederholter Applaus von jedem Theile des Amphitheaters.) Die
monarchiſchen Hallucinationen verhindern allen Fortſchritt und alle ernſten
Induſtriezweige. Statt des Fortſchritts nur Kampf. Man ſieht Männer,
die früher die eifrigſten Stützen der königlichen Autorität und Prärogative
waren, Parteigänger eines Konvents werden, blos um die Autorität zu
ſchwächen, die aus dem allgemeinen Stimmrecht entſprungen iſt. (Lauter
und wiederholter Applaus.) Wir ſehen Männer, die am meiſten von der
Revolution gelitten und ſie am meiſten bejammert haben, eine neue provo¬
ziren, und nur um den Willen der Nation zu feſſeln . . . . . . . . Ich ver¬
ſpreche Euch Ruhe für die Zukunft ꝛc. ꝛc. (Bravo, Bravo, ſtürmiſches Bravo.)“
— So klatſcht die induſtrielle Bourgeoiſie dem Staatsſtreiche vom 2. Dezem¬
ber, der Vernichtung des Parlaments, dem Untergang ihrer eignen Herr¬
ſchaft, der Diktatur Bonaparte's ihr ſerviles Bravo zu. Der Beifalls¬
donner vom 25. November erhielt ſeine Antwort in dem Kanonendonner
vom 4. Dezember, und das Haus des Herrn Sallandrouze, der die meiſten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/93>, abgerufen am 02.03.2025.
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