störung gegen sie zu konzentriren. Und wenn sie diese zweite Hälfte ihrer Vorarbeit vollbracht hat, wird Europa von seinem Sitze aufspringen und jubeln: Brav gewühlt, alter Maulwurf!
Diese Exekutivgewalt mit ihrer ungeheuern bureaukratischen und mili¬ tärischen Organisation, mit ihrer weitschichtigen und künstlichen Staats¬ maschinerie, ein Beamtenheer von einer halben Million neben einer Armee von einer andern halben Million, dieser fürchterliche Parasitenkörper, der sich wie eine Netzhaut um den Leib der französischen Gesellschaft schlingt und ihr alle Poren verstopft, entstand in der Zeit der absoluten Monarchie, beim Verfall des Feudalwesens, den er beschleunigen half. Die herrschaftlichen Privilegien der Grundeigenthümer und Städte verwandelten sich in eben so viele Attribute der Staatsgewalt, die feudalen Würdenträger in bezahlte Beamte und die bunte Mustercharte der widerstreitenden mittelalterlichen Machtvollkommenheiten in den geregelten Plan einer Staatsmacht, deren Arbeit fabrikmäßig getheilt und zentralisirt ist. Die erste französische Revo¬ lution mit ihrer Aufgabe, alle lokalen, territorialen, städtischen und provin¬ ziellen Sondergewalten zu brechen, um die bürgerliche Einheit der Nation zu schaffen, mußte entwickeln, was die absolute Monarchie begonnen hatte, die Centralisation, aber zugleich den Umfang, die Attribute und die Handlanger der Regierungsgewalt. Napoleon vollendete diese Staatsmaschinerie. Die legitime Monarchie und die Julimonarchie fügten nichts hinzu, als eine größere Theilung der Arbeit, in demselben Maße wachsend, als die Thei¬ lung der Arbeit innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft neue Gruppen von Interessen schuf, also neues Material für die Staatsverwaltung. Jedes gemeinsame Interesse wurde sofort von der Gesellschaft losgelöst, als höheres, allgemeines Interesse ihr gegenübergestellt, der Selbstthätigkeit der Gesellschaftsglieder entrissen und zum Gegenstand der Regierungs¬ thätigkeit gemacht, von der Brücke, dem Schulhaus und dem Kommunal¬ vermögen einer Dorfgemeinde bis zu den Eisenbahnen, dem Nationalver¬ mögen und der Landesuniversität Frankreichs. Die parlamentarische Republik endlich sah sich in ihrem Kampfe wider die Revolution gezwungen, mit den Repressivmaßregeln die Mittel und die Centralisation der Regie¬ rungsgewalt zu verstärken. Alle Umwälzungen vervollkommneten diese Maschine statt sie zu brechen. Die Parteien, die abwechselnd um die Herr¬ schaft rangen, betrachteten die Besitznahme dieses ungeheueren Staatsgebäudes als die Hauptbeute des Siegers.
ſtörung gegen ſie zu konzentriren. Und wenn ſie dieſe zweite Hälfte ihrer Vorarbeit vollbracht hat, wird Europa von ſeinem Sitze aufſpringen und jubeln: Brav gewühlt, alter Maulwurf!
Dieſe Exekutivgewalt mit ihrer ungeheuern bureaukratiſchen und mili¬ täriſchen Organiſation, mit ihrer weitſchichtigen und künſtlichen Staats¬ maſchinerie, ein Beamtenheer von einer halben Million neben einer Armee von einer andern halben Million, dieſer fürchterliche Paraſitenkörper, der ſich wie eine Netzhaut um den Leib der franzöſiſchen Geſellſchaft ſchlingt und ihr alle Poren verſtopft, entſtand in der Zeit der abſoluten Monarchie, beim Verfall des Feudalweſens, den er beſchleunigen half. Die herrſchaftlichen Privilegien der Grundeigenthümer und Städte verwandelten ſich in eben ſo viele Attribute der Staatsgewalt, die feudalen Würdenträger in bezahlte Beamte und die bunte Muſtercharte der widerſtreitenden mittelalterlichen Machtvollkommenheiten in den geregelten Plan einer Staatsmacht, deren Arbeit fabrikmäßig getheilt und zentraliſirt iſt. Die erſte franzöſiſche Revo¬ lution mit ihrer Aufgabe, alle lokalen, territorialen, ſtädtiſchen und provin¬ ziellen Sondergewalten zu brechen, um die bürgerliche Einheit der Nation zu ſchaffen, mußte entwickeln, was die abſolute Monarchie begonnen hatte, die Centraliſation, aber zugleich den Umfang, die Attribute und die Handlanger der Regierungsgewalt. Napoleon vollendete dieſe Staatsmaſchinerie. Die legitime Monarchie und die Julimonarchie fügten nichts hinzu, als eine größere Theilung der Arbeit, in demſelben Maße wachſend, als die Thei¬ lung der Arbeit innerhalb der bürgerlichen Geſellſchaft neue Gruppen von Intereſſen ſchuf, alſo neues Material für die Staatsverwaltung. Jedes gemeinſame Intereſſe wurde ſofort von der Geſellſchaft losgelöſt, als höheres, allgemeines Intereſſe ihr gegenübergeſtellt, der Selbſtthätigkeit der Geſellſchaftsglieder entriſſen und zum Gegenſtand der Regierungs¬ thätigkeit gemacht, von der Brücke, dem Schulhaus und dem Kommunal¬ vermögen einer Dorfgemeinde bis zu den Eiſenbahnen, dem Nationalver¬ mögen und der Landesuniverſität Frankreichs. Die parlamentariſche Republik endlich ſah ſich in ihrem Kampfe wider die Revolution gezwungen, mit den Repreſſivmaßregeln die Mittel und die Centraliſation der Regie¬ rungsgewalt zu verſtärken. Alle Umwälzungen vervollkommneten dieſe Maſchine ſtatt ſie zu brechen. Die Parteien, die abwechſelnd um die Herr¬ ſchaft rangen, betrachteten die Beſitznahme dieſes ungeheueren Staatsgebäudes als die Hauptbeute des Siegers.
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ſtörung gegen ſie zu konzentriren. Und wenn ſie dieſe zweite Hälfte ihrer
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jubeln: Brav gewühlt, alter Maulwurf!
Dieſe Exekutivgewalt mit ihrer ungeheuern bureaukratiſchen und mili¬
täriſchen Organiſation, mit ihrer weitſchichtigen und künſtlichen Staats¬
maſchinerie, ein Beamtenheer von einer halben Million neben einer Armee
von einer andern halben Million, dieſer fürchterliche Paraſitenkörper, der
ſich wie eine Netzhaut um den Leib der franzöſiſchen Geſellſchaft ſchlingt und
ihr alle Poren verſtopft, entſtand in der Zeit der abſoluten Monarchie, beim
Verfall des Feudalweſens, den er beſchleunigen half. Die herrſchaftlichen
Privilegien der Grundeigenthümer und Städte verwandelten ſich in eben ſo
viele Attribute der Staatsgewalt, die feudalen Würdenträger in bezahlte
Beamte und die bunte Muſtercharte der widerſtreitenden mittelalterlichen
Machtvollkommenheiten in den geregelten Plan einer Staatsmacht, deren
Arbeit fabrikmäßig getheilt und zentraliſirt iſt. Die erſte franzöſiſche Revo¬
lution mit ihrer Aufgabe, alle lokalen, territorialen, ſtädtiſchen und provin¬
ziellen Sondergewalten zu brechen, um die bürgerliche Einheit der Nation zu
ſchaffen, mußte entwickeln, was die abſolute Monarchie begonnen hatte, die
Centraliſation, aber zugleich den Umfang, die Attribute und die Handlanger
der Regierungsgewalt. Napoleon vollendete dieſe Staatsmaſchinerie. Die
legitime Monarchie und die Julimonarchie fügten nichts hinzu, als eine
größere Theilung der Arbeit, in demſelben Maße wachſend, als die Thei¬
lung der Arbeit innerhalb der bürgerlichen Geſellſchaft neue Gruppen von
Intereſſen ſchuf, alſo neues Material für die Staatsverwaltung. Jedes
gemeinſame Intereſſe wurde ſofort von der Geſellſchaft losgelöſt, als
höheres, allgemeines Intereſſe ihr gegenübergeſtellt, der Selbſtthätigkeit
der Geſellſchaftsglieder entriſſen und zum Gegenſtand der Regierungs¬
thätigkeit gemacht, von der Brücke, dem Schulhaus und dem Kommunal¬
vermögen einer Dorfgemeinde bis zu den Eiſenbahnen, dem Nationalver¬
mögen und der Landesuniverſität Frankreichs. Die parlamentariſche
Republik endlich ſah ſich in ihrem Kampfe wider die Revolution gezwungen,
mit den Repreſſivmaßregeln die Mittel und die Centraliſation der Regie¬
rungsgewalt zu verſtärken. Alle Umwälzungen vervollkommneten dieſe
Maſchine ſtatt ſie zu brechen. Die Parteien, die abwechſelnd um die Herr¬
ſchaft rangen, betrachteten die Beſitznahme dieſes ungeheueren Staatsgebäudes
als die Hauptbeute des Siegers.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/99>, abgerufen am 02.03.2025.
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