Es erreicht diess Ziel durch Verkürzung der Dauer der Arbeits- kraft, wie ein habgieriger Landwirth gesteigerten Bodenertrag durch Beraubung der Bodenfruchtbarkeit erreicht.
Die kapitalistische Produktion, die wesentlich Produktion von Mehr- werth, Einsaugung von Mehrarbeit ist, produzirt also mit der Verlängerung des Arbeitstags nicht nur die Verkümmerung der menschlichen Arbeits- kraft, die sie ihrer normalen moralischen und physischen Entwicklungs- und Bethätigungsbedingungen beraubt. Sie produzirt die vorzei- tige Erschöpfung und Abtödtung der Arbeitskraft selbst105). Sie verlängert die Produktionszeit des Arbeiters während eines gege- benen Termins durch Verkürzung seiner Lebenszeit.
Der Werth der Arbeitskraft schliesst aber den Werth der Waaren ein, welche zur Reproduktion des Arbeiters oder zur Fortpflan- zung der Arbeiterklasse erheischt sind. Wenn also die naturwidrige Ver- längerung des Arbeitstags, die das Kapital in seinem masslosen Trieb nach Selbstverwerthung nothwendig anstrebt, die Lebensperiode der einzelnen Arbeiter und damit die Dauer ihrer Arbeitskraft verkürzt, wird rascherer Ersatz der Verschlissenen nöthig, also das Eingehn grösserer Verschleiss- kosten in die Reproduktion der Arbeitskraft, ganz wie der täglich zu repro- duzirende Werththeil einer Maschine um so grösser ist, in je kürzerer Zeit sie verschleisst. Das Kapital scheint daher durch sein eignes Interesse auf einen Normal-Arbeitstag hingewiesen.
Der Sklavenhalter kauft seinen Arbeiter, wie er sein Pferd kauft. Mit dem Sklaven verliert er ein Kapital, das durch neue Auslage auf dem Sklavenmarkt ersetzt werden muss. Aber "die Reisfelder von Georgien und die Sümpfe des Mississippi mögen fatalistisch zerstörend auf die menschliche Constitution wirken; dennoch ist diese Verwüstung von menschlichem Leben nicht so gross, dass sie nicht gut gemacht werden könnte aus den strotzenden Gehegen von Virginien und Kentucky. Oeko- nomische Rücksichten, die eine Art Sicherheit für die menschliche Behand- lung des Sklaven bieten könnten, sofern sie das Interesse des Herrn mit der Erhaltung des Sklaven identifiziren, verwandeln sich, nach Einführung des
105) "We have given in our previous reports the statements of several ex- perienced manufacturers to the effect that over-hours . . . . certainly tend prema- turely to exhaust the working power of the men." l. c. 64, p. XIII.
Es erreicht diess Ziel durch Verkürzung der Dauer der Arbeits- kraft, wie ein habgieriger Landwirth gesteigerten Bodenertrag durch Beraubung der Bodenfruchtbarkeit erreicht.
Die kapitalistische Produktion, die wesentlich Produktion von Mehr- werth, Einsaugung von Mehrarbeit ist, produzirt also mit der Verlängerung des Arbeitstags nicht nur die Verkümmerung der menschlichen Arbeits- kraft, die sie ihrer normalen moralischen und physischen Entwicklungs- und Bethätigungsbedingungen beraubt. Sie produzirt die vorzei- tige Erschöpfung und Abtödtung der Arbeitskraft selbst105). Sie verlängert die Produktionszeit des Arbeiters während eines gege- benen Termins durch Verkürzung seiner Lebenszeit.
Der Werth der Arbeitskraft schliesst aber den Werth der Waaren ein, welche zur Reproduktion des Arbeiters oder zur Fortpflan- zung der Arbeiterklasse erheischt sind. Wenn also die naturwidrige Ver- längerung des Arbeitstags, die das Kapital in seinem masslosen Trieb nach Selbstverwerthung nothwendig anstrebt, die Lebensperiode der einzelnen Arbeiter und damit die Dauer ihrer Arbeitskraft verkürzt, wird rascherer Ersatz der Verschlissenen nöthig, also das Eingehn grösserer Verschleiss- kosten in die Reproduktion der Arbeitskraft, ganz wie der täglich zu repro- duzirende Werththeil einer Maschine um so grösser ist, in je kürzerer Zeit sie verschleisst. Das Kapital scheint daher durch sein eignes Interesse auf einen Normal-Arbeitstag hingewiesen.
Der Sklavenhalter kauft seinen Arbeiter, wie er sein Pferd kauft. Mit dem Sklaven verliert er ein Kapital, das durch neue Auslage auf dem Sklavenmarkt ersetzt werden muss. Aber „die Reisfelder von Georgien und die Sümpfe des Mississippi mögen fatalistisch zerstörend auf die menschliche Constitution wirken; dennoch ist diese Verwüstung von menschlichem Leben nicht so gross, dass sie nicht gut gemacht werden könnte aus den strotzenden Gehegen von Virginien und Kentucky. Oeko- nomische Rücksichten, die eine Art Sicherheit für die menschliche Behand- lung des Sklaven bieten könnten, sofern sie das Interesse des Herrn mit der Erhaltung des Sklaven identifiziren, verwandeln sich, nach Einführung des
105) „We have given in our previous reports the statements of several ex- perienced manufacturers to the effect that over-hours . . . . certainly tend prema- turely to exhaust the working power of the men.“ l. c. 64, p. XIII.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0257"n="238"/>
Es erreicht diess Ziel durch <hirendition="#g">Verkürzung der Dauer der Arbeits-<lb/>
kraft</hi>, wie ein habgieriger Landwirth gesteigerten Bodenertrag durch<lb/><hirendition="#g">Beraubung</hi> der Bodenfruchtbarkeit erreicht.</p><lb/><p>Die kapitalistische Produktion, die wesentlich Produktion von Mehr-<lb/>
werth, Einsaugung von Mehrarbeit ist, produzirt also mit der Verlängerung<lb/>
des Arbeitstags nicht nur die <hirendition="#g">Verkümmerung</hi> der menschlichen Arbeits-<lb/>
kraft, die sie ihrer normalen moralischen und physischen Entwicklungs-<lb/>
und Bethätigungsbedingungen beraubt. <hirendition="#g">Sie produzirt die vorzei-<lb/>
tige Erschöpfung und Abtödtung der Arbeitskraft selbst</hi><noteplace="foot"n="105)">„We have given in our previous reports the statements of several ex-<lb/>
perienced manufacturers to the effect that over-hours . . . . certainly tend <hirendition="#g">prema-<lb/>
turely to exhaust the working power</hi> of the men.“ l. c. 64, p. XIII.</note>.<lb/>
Sie verlängert die <hirendition="#g">Produktionszeit</hi> des Arbeiters während eines gege-<lb/>
benen Termins durch Verkürzung seiner <hirendition="#g">Lebenszeit</hi>.</p><lb/><p><hirendition="#g">Der Werth der Arbeitskraft</hi> schliesst aber den Werth der<lb/>
Waaren ein, welche zur Reproduktion des Arbeiters oder zur Fortpflan-<lb/>
zung der Arbeiterklasse erheischt sind. Wenn also die naturwidrige Ver-<lb/>
längerung des Arbeitstags, die das Kapital in seinem masslosen Trieb nach<lb/>
Selbstverwerthung nothwendig anstrebt, die Lebensperiode der einzelnen<lb/>
Arbeiter und damit die Dauer ihrer Arbeitskraft verkürzt, wird rascherer<lb/>
Ersatz der Verschlissenen nöthig, also das Eingehn grösserer Verschleiss-<lb/>
kosten in die Reproduktion der Arbeitskraft, ganz wie der täglich zu repro-<lb/>
duzirende Werththeil einer Maschine um so grösser ist, in je kürzerer Zeit<lb/>
sie verschleisst. Das Kapital scheint daher durch sein eignes Interesse<lb/>
auf einen <hirendition="#g">Normal-Arbeitstag</hi> hingewiesen.</p><lb/><p>Der Sklavenhalter kauft seinen Arbeiter, wie er sein Pferd kauft.<lb/>
Mit dem Sklaven verliert er ein Kapital, das durch neue Auslage auf dem<lb/>
Sklavenmarkt ersetzt werden muss. Aber „die Reisfelder von Georgien<lb/>
und die Sümpfe des Mississippi mögen fatalistisch zerstörend auf die<lb/>
menschliche Constitution wirken; dennoch ist diese Verwüstung von<lb/>
menschlichem Leben nicht so gross, dass sie nicht gut gemacht werden<lb/>
könnte aus den strotzenden Gehegen von Virginien und Kentucky. Oeko-<lb/>
nomische Rücksichten, die eine Art Sicherheit für die menschliche Behand-<lb/>
lung des Sklaven bieten könnten, sofern sie das Interesse des Herrn mit der<lb/>
Erhaltung des Sklaven identifiziren, verwandeln sich, nach Einführung des<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[238/0257]
Es erreicht diess Ziel durch Verkürzung der Dauer der Arbeits-
kraft, wie ein habgieriger Landwirth gesteigerten Bodenertrag durch
Beraubung der Bodenfruchtbarkeit erreicht.
Die kapitalistische Produktion, die wesentlich Produktion von Mehr-
werth, Einsaugung von Mehrarbeit ist, produzirt also mit der Verlängerung
des Arbeitstags nicht nur die Verkümmerung der menschlichen Arbeits-
kraft, die sie ihrer normalen moralischen und physischen Entwicklungs-
und Bethätigungsbedingungen beraubt. Sie produzirt die vorzei-
tige Erschöpfung und Abtödtung der Arbeitskraft selbst 105).
Sie verlängert die Produktionszeit des Arbeiters während eines gege-
benen Termins durch Verkürzung seiner Lebenszeit.
Der Werth der Arbeitskraft schliesst aber den Werth der
Waaren ein, welche zur Reproduktion des Arbeiters oder zur Fortpflan-
zung der Arbeiterklasse erheischt sind. Wenn also die naturwidrige Ver-
längerung des Arbeitstags, die das Kapital in seinem masslosen Trieb nach
Selbstverwerthung nothwendig anstrebt, die Lebensperiode der einzelnen
Arbeiter und damit die Dauer ihrer Arbeitskraft verkürzt, wird rascherer
Ersatz der Verschlissenen nöthig, also das Eingehn grösserer Verschleiss-
kosten in die Reproduktion der Arbeitskraft, ganz wie der täglich zu repro-
duzirende Werththeil einer Maschine um so grösser ist, in je kürzerer Zeit
sie verschleisst. Das Kapital scheint daher durch sein eignes Interesse
auf einen Normal-Arbeitstag hingewiesen.
Der Sklavenhalter kauft seinen Arbeiter, wie er sein Pferd kauft.
Mit dem Sklaven verliert er ein Kapital, das durch neue Auslage auf dem
Sklavenmarkt ersetzt werden muss. Aber „die Reisfelder von Georgien
und die Sümpfe des Mississippi mögen fatalistisch zerstörend auf die
menschliche Constitution wirken; dennoch ist diese Verwüstung von
menschlichem Leben nicht so gross, dass sie nicht gut gemacht werden
könnte aus den strotzenden Gehegen von Virginien und Kentucky. Oeko-
nomische Rücksichten, die eine Art Sicherheit für die menschliche Behand-
lung des Sklaven bieten könnten, sofern sie das Interesse des Herrn mit der
Erhaltung des Sklaven identifiziren, verwandeln sich, nach Einführung des
105) „We have given in our previous reports the statements of several ex-
perienced manufacturers to the effect that over-hours . . . . certainly tend prema-
turely to exhaust the working power of the men.“ l. c. 64, p. XIII.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/257>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.