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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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Noch während des grössten Theils des 18. Jahrhunderts, bis
zur Epoche der grossen Industrie, war es dem Kapital in England nicht
gelungen, durch Zahlung des wöchentlichen Werths der Arbeitskraft sich
der ganzen Wochenarbeit des Arbeiters, mit Ausnahme je-
doch des Agrikulturarbeiters
, zu bemächtigen. Der Umstand,
dass sie eine ganze Woche mit dem Lohn von 4 Tagen leben konnten,
schien den Arbeitern kein hinreichender Grund, auch die andren zwei Tage
für den Kapitalisten zu arbeiten. Eine Seite der englischen Oekonomen
denuncirte im Dienst des Kapitals diesen Eigensinn auf's Wüthendste, eine
andre Seite vertheidigte die Arbeiter. Hören wir z. B. die Polemik zwi-
schen Postlethwaite, dessen Handels-Diktionnair damals denselben
Ruf genoss wie heut zu Tage ähnliche Schriften von Mac Culloch und Mac

folgt: "Die Praxis, Kinder vorzeitig an die Arbeit zu setzen, herrschte im 17.
Jahrhundert in einem für den damaligen Zustand der Industrie fast unglaublichen
Grad vor. Zu Norwich, dem Hauptsitz der Wollenindustrie, wurde ein Kind von
6 Jahren für arbeitsfähig gehalten. Verschiedene Schriftsteller jener Zeit, und
darunter manche, die als ausserordentlich wohlgesinnt betrachtet wurden, erwähnen
mit "Exultation" (Entzücken) die Thatsache, dass in dieser Stadt allein Knaben
und Mädchen einen Reichthum schaffen, der über ihren eignen Unterhalt hinaus
12,000 Pfd. St. in einem Jahr betrug. Je genauer wir die Geschichte der Ver-
gangenheit untersuchen, desto mehr Grund finden wir die Ansicht derer zu ver-
werfen, die unser Zeitalter für fruchtbar an neuen socialen Uebeln halten. Das
was neu ist, ist die Intelligenz, die die Uebel entdeckt, und die Humanität, die sie
heilt." ("History of England", v. I, p. 419.) Macaulay hätte weiter
berichten können, dass "ausserordentlich wohlgesinnte" amis du commerce
im 17. Jahrhundert mit "Exultation" erzählen, wie in einem Armenhaus in Holland
ein Kind von 4 Jahren beschäftigt wurde, und dass diess Beispiel der "vertue
mise en pratique" in allen Schriften von Humanitairen a la Macaulay Muster
passirt bis zur Zeit A. Smith's. Es ist richtig, dass mit dem Aufkommen der
Manufaktur
im Unterschied zum Handwerk sich Spuren der Kinderexploi-
tation zeigen. Die Tendenz des Kapitals ist unverkennbar, aber die Thatsachen
selbst stehn noch so vereinzelt, wie die Erscheinung zweiköpfiger Kinder. Sie
wurden daher "mit Exultation", als besonders merkwürdig und bewundernswerth,
von ahnungsvollen "amis du commerce" für Mit- und Nachwelt aufgezeich-
net und zur Nachahmung empfohlen. Derselbe schottische Sykophant und Schön-
redner Macaulay sagt: "man höre heute nur von Rückschritt und sehe nur Fort-
schritt". Was für Augen und namentlich was für Ohren!

Noch während des grössten Theils des 18. Jahrhunderts, bis
zur Epoche der grossen Industrie, war es dem Kapital in England nicht
gelungen, durch Zahlung des wöchentlichen Werths der Arbeitskraft sich
der ganzen Wochenarbeit des Arbeiters, mit Ausnahme je-
doch des Agrikulturarbeiters
, zu bemächtigen. Der Umstand,
dass sie eine ganze Woche mit dem Lohn von 4 Tagen leben konnten,
schien den Arbeitern kein hinreichender Grund, auch die andren zwei Tage
für den Kapitalisten zu arbeiten. Eine Seite der englischen Oekonomen
denuncirte im Dienst des Kapitals diesen Eigensinn auf’s Wüthendste, eine
andre Seite vertheidigte die Arbeiter. Hören wir z. B. die Polemik zwi-
schen Postlethwaite, dessen Handels-Diktionnair damals denselben
Ruf genoss wie heut zu Tage ähnliche Schriften von Mac Culloch und Mac

folgt: „Die Praxis, Kinder vorzeitig an die Arbeit zu setzen, herrschte im 17.
Jahrhundert in einem für den damaligen Zustand der Industrie fast unglaublichen
Grad vor. Zu Norwich, dem Hauptsitz der Wollenindustrie, wurde ein Kind von
6 Jahren für arbeitsfähig gehalten. Verschiedene Schriftsteller jener Zeit, und
darunter manche, die als ausserordentlich wohlgesinnt betrachtet wurden, erwähnen
mit „Exultation“ (Entzücken) die Thatsache, dass in dieser Stadt allein Knaben
und Mädchen einen Reichthum schaffen, der über ihren eignen Unterhalt hinaus
12,000 Pfd. St. in einem Jahr betrug. Je genauer wir die Geschichte der Ver-
gangenheit untersuchen, desto mehr Grund finden wir die Ansicht derer zu ver-
werfen, die unser Zeitalter für fruchtbar an neuen socialen Uebeln halten. Das
was neu ist, ist die Intelligenz, die die Uebel entdeckt, und die Humanität, die sie
heilt.“ („History of England“, v. I, p. 419.) Macaulay hätte weiter
berichten können, dass „ausserordentlich wohlgesinnte“ amis du commerce
im 17. Jahrhundert mit „Exultation“ erzählen, wie in einem Armenhaus in Holland
ein Kind von 4 Jahren beschäftigt wurde, und dass diess Beispiel der „vertue
mise en pratique“ in allen Schriften von Humanitairen à la Macaulay Muster
passirt bis zur Zeit A. Smith’s. Es ist richtig, dass mit dem Aufkommen der
Manufaktur
im Unterschied zum Handwerk sich Spuren der Kinderexploi-
tation zeigen. Die Tendenz des Kapitals ist unverkennbar, aber die Thatsachen
selbst stehn noch so vereinzelt, wie die Erscheinung zweiköpfiger Kinder. Sie
wurden daher „mit Exultation“, als besonders merkwürdig und bewundernswerth,
von ahnungsvollen „amis du commerce“ für Mit- und Nachwelt aufgezeich-
net und zur Nachahmung empfohlen. Derselbe schottische Sykophant und Schön-
redner Macaulay sagt: „man höre heute nur von Rückschritt und sehe nur Fort-
schritt“. Was für Augen und namentlich was für Ohren!
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[247/0266] Noch während des grössten Theils des 18. Jahrhunderts, bis zur Epoche der grossen Industrie, war es dem Kapital in England nicht gelungen, durch Zahlung des wöchentlichen Werths der Arbeitskraft sich der ganzen Wochenarbeit des Arbeiters, mit Ausnahme je- doch des Agrikulturarbeiters, zu bemächtigen. Der Umstand, dass sie eine ganze Woche mit dem Lohn von 4 Tagen leben konnten, schien den Arbeitern kein hinreichender Grund, auch die andren zwei Tage für den Kapitalisten zu arbeiten. Eine Seite der englischen Oekonomen denuncirte im Dienst des Kapitals diesen Eigensinn auf’s Wüthendste, eine andre Seite vertheidigte die Arbeiter. Hören wir z. B. die Polemik zwi- schen Postlethwaite, dessen Handels-Diktionnair damals denselben Ruf genoss wie heut zu Tage ähnliche Schriften von Mac Culloch und Mac 120) 120) folgt: „Die Praxis, Kinder vorzeitig an die Arbeit zu setzen, herrschte im 17. Jahrhundert in einem für den damaligen Zustand der Industrie fast unglaublichen Grad vor. Zu Norwich, dem Hauptsitz der Wollenindustrie, wurde ein Kind von 6 Jahren für arbeitsfähig gehalten. Verschiedene Schriftsteller jener Zeit, und darunter manche, die als ausserordentlich wohlgesinnt betrachtet wurden, erwähnen mit „Exultation“ (Entzücken) die Thatsache, dass in dieser Stadt allein Knaben und Mädchen einen Reichthum schaffen, der über ihren eignen Unterhalt hinaus 12,000 Pfd. St. in einem Jahr betrug. Je genauer wir die Geschichte der Ver- gangenheit untersuchen, desto mehr Grund finden wir die Ansicht derer zu ver- werfen, die unser Zeitalter für fruchtbar an neuen socialen Uebeln halten. Das was neu ist, ist die Intelligenz, die die Uebel entdeckt, und die Humanität, die sie heilt.“ („History of England“, v. I, p. 419.) Macaulay hätte weiter berichten können, dass „ausserordentlich wohlgesinnte“ amis du commerce im 17. Jahrhundert mit „Exultation“ erzählen, wie in einem Armenhaus in Holland ein Kind von 4 Jahren beschäftigt wurde, und dass diess Beispiel der „vertue mise en pratique“ in allen Schriften von Humanitairen à la Macaulay Muster passirt bis zur Zeit A. Smith’s. Es ist richtig, dass mit dem Aufkommen der Manufaktur im Unterschied zum Handwerk sich Spuren der Kinderexploi- tation zeigen. Die Tendenz des Kapitals ist unverkennbar, aber die Thatsachen selbst stehn noch so vereinzelt, wie die Erscheinung zweiköpfiger Kinder. Sie wurden daher „mit Exultation“, als besonders merkwürdig und bewundernswerth, von ahnungsvollen „amis du commerce“ für Mit- und Nachwelt aufgezeich- net und zur Nachahmung empfohlen. Derselbe schottische Sykophant und Schön- redner Macaulay sagt: „man höre heute nur von Rückschritt und sehe nur Fort- schritt“. Was für Augen und namentlich was für Ohren!

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/266>, abgerufen am 21.11.2024.