machen, dass mässiges Arbeiten von 6 Tagen in der Woche keine Sklaverei ist. Unsere Agrikulturarbeiter thun diess und, allem Anschein nach, sind sie die Glücklichsten unter den Arbeitern (labouring poor)123), aber die Holländer thun es in den Manufak- turen und scheinen ein sehr glückliches Volk. Die Franzosen thun es, so weit nicht die vielen Feiertage dazwischen kommen124) . . . . Aber unser Manufakturpöbel hat sich die fixe Idee in den Kopf gesetzt, dass sie als Engländer durch das Recht der Geburt das Privilegium be- sitzen, freier und unabhängiger zu sein als die Arbeiter in irgend einem andern Lande von Europa. Nun, diese Idee, so weit sie auf die Tapferkeit unserer Soldaten einwirkt, mag von einigem Nutzen sein; aber je weniger die Manufakturarbeiter davon haben, desto besser für sie selbst und den Staat. Arbeiter sollten sich nie für unabhängig von ihren Vorgesetzten ("independent of their superiors") halten . . . . Es ist ausserordentlich gefährlich, mobs in einem kommerziellen Staat wie dem unsrigen zu encouragiren, wo vielleicht 7 Theile von den 8 der Gesammt- bevölkerung Leute mit wenig oder keinem Eigenthum sind125) . . . . . Die Kur wird nicht vollständig sein, bis unsre industriellen Armen sich bescheiden, 6 Tage für dieselbe Summe zu arbeiten, die sie nun in 4 Tagen verdienen"126). Zu diesem Zwecke, wie zur "Ausrottung der Faullenzerei, Ausschweifung und romantischen Frei- heitsduselei", ditto "zur Minderung der Armentaxe, Förderung des Gei- stes der Industrie und Herabdrückung des Arbeitspreises in den Manufakturen", schlägt unser treuer Eckart des Kapitals das
123) "An Essay etc." Er selbst erzählt p. 96, worin schon 1770 "das Glück" der englischen Agrikulturarbeiter bestand. "Ihre Arbeitskräfte ("their working powers") sind stets auf das Aeusserste angespannt ("on the stretch"); sie können nicht schlechter leben als sie thun ("they cannot live cheaper than they do"), noch härter arbeiten" ("nor work harder").
124) Der Protestantismus spielt schon durch seine Verwandlung fast aller traditionellen Feiertage in Werktage eine wichtige Rolle in der Genesis des Kapitals.
125) "An Essay etc." p. 15--57 passim.
126) l. c. p. 69. Jacob Vanderlint erklärte schon 1734, das Geheimniss der Kapitalistenklage über die Faullenzerei des Arbeitervolks sei einfach, dass sie für denselben Lohn 6 statt 4 Arbeitstage beanspruchten.
machen, dass mässiges Arbeiten von 6 Tagen in der Woche keine Sklaverei ist. Unsere Agrikulturarbeiter thun diess und, allem Anschein nach, sind sie die Glücklichsten unter den Arbeitern (labouring poor)123), aber die Holländer thun es in den Manufak- turen und scheinen ein sehr glückliches Volk. Die Franzosen thun es, so weit nicht die vielen Feiertage dazwischen kommen124) . . . . Aber unser Manufakturpöbel hat sich die fixe Idee in den Kopf gesetzt, dass sie als Engländer durch das Recht der Geburt das Privilegium be- sitzen, freier und unabhängiger zu sein als die Arbeiter in irgend einem andern Lande von Europa. Nun, diese Idee, so weit sie auf die Tapferkeit unserer Soldaten einwirkt, mag von einigem Nutzen sein; aber je weniger die Manufakturarbeiter davon haben, desto besser für sie selbst und den Staat. Arbeiter sollten sich nie für unabhängig von ihren Vorgesetzten („independent of their superiors“) halten . . . . Es ist ausserordentlich gefährlich, mobs in einem kommerziellen Staat wie dem unsrigen zu encouragiren, wo vielleicht 7 Theile von den 8 der Gesammt- bevölkerung Leute mit wenig oder keinem Eigenthum sind125) . . . . . Die Kur wird nicht vollständig sein, bis unsre industriellen Armen sich bescheiden, 6 Tage für dieselbe Summe zu arbeiten, die sie nun in 4 Tagen verdienen“126). Zu diesem Zwecke, wie zur „Ausrottung der Faullenzerei, Ausschweifung und romantischen Frei- heitsduselei“, ditto „zur Minderung der Armentaxe, Förderung des Gei- stes der Industrie und Herabdrückung des Arbeitspreises in den Manufakturen“, schlägt unser treuer Eckart des Kapitals das
123) „An Essay etc.“ Er selbst erzählt p. 96, worin schon 1770 „das Glück“ der englischen Agrikulturarbeiter bestand. „Ihre Arbeitskräfte („their working powers“) sind stets auf das Aeusserste angespannt („on the stretch“); sie können nicht schlechter leben als sie thun („they cannot live cheaper than they do“), noch härter arbeiten“ („nor work harder“).
124) Der Protestantismus spielt schon durch seine Verwandlung fast aller traditionellen Feiertage in Werktage eine wichtige Rolle in der Genesis des Kapitals.
125) „An Essay etc.“ p. 15—57 passim.
126) l. c. p. 69. Jacob Vanderlint erklärte schon 1734, das Geheimniss der Kapitalistenklage über die Faullenzerei des Arbeitervolks sei einfach, dass sie für denselben Lohn 6 statt 4 Arbeitstage beanspruchten.
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turen und scheinen ein sehr glückliches Volk. Die Franzosen thun
es, so weit nicht die vielen Feiertage dazwischen kommen 124) . . . .
Aber unser Manufakturpöbel hat sich die fixe Idee in den Kopf gesetzt,
dass sie als Engländer durch das Recht der Geburt das Privilegium be-
sitzen, freier und unabhängiger zu sein als die Arbeiter in irgend
einem andern Lande von Europa. Nun, diese Idee, so weit sie auf die
Tapferkeit unserer Soldaten einwirkt, mag von einigem Nutzen sein; aber
je weniger die Manufakturarbeiter davon haben, desto besser für sie selbst
und den Staat. Arbeiter sollten sich nie für unabhängig von ihren
Vorgesetzten („independent of their superiors“) halten . . . . Es ist
ausserordentlich gefährlich, mobs in einem kommerziellen Staat wie dem
unsrigen zu encouragiren, wo vielleicht 7 Theile von den 8 der Gesammt-
bevölkerung Leute mit wenig oder keinem Eigenthum sind 125) . . . . .
Die Kur wird nicht vollständig sein, bis unsre industriellen Armen
sich bescheiden, 6 Tage für dieselbe Summe zu arbeiten,
die sie nun in 4 Tagen verdienen“ 126). Zu diesem Zwecke, wie
zur „Ausrottung der Faullenzerei, Ausschweifung und romantischen Frei-
heitsduselei“, ditto „zur Minderung der Armentaxe, Förderung des Gei-
stes der Industrie und Herabdrückung des Arbeitspreises in
den Manufakturen“, schlägt unser treuer Eckart des Kapitals das
123) „An Essay etc.“ Er selbst erzählt p. 96, worin schon 1770 „das
Glück“ der englischen Agrikulturarbeiter bestand. „Ihre Arbeitskräfte
(„their working powers“) sind stets auf das Aeusserste angespannt („on the
stretch“); sie können nicht schlechter leben als sie thun („they cannot live cheaper
than they do“), noch härter arbeiten“ („nor work harder“).
124) Der Protestantismus spielt schon durch seine Verwandlung fast aller
traditionellen Feiertage in Werktage eine wichtige Rolle in der Genesis des
Kapitals.
125) „An Essay etc.“ p. 15—57 passim.
126) l. c. p. 69. Jacob Vanderlint erklärte schon 1734, das Geheimniss
der Kapitalistenklage über die Faullenzerei des Arbeitervolks sei einfach, dass sie
für denselben Lohn 6 statt 4 Arbeitstage beanspruchten.
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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