Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.ken und Strumpfwirkereien 1861 dem Fabrikakt von 1850 unterworfen. 12 Stunden täglich zu arbeiten und so viel Arbeitslohn als möglich herauszu- schlagen ... Es war bereits gelungen, eine Bill in diesem Sinn ins Unterhaus zu bringen. Sie fiel vor der Agitation der Arbeiter in den Bleichereien Schottlands." ("Reports etc. for 31. Oct. 1862", p. 14, 15.) So geschlagen von den Arbeitern selbst, in deren Namen es zu sprechen vorgab, entdeckte das Kapital nun, mit Hilfe juristischer Brillen, dass der Akt von 1860, gleich allen Parlamentsakten zum "Schutz der Arbeit", in sinnverwirrten Wortschraubungen abgefasst, einen Vor- wand gebe, die "calenderers" und "finishers" von seiner Wirkung auszu- schliessen. Die englische Jurisdiktion, stets getreuer Knecht des Kapitals, sanktionirte durch den Hof der "Common Pleas" die Rabulisterei. "Es hat grosse Unzufriedenheit unter den Arbeitern erregt und ist sehr bedauerlich, dass die klare Absicht der Gesetzgebung auf Vorwand einer mangelhaften Wortdefinition vereitelt wird." (l. c. p. 18.) 185) Die "Bleicher in offner Luft" hatten sich dem Gesetz von 1860 über
"Bleicherei" durch die Lüge entzogen, dass sie keine Weiber des Nachts ver- arbeiteten. Die Lüge wurde von den Fabrikinspektoren aufgedeckt, zugleich aber das Parlament durch Arbeiterpetitionen seiner wiesenduftigkühlen Vorstellungen von "Bleicherei in offner Luft" beraubt. In dieser Luftbleicherei werden Trocken- zimmer von 90 bis 100 Grad Fahrenheit angewandt, worin hauptsächlich Mädchen arbeiten. "Cooling" (Abkühlung) ist der technische Ausdruck für ihr gelegent- liches Entrinnen aus dem Trockenzimmer in die freie Luft. "Fünfzehn Mädchen in den Trockenzimmern. Hitze von 80 zu 90° für Leinwand, von 100° und mehr für Cambrics. Zwölf Mädchen bügeln und legen auf (die Cambrics etc.) in einem kleinen Zimmer von ungefähr 10 Quadratfuss, in der Mitte ein enggeschlossener Ofen. Die Mädchen stehn rund um den Ofen herum, der eine schreckliche Gluth ausstrahlt und die Cambrics rasch für die Bügelerinnen trocknet. Die Stunden- zahl für diese Hände ist unbeschränkt. Wenn geschäftig, arbeiten sie bis 9 oder 12 Uhr Nachts viele Tage hintereinander." (Reports etc. for 31st Oct. 1862", p. 56.) Ein Arzt erklärt: "Für die Abkühlung sind keine besondren Stunden erlaubt, aber wenn die Temperatur zu unerträglich wird, oder die Hände der Arbeiterinnen sich vom Schweiss beschmutzen, ist ihnen gestattet, ein paar ken und Strumpfwirkereien 1861 dem Fabrikakt von 1850 unterworfen. 12 Stunden täglich zu arbeiten und so viel Arbeitslohn als möglich herauszu- schlagen … Es war bereits gelungen, eine Bill in diesem Sinn ins Unterhaus zu bringen. Sie fiel vor der Agitation der Arbeiter in den Bleichereien Schottlands.“ („Reports etc. for 31. Oct. 1862“, p. 14, 15.) So geschlagen von den Arbeitern selbst, in deren Namen es zu sprechen vorgab, entdeckte das Kapital nun, mit Hilfe juristischer Brillen, dass der Akt von 1860, gleich allen Parlamentsakten zum „Schutz der Arbeit“, in sinnverwirrten Wortschraubungen abgefasst, einen Vor- wand gebe, die „calenderers“ und „finishers“ von seiner Wirkung auszu- schliessen. Die englische Jurisdiktion, stets getreuer Knecht des Kapitals, sanktionirte durch den Hof der „Common Pleas“ die Rabulisterei. „Es hat grosse Unzufriedenheit unter den Arbeitern erregt und ist sehr bedauerlich, dass die klare Absicht der Gesetzgebung auf Vorwand einer mangelhaften Wortdefinition vereitelt wird.“ (l. c. p. 18.) 185) Die „Bleicher in offner Luft“ hatten sich dem Gesetz von 1860 über
„Bleicherei“ durch die Lüge entzogen, dass sie keine Weiber des Nachts ver- arbeiteten. Die Lüge wurde von den Fabrikinspektoren aufgedeckt, zugleich aber das Parlament durch Arbeiterpetitionen seiner wiesenduftigkühlen Vorstellungen von „Bleicherei in offner Luft“ beraubt. In dieser Luftbleicherei werden Trocken- zimmer von 90 bis 100 Grad Fahrenheit angewandt, worin hauptsächlich Mädchen arbeiten. „Cooling“ (Abkühlung) ist der technische Ausdruck für ihr gelegent- liches Entrinnen aus dem Trockenzimmer in die freie Luft. „Fünfzehn Mädchen in den Trockenzimmern. Hitze von 80 zu 90° für Leinwand, von 100° und mehr für Cambrics. Zwölf Mädchen bügeln und legen auf (die Cambrics etc.) in einem kleinen Zimmer von ungefähr 10 Quadratfuss, in der Mitte ein enggeschlossener Ofen. Die Mädchen stehn rund um den Ofen herum, der eine schreckliche Gluth ausstrahlt und die Cambrics rasch für die Bügelerinnen trocknet. Die Stunden- zahl für diese Hände ist unbeschränkt. Wenn geschäftig, arbeiten sie bis 9 oder 12 Uhr Nachts viele Tage hintereinander.“ (Reports etc. for 31st Oct. 1862“, p. 56.) Ein Arzt erklärt: „Für die Abkühlung sind keine besondren Stunden erlaubt, aber wenn die Temperatur zu unerträglich wird, oder die Hände der Arbeiterinnen sich vom Schweiss beschmutzen, ist ihnen gestattet, ein paar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0293" n="274"/> ken und Strumpfwirkereien 1861 dem Fabrikakt von 1850 unterworfen.<lb/> In Folge des <hi rendition="#g">ersten</hi> Berichts der „<hi rendition="#g">Kommission über die Be-<lb/> schäftigung der Kinder</hi>“ (1863) theilten dasselbe Schicksal die<lb/> Manufaktur <hi rendition="#g">aller Erdenwaaren</hi> (nicht nur Töpfereien), der Schwe-<lb/> felhölzer, Zündhütchen, Patronen, Tapetenfabrik, Baumwollsammt-Schee-<lb/> rerei (fustian cutting) und zahlreiche Prozesse, die unter dem Ausdruck<lb/> „finishing“ (letzte Appretur) zusammengefasst sind. Im Jahre 1863 wur-<lb/> den die „<hi rendition="#g">Bleicherei in offener Luft</hi>“<note xml:id="seg2pn_40_1" next="#seg2pn_40_2" place="foot" n="185)">Die „Bleicher in offner Luft“ hatten sich dem Gesetz von 1860 über<lb/> „Bleicherei“ durch die Lüge entzogen, dass sie keine Weiber des Nachts ver-<lb/> arbeiteten. Die Lüge wurde von den Fabrikinspektoren aufgedeckt, zugleich aber<lb/> das Parlament durch Arbeiterpetitionen seiner wiesenduftigkühlen Vorstellungen<lb/> von „Bleicherei in offner Luft“ beraubt. In dieser Luftbleicherei werden Trocken-<lb/> zimmer von 90 bis 100 Grad Fahrenheit angewandt, worin hauptsächlich Mädchen<lb/> arbeiten. „Cooling“ (Abkühlung) ist der technische Ausdruck für ihr gelegent-<lb/> liches Entrinnen aus dem Trockenzimmer in die freie Luft. „Fünfzehn Mädchen<lb/> in den Trockenzimmern. Hitze von 80 zu 90° für Leinwand, von 100° und mehr<lb/> für Cambrics. Zwölf Mädchen bügeln und legen auf (die Cambrics etc.) in einem<lb/> kleinen Zimmer von ungefähr 10 Quadratfuss, in der Mitte ein enggeschlossener<lb/> Ofen. Die Mädchen stehn rund um den Ofen herum, der eine schreckliche Gluth<lb/> ausstrahlt und die Cambrics rasch für die Bügelerinnen trocknet. Die Stunden-<lb/> zahl für diese Hände ist unbeschränkt. Wenn geschäftig, arbeiten sie bis 9 oder<lb/> 12 Uhr Nachts viele Tage hintereinander.“ (<hi rendition="#g">Reports</hi> etc. <hi rendition="#g">for</hi> 31<hi rendition="#g">st Oct</hi>.<lb/> 1862“, p. 56.) Ein Arzt erklärt: „Für die Abkühlung sind keine besondren<lb/> Stunden erlaubt, aber wenn die Temperatur zu unerträglich wird, oder die Hände<lb/> der Arbeiterinnen sich vom Schweiss beschmutzen, ist ihnen gestattet, ein paar</note> und die <hi rendition="#g">Bäckerei</hi><lb/><note xml:id="seg2pn_39_2" prev="#seg2pn_39_1" place="foot" n="184)">12 Stunden täglich zu arbeiten und so viel Arbeitslohn als möglich herauszu-<lb/> schlagen … Es war bereits gelungen, eine Bill in diesem Sinn ins Unterhaus zu<lb/> bringen. Sie fiel vor der Agitation der Arbeiter in den Bleichereien Schottlands.“<lb/> („<hi rendition="#g">Reports</hi> etc. <hi rendition="#g">for</hi> 31. <hi rendition="#g">Oct</hi>. 1862“, p. 14, 15.) So geschlagen von den Arbeitern<lb/> selbst, in deren Namen es zu sprechen vorgab, entdeckte das Kapital nun, mit Hilfe<lb/> juristischer Brillen, dass der Akt von 1860, gleich allen Parlamentsakten zum<lb/> „Schutz der Arbeit“, in sinnverwirrten Wortschraubungen abgefasst, einen Vor-<lb/> wand gebe, die „calenderers“ und „finishers“ von seiner Wirkung <hi rendition="#g">auszu-<lb/> schliessen</hi>. Die englische Jurisdiktion, stets getreuer Knecht des Kapitals,<lb/> sanktionirte durch den Hof der „Common Pleas“ die Rabulisterei. „Es hat<lb/> grosse Unzufriedenheit unter den Arbeitern erregt und ist sehr bedauerlich, dass<lb/> die klare Absicht der Gesetzgebung auf Vorwand einer mangelhaften Wortdefinition<lb/> vereitelt wird.“ (l. c. p. 18.)</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [274/0293]
ken und Strumpfwirkereien 1861 dem Fabrikakt von 1850 unterworfen.
In Folge des ersten Berichts der „Kommission über die Be-
schäftigung der Kinder“ (1863) theilten dasselbe Schicksal die
Manufaktur aller Erdenwaaren (nicht nur Töpfereien), der Schwe-
felhölzer, Zündhütchen, Patronen, Tapetenfabrik, Baumwollsammt-Schee-
rerei (fustian cutting) und zahlreiche Prozesse, die unter dem Ausdruck
„finishing“ (letzte Appretur) zusammengefasst sind. Im Jahre 1863 wur-
den die „Bleicherei in offener Luft“ 185) und die Bäckerei
184)
185) Die „Bleicher in offner Luft“ hatten sich dem Gesetz von 1860 über
„Bleicherei“ durch die Lüge entzogen, dass sie keine Weiber des Nachts ver-
arbeiteten. Die Lüge wurde von den Fabrikinspektoren aufgedeckt, zugleich aber
das Parlament durch Arbeiterpetitionen seiner wiesenduftigkühlen Vorstellungen
von „Bleicherei in offner Luft“ beraubt. In dieser Luftbleicherei werden Trocken-
zimmer von 90 bis 100 Grad Fahrenheit angewandt, worin hauptsächlich Mädchen
arbeiten. „Cooling“ (Abkühlung) ist der technische Ausdruck für ihr gelegent-
liches Entrinnen aus dem Trockenzimmer in die freie Luft. „Fünfzehn Mädchen
in den Trockenzimmern. Hitze von 80 zu 90° für Leinwand, von 100° und mehr
für Cambrics. Zwölf Mädchen bügeln und legen auf (die Cambrics etc.) in einem
kleinen Zimmer von ungefähr 10 Quadratfuss, in der Mitte ein enggeschlossener
Ofen. Die Mädchen stehn rund um den Ofen herum, der eine schreckliche Gluth
ausstrahlt und die Cambrics rasch für die Bügelerinnen trocknet. Die Stunden-
zahl für diese Hände ist unbeschränkt. Wenn geschäftig, arbeiten sie bis 9 oder
12 Uhr Nachts viele Tage hintereinander.“ (Reports etc. for 31st Oct.
1862“, p. 56.) Ein Arzt erklärt: „Für die Abkühlung sind keine besondren
Stunden erlaubt, aber wenn die Temperatur zu unerträglich wird, oder die Hände
der Arbeiterinnen sich vom Schweiss beschmutzen, ist ihnen gestattet, ein paar
184) 12 Stunden täglich zu arbeiten und so viel Arbeitslohn als möglich herauszu-
schlagen … Es war bereits gelungen, eine Bill in diesem Sinn ins Unterhaus zu
bringen. Sie fiel vor der Agitation der Arbeiter in den Bleichereien Schottlands.“
(„Reports etc. for 31. Oct. 1862“, p. 14, 15.) So geschlagen von den Arbeitern
selbst, in deren Namen es zu sprechen vorgab, entdeckte das Kapital nun, mit Hilfe
juristischer Brillen, dass der Akt von 1860, gleich allen Parlamentsakten zum
„Schutz der Arbeit“, in sinnverwirrten Wortschraubungen abgefasst, einen Vor-
wand gebe, die „calenderers“ und „finishers“ von seiner Wirkung auszu-
schliessen. Die englische Jurisdiktion, stets getreuer Knecht des Kapitals,
sanktionirte durch den Hof der „Common Pleas“ die Rabulisterei. „Es hat
grosse Unzufriedenheit unter den Arbeitern erregt und ist sehr bedauerlich, dass
die klare Absicht der Gesetzgebung auf Vorwand einer mangelhaften Wortdefinition
vereitelt wird.“ (l. c. p. 18.)
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