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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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wie es vom Standpunkt der elementaren Algebra vieler Mittelglieder bedarf,
um zu verstehn, dass eine wirkliche Grösse darstellen kann. Obgleich
sie das Gesetz nie formulirt hat, hängt die klassische Oekonomie
instinktiv daran fest, weil es eine nothwendige Konsequenz des Werth-
gesetzes überhaupt ist. Sie sucht es durch gewaltsame Abstraktion vor
den Widersprüchen der Erscheinung zu retten. Man wird später203)
sehn, wie die Ricardo'sche Schule an diesem Stein des Anstosses ge-
stolpert ist. Die Vulgärökonomie, die "wirklich auch nichts gelernt hat",
pocht hier, wie überall auf den Schein gegen das Gesetz der Erscheinung.
Sie glaubt im Gegensatz zu Spinoza, dass "die Unwissenheit ein hin-
reichender Grund ist".

Die Arbeit, die das Gesammtkapital einer Gesellschaft täglich in Be-
wegung setzt, kann als ein einziger Arbeitstag betrachtet werden.
Ist z. B. die Zahl der Arbeiter eine Million und beträgt der Durchschnitts-
Arbeitstag eines Arbeiters 10 Stunden, so besteht der gesellschaft-
liche Arbeitstag
aus 10 Millionen Stunden. Bei gegebner Länge
dieses Arbeitstags, seien seine Grenzen physisch oder social gezogen, kann
die Masse des Mehrwerths nur vermehrt werden durch Vermehrung
der Arbeiteranzahl, d. h. der Arbeiterbevölkerung. Das Wachs-
thum der Bevölkerung bildet hier die mathematische Grenze für Produk-
tion des Mehrwerths durch das gesellschaftliche Gesammtkapital. Umge-
kehrt. Bei gegebner Grösse der Bevölkerung wird diese Grenze gebildet
durch die mögliche Verlängerung des Arbeitstags204).
Man wird im folgenden Kapital sehn, dass diess Gesetz nur für die bisher
behandelte Form des Mehrwerths gilt.

Aus der bisherigen Betrachtung der Produktion des Mehrwerths er-
giebt sich, dass nicht jede beliebige Geld- oder Werthsumme in Kapital
verwandelt werden kann, sondern zu dieser Verwandlung vielmehr ein be-

203) Näheres darüber im "Vierten Buch".
204) "The labour, that is the economic time of society, is a given
portion, say ten hours a day of a million of people or ten millions hours . . . .
Capital has its boundary of increase. The boundary may, at any given period,
be attained in the actual extent of economic time employed." ("An Essay on
the Political Economy of Nations. London
1821", p. 48, 49.)

wie es vom Standpunkt der elementaren Algebra vieler Mittelglieder bedarf,
um zu verstehn, dass eine wirkliche Grösse darstellen kann. Obgleich
sie das Gesetz nie formulirt hat, hängt die klassische Oekonomie
instinktiv daran fest, weil es eine nothwendige Konsequenz des Werth-
gesetzes überhaupt ist. Sie sucht es durch gewaltsame Abstraktion vor
den Widersprüchen der Erscheinung zu retten. Man wird später203)
sehn, wie die Ricardo’sche Schule an diesem Stein des Anstosses ge-
stolpert ist. Die Vulgärökonomie, die „wirklich auch nichts gelernt hat“,
pocht hier, wie überall auf den Schein gegen das Gesetz der Erscheinung.
Sie glaubt im Gegensatz zu Spinoza, dass „die Unwissenheit ein hin-
reichender Grund ist“.

Die Arbeit, die das Gesammtkapital einer Gesellschaft täglich in Be-
wegung setzt, kann als ein einziger Arbeitstag betrachtet werden.
Ist z. B. die Zahl der Arbeiter eine Million und beträgt der Durchschnitts-
Arbeitstag eines Arbeiters 10 Stunden, so besteht der gesellschaft-
liche Arbeitstag
aus 10 Millionen Stunden. Bei gegebner Länge
dieses Arbeitstags, seien seine Grenzen physisch oder social gezogen, kann
die Masse des Mehrwerths nur vermehrt werden durch Vermehrung
der Arbeiteranzahl, d. h. der Arbeiterbevölkerung. Das Wachs-
thum der Bevölkerung bildet hier die mathematische Grenze für Produk-
tion des Mehrwerths durch das gesellschaftliche Gesammtkapital. Umge-
kehrt. Bei gegebner Grösse der Bevölkerung wird diese Grenze gebildet
durch die mögliche Verlängerung des Arbeitstags204).
Man wird im folgenden Kapital sehn, dass diess Gesetz nur für die bisher
behandelte Form des Mehrwerths gilt.

Aus der bisherigen Betrachtung der Produktion des Mehrwerths er-
giebt sich, dass nicht jede beliebige Geld- oder Werthsumme in Kapital
verwandelt werden kann, sondern zu dieser Verwandlung vielmehr ein be-

203) Näheres darüber im „Vierten Buch“.
204) „The labour, that is the economic time of society, is a given
portion, say ten hours a day of a million of people or ten millions hours . . . .
Capital has its boundary of increase. The boundary may, at any given period,
be attained in the actual extent of economic time employed.“ („An Essay on
the Political Economy of Nations. London
1821“, p. 48, 49.)
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[286/0305] wie es vom Standpunkt der elementaren Algebra vieler Mittelglieder bedarf, um zu verstehn, dass [FORMEL] eine wirkliche Grösse darstellen kann. Obgleich sie das Gesetz nie formulirt hat, hängt die klassische Oekonomie instinktiv daran fest, weil es eine nothwendige Konsequenz des Werth- gesetzes überhaupt ist. Sie sucht es durch gewaltsame Abstraktion vor den Widersprüchen der Erscheinung zu retten. Man wird später 203) sehn, wie die Ricardo’sche Schule an diesem Stein des Anstosses ge- stolpert ist. Die Vulgärökonomie, die „wirklich auch nichts gelernt hat“, pocht hier, wie überall auf den Schein gegen das Gesetz der Erscheinung. Sie glaubt im Gegensatz zu Spinoza, dass „die Unwissenheit ein hin- reichender Grund ist“. Die Arbeit, die das Gesammtkapital einer Gesellschaft täglich in Be- wegung setzt, kann als ein einziger Arbeitstag betrachtet werden. Ist z. B. die Zahl der Arbeiter eine Million und beträgt der Durchschnitts- Arbeitstag eines Arbeiters 10 Stunden, so besteht der gesellschaft- liche Arbeitstag aus 10 Millionen Stunden. Bei gegebner Länge dieses Arbeitstags, seien seine Grenzen physisch oder social gezogen, kann die Masse des Mehrwerths nur vermehrt werden durch Vermehrung der Arbeiteranzahl, d. h. der Arbeiterbevölkerung. Das Wachs- thum der Bevölkerung bildet hier die mathematische Grenze für Produk- tion des Mehrwerths durch das gesellschaftliche Gesammtkapital. Umge- kehrt. Bei gegebner Grösse der Bevölkerung wird diese Grenze gebildet durch die mögliche Verlängerung des Arbeitstags 204). Man wird im folgenden Kapital sehn, dass diess Gesetz nur für die bisher behandelte Form des Mehrwerths gilt. Aus der bisherigen Betrachtung der Produktion des Mehrwerths er- giebt sich, dass nicht jede beliebige Geld- oder Werthsumme in Kapital verwandelt werden kann, sondern zu dieser Verwandlung vielmehr ein be- 203) Näheres darüber im „Vierten Buch“. 204) „The labour, that is the economic time of society, is a given portion, say ten hours a day of a million of people or ten millions hours . . . . Capital has its boundary of increase. The boundary may, at any given period, be attained in the actual extent of economic time employed.“ („An Essay on the Political Economy of Nations. London 1821“, p. 48, 49.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/305>, abgerufen am 21.11.2024.