Europa so viele Vortheile bieten. Der Weber ist ein vereinzeltes Indivi- duum, der das Gewebe auf Bestellung eines Kunden verfertigt und mit einem Webstuhl von der einfachsten Konstruktion, manchmal nur beste- hend aus hölzernen Stangen, die roh zusammengefügt sind. Er besitzt selbst keinen Apparat zum Aufziehn der Kette, der Webstuhl muss daher in seiner ganzen Länge ausgestreckt bleiben und wird so unförmlich und weit, dass er keinen Raum findet in der Hütte des Producenten, der seine Arbeit daher in freier Luft verrichten muss, wo sie durch jede Wetter- änderung unterbrochen wird"30). Es ist nur das von Generation auf Generation gehäufte und von Vater auf Sohn vererbte Sondergeschick, das dem Hindu wie der Spinne diese Virtuosität verleiht. Und dennoch verrichtet ein solcher indischer Weber sehr komplicirte Arbeit, verglichen mit der Mehrzahl der Manufakturarbeiter.
Ein Handwerker, der die verschiedenen Theilprozesse in der Pro- duktion eines Machwerks nach einander ausführt, muss bald den Platz, bald die Instrumente wechseln. Der Uebergang von einer Operation zur andern unterbricht den Fluss seiner Arbeit und bildet gewissermassen Poren in seinem Arbeitstag. Diese Poren verdichten, sobald er den ganzen Tag ein und dieselbe Operation kontinuirlich verrichtet oder sie verschwinden in dem Masse, wie der Wechsel seiner Operationen abnimmt. Die gesteigerte Produktivität ist hier entweder der zunehmenden Ausgabe von Arbeitskraft in einem gegebnen Zeitraum geschuldet, also wach- sender Intensivität der Arbeit, oder einer Abnahme des unproduktiven Verzehrs von Arbeitskraft. Der Ueberschuss von Kraftaufwand nämlich, den jeder Uebergang aus der Ruhe in die Be- wegung erheischt, kompensirt sich bei längerer Fortdauer der einmal er- reichten Normalgeschwindigkeit. Andrerseits zerstört die Kontinuität gleichförmiger Arbeit die Spann- und Schwungkraft der Lebensgeister, die im Wechsel der Thätigkeit selbst ihre Erholung und ihren Reiz finden.
Die Produktivität der Arbeit hängt nicht nur von der Virtuosität des Arbeiters ab, sondern auch von der Vollkommenheit seiner Werk-
30) "Historical and descriptive Account of Brit. India etc. by Hugh Murray, James Wilson etc." Edinburgh 1832, v. II, p. 449. Der indische Webstuhl ist hochschäftig, d. h. die Kette ist vertikal aufgespannt.
21*
Europa so viele Vortheile bieten. Der Weber ist ein vereinzeltes Indivi- duum, der das Gewebe auf Bestellung eines Kunden verfertigt und mit einem Webstuhl von der einfachsten Konstruktion, manchmal nur beste- hend aus hölzernen Stangen, die roh zusammengefügt sind. Er besitzt selbst keinen Apparat zum Aufziehn der Kette, der Webstuhl muss daher in seiner ganzen Länge ausgestreckt bleiben und wird so unförmlich und weit, dass er keinen Raum findet in der Hütte des Producenten, der seine Arbeit daher in freier Luft verrichten muss, wo sie durch jede Wetter- änderung unterbrochen wird“30). Es ist nur das von Generation auf Generation gehäufte und von Vater auf Sohn vererbte Sondergeschick, das dem Hindu wie der Spinne diese Virtuosität verleiht. Und dennoch verrichtet ein solcher indischer Weber sehr komplicirte Arbeit, verglichen mit der Mehrzahl der Manufakturarbeiter.
Ein Handwerker, der die verschiedenen Theilprozesse in der Pro- duktion eines Machwerks nach einander ausführt, muss bald den Platz, bald die Instrumente wechseln. Der Uebergang von einer Operation zur andern unterbricht den Fluss seiner Arbeit und bildet gewissermassen Poren in seinem Arbeitstag. Diese Poren verdichten, sobald er den ganzen Tag ein und dieselbe Operation kontinuirlich verrichtet oder sie verschwinden in dem Masse, wie der Wechsel seiner Operationen abnimmt. Die gesteigerte Produktivität ist hier entweder der zunehmenden Ausgabe von Arbeitskraft in einem gegebnen Zeitraum geschuldet, also wach- sender Intensivität der Arbeit, oder einer Abnahme des unproduktiven Verzehrs von Arbeitskraft. Der Ueberschuss von Kraftaufwand nämlich, den jeder Uebergang aus der Ruhe in die Be- wegung erheischt, kompensirt sich bei längerer Fortdauer der einmal er- reichten Normalgeschwindigkeit. Andrerseits zerstört die Kontinuität gleichförmiger Arbeit die Spann- und Schwungkraft der Lebensgeister, die im Wechsel der Thätigkeit selbst ihre Erholung und ihren Reiz finden.
Die Produktivität der Arbeit hängt nicht nur von der Virtuosität des Arbeiters ab, sondern auch von der Vollkommenheit seiner Werk-
30) „Historical and descriptive Account of Brit. India etc. by Hugh Murray, James Wilson etc.“ Edinburgh 1832, v. II, p. 449. Der indische Webstuhl ist hochschäftig, d. h. die Kette ist vertikal aufgespannt.
21*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0342"n="323"/>
Europa so viele Vortheile bieten. Der Weber ist ein vereinzeltes Indivi-<lb/>
duum, der das Gewebe auf Bestellung eines Kunden verfertigt und mit<lb/>
einem Webstuhl von der einfachsten Konstruktion, manchmal nur beste-<lb/>
hend aus hölzernen Stangen, die roh zusammengefügt sind. Er besitzt<lb/>
selbst keinen Apparat zum Aufziehn der Kette, der Webstuhl muss daher<lb/>
in seiner ganzen Länge ausgestreckt bleiben und wird so unförmlich und<lb/>
weit, dass er keinen Raum findet in der Hütte des Producenten, der seine<lb/>
Arbeit daher in freier Luft verrichten muss, wo sie durch jede Wetter-<lb/>
änderung unterbrochen wird“<noteplace="foot"n="30)">„<hirendition="#g">Historical and descriptive Account of Brit. India</hi> etc. <hirendition="#g">by<lb/>
Hugh Murray, James Wilson</hi> etc.“<hirendition="#g">Edinburgh</hi> 1832, v. II, p. 449.<lb/>
Der indische Webstuhl ist hochschäftig, d. h. die Kette ist vertikal aufgespannt.</note>. Es ist nur das von Generation auf<lb/>
Generation gehäufte und von Vater auf Sohn <hirendition="#g">vererbte</hi> Sondergeschick,<lb/>
das dem Hindu wie der Spinne diese Virtuosität verleiht. Und dennoch<lb/>
verrichtet ein solcher indischer Weber sehr komplicirte Arbeit, verglichen<lb/>
mit der Mehrzahl der Manufakturarbeiter.</p><lb/><p>Ein Handwerker, der die verschiedenen Theilprozesse in der Pro-<lb/>
duktion eines Machwerks nach einander ausführt, muss bald den Platz,<lb/>
bald die Instrumente wechseln. Der Uebergang von einer Operation zur<lb/>
andern <hirendition="#g">unterbricht</hi> den Fluss seiner Arbeit und bildet gewissermassen<lb/><hirendition="#g">Poren</hi> in seinem Arbeitstag. Diese Poren verdichten, sobald er den<lb/>
ganzen Tag ein und dieselbe Operation kontinuirlich verrichtet oder sie<lb/>
verschwinden in dem Masse, wie der Wechsel seiner Operationen abnimmt.<lb/>
Die gesteigerte Produktivität ist hier entweder der zunehmenden Ausgabe<lb/>
von Arbeitskraft in einem gegebnen Zeitraum geschuldet, also <hirendition="#g">wach-<lb/>
sender Intensivität der Arbeit</hi>, oder einer <hirendition="#g">Abnahme des<lb/>
unproduktiven Verzehrs von Arbeitskraft</hi>. Der Ueberschuss<lb/>
von Kraftaufwand nämlich, den jeder Uebergang aus der Ruhe in die Be-<lb/>
wegung erheischt, kompensirt sich bei längerer Fortdauer der einmal er-<lb/>
reichten Normalgeschwindigkeit. Andrerseits zerstört die Kontinuität<lb/>
gleichförmiger Arbeit die Spann- und Schwungkraft der Lebensgeister,<lb/>
die im Wechsel der Thätigkeit selbst ihre Erholung und ihren Reiz<lb/>
finden.</p><lb/><p>Die Produktivität der Arbeit hängt nicht nur von der Virtuosität<lb/>
des Arbeiters ab, sondern auch von der Vollkommenheit seiner <hirendition="#g">Werk-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">21*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[323/0342]
Europa so viele Vortheile bieten. Der Weber ist ein vereinzeltes Indivi-
duum, der das Gewebe auf Bestellung eines Kunden verfertigt und mit
einem Webstuhl von der einfachsten Konstruktion, manchmal nur beste-
hend aus hölzernen Stangen, die roh zusammengefügt sind. Er besitzt
selbst keinen Apparat zum Aufziehn der Kette, der Webstuhl muss daher
in seiner ganzen Länge ausgestreckt bleiben und wird so unförmlich und
weit, dass er keinen Raum findet in der Hütte des Producenten, der seine
Arbeit daher in freier Luft verrichten muss, wo sie durch jede Wetter-
änderung unterbrochen wird“ 30). Es ist nur das von Generation auf
Generation gehäufte und von Vater auf Sohn vererbte Sondergeschick,
das dem Hindu wie der Spinne diese Virtuosität verleiht. Und dennoch
verrichtet ein solcher indischer Weber sehr komplicirte Arbeit, verglichen
mit der Mehrzahl der Manufakturarbeiter.
Ein Handwerker, der die verschiedenen Theilprozesse in der Pro-
duktion eines Machwerks nach einander ausführt, muss bald den Platz,
bald die Instrumente wechseln. Der Uebergang von einer Operation zur
andern unterbricht den Fluss seiner Arbeit und bildet gewissermassen
Poren in seinem Arbeitstag. Diese Poren verdichten, sobald er den
ganzen Tag ein und dieselbe Operation kontinuirlich verrichtet oder sie
verschwinden in dem Masse, wie der Wechsel seiner Operationen abnimmt.
Die gesteigerte Produktivität ist hier entweder der zunehmenden Ausgabe
von Arbeitskraft in einem gegebnen Zeitraum geschuldet, also wach-
sender Intensivität der Arbeit, oder einer Abnahme des
unproduktiven Verzehrs von Arbeitskraft. Der Ueberschuss
von Kraftaufwand nämlich, den jeder Uebergang aus der Ruhe in die Be-
wegung erheischt, kompensirt sich bei längerer Fortdauer der einmal er-
reichten Normalgeschwindigkeit. Andrerseits zerstört die Kontinuität
gleichförmiger Arbeit die Spann- und Schwungkraft der Lebensgeister,
die im Wechsel der Thätigkeit selbst ihre Erholung und ihren Reiz
finden.
Die Produktivität der Arbeit hängt nicht nur von der Virtuosität
des Arbeiters ab, sondern auch von der Vollkommenheit seiner Werk-
30) „Historical and descriptive Account of Brit. India etc. by
Hugh Murray, James Wilson etc.“ Edinburgh 1832, v. II, p. 449.
Der indische Webstuhl ist hochschäftig, d. h. die Kette ist vertikal aufgespannt.
21*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/342>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.