austausch vermittelten Theilung der Arbeit im Grossen und Ganzen der indischen Gesellschaft. Nur der Ueberschuss der Produkte verwandelt sich in Waare, zum Theil selbst wieder erst in der Hand des Staats, dem ein bestimmtes Quantum seit undenklichen Zeiten als Naturalrente zu- fliesst. In verschiedenen Theilen Indiens besitzt diess Gemeinwesen ver- schiedne herrschende Formen. In der einfachsten Form bebaut die Ge- meinde das Land gemeinschaftlich und vertheilt seine Produkte unter ihre Glieder, während jede Familie Spinnen, Weben u. s. w. als häusliches Nebengewerb treibt. Neben dieser gleichartig beschäftigten Masse finden wir den "Haupteinwohner", Richter, Polizei und Steuereinnehmer in einer Person; den Buchhalter, der die Rechnung über den Ackerbau führt und alles darauf Bezügliche katastrirt und registrirt; einen dritten Beam- ten, der Verbrecher verfolgt und fremde Reisende beschützt und von einem Dorf zum andern geleitet; den Grenzmann, der die Grenzen der Ge- meinde gegen die Nachbargemeinden bewacht; den Wasseraufseher, der das Wasser aus den gemeinschaftlichen Wasserbehältern zu Ackerbau- zwecken vertheilt; den Braminen, der die Funktionen des religiösen Kultus verrichtet; den Schulmeister, der die Gemeindekinder im Sand schreiben und lesen lehrt; den Kalenderbraminen, der als Astrolog die Zeiten für Saat, Ernte und die guten oder bösen Stunden für alle be- sondern Ackerbauarbeiten angiebt; einen Schmidt und einen Zimmer- mann, welche alle Ackerbauwerkzeuge verfertigen und ausbessern; den Töpfer, der alle Gefässe für das Dorf macht; den Barbier, den Wäscher für die Reinigung der Kleider, den Silberschmidt, hier und da den Poeten, der in einigen Gemeinden den Silberschmidt, in andern den Schulmeister ersetzt. Diess Dutzend Personen wird auf Kosten der ganzen Gemeinde erhalten. Wächst die Bevölkerung, so wird eine neue Gemeinde nach dem Muster der alten auf unbebautem Bo- den angesiedelt. Den Gesammtmechanismus der Gemeinde betrachtet, findet sich hier planmässige Theilung der Arbeit, aber ihre manufaktur- mässige Theilung ist unmöglich, indem der Markt für Schmidt, Zimmer- mann u. s. w. unverändert bleibt und höchstens, je nach dem Grössen- unterschied der Dörfer, statt eines Schmidts, Töpfers u. s. w. ihrer zwei oder drei vorkommen60). Das Gesetz, das die Theilung der Gemeinde-
60)Lieut. Col. Mark Wilks: "Historical Sketches of the South of India. Lond. 1810--17", v. I, p. 118--20. Eine gute Zu-
austausch vermittelten Theilung der Arbeit im Grossen und Ganzen der indischen Gesellschaft. Nur der Ueberschuss der Produkte verwandelt sich in Waare, zum Theil selbst wieder erst in der Hand des Staats, dem ein bestimmtes Quantum seit undenklichen Zeiten als Naturalrente zu- fliesst. In verschiedenen Theilen Indiens besitzt diess Gemeinwesen ver- schiedne herrschende Formen. In der einfachsten Form bebaut die Ge- meinde das Land gemeinschaftlich und vertheilt seine Produkte unter ihre Glieder, während jede Familie Spinnen, Weben u. s. w. als häusliches Nebengewerb treibt. Neben dieser gleichartig beschäftigten Masse finden wir den „Haupteinwohner“, Richter, Polizei und Steuereinnehmer in einer Person; den Buchhalter, der die Rechnung über den Ackerbau führt und alles darauf Bezügliche katastrirt und registrirt; einen dritten Beam- ten, der Verbrecher verfolgt und fremde Reisende beschützt und von einem Dorf zum andern geleitet; den Grenzmann, der die Grenzen der Ge- meinde gegen die Nachbargemeinden bewacht; den Wasseraufseher, der das Wasser aus den gemeinschaftlichen Wasserbehältern zu Ackerbau- zwecken vertheilt; den Braminen, der die Funktionen des religiösen Kultus verrichtet; den Schulmeister, der die Gemeindekinder im Sand schreiben und lesen lehrt; den Kalenderbraminen, der als Astrolog die Zeiten für Saat, Ernte und die guten oder bösen Stunden für alle be- sondern Ackerbauarbeiten angiebt; einen Schmidt und einen Zimmer- mann, welche alle Ackerbauwerkzeuge verfertigen und ausbessern; den Töpfer, der alle Gefässe für das Dorf macht; den Barbier, den Wäscher für die Reinigung der Kleider, den Silberschmidt, hier und da den Poeten, der in einigen Gemeinden den Silberschmidt, in andern den Schulmeister ersetzt. Diess Dutzend Personen wird auf Kosten der ganzen Gemeinde erhalten. Wächst die Bevölkerung, so wird eine neue Gemeinde nach dem Muster der alten auf unbebautem Bo- den angesiedelt. Den Gesammtmechanismus der Gemeinde betrachtet, findet sich hier planmässige Theilung der Arbeit, aber ihre manufaktur- mässige Theilung ist unmöglich, indem der Markt für Schmidt, Zimmer- mann u. s. w. unverändert bleibt und höchstens, je nach dem Grössen- unterschied der Dörfer, statt eines Schmidts, Töpfers u. s. w. ihrer zwei oder drei vorkommen60). Das Gesetz, das die Theilung der Gemeinde-
60)Lieut. Col. Mark Wilks: „Historical Sketches of the South of India. Lond. 1810—17“, v. I, p. 118—20. Eine gute Zu-
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indischen Gesellschaft. Nur der Ueberschuss der Produkte verwandelt
sich in Waare, zum Theil selbst wieder erst in der Hand des Staats,
dem ein bestimmtes Quantum seit undenklichen Zeiten als Naturalrente zu-
fliesst. In verschiedenen Theilen Indiens besitzt diess Gemeinwesen ver-
schiedne herrschende Formen. In der einfachsten Form bebaut die Ge-
meinde das Land gemeinschaftlich und vertheilt seine Produkte unter ihre
Glieder, während jede Familie Spinnen, Weben u. s. w. als häusliches
Nebengewerb treibt. Neben dieser gleichartig beschäftigten Masse finden
wir den „Haupteinwohner“, Richter, Polizei und Steuereinnehmer in
einer Person; den Buchhalter, der die Rechnung über den Ackerbau führt
und alles darauf Bezügliche katastrirt und registrirt; einen dritten Beam-
ten, der Verbrecher verfolgt und fremde Reisende beschützt und von einem
Dorf zum andern geleitet; den Grenzmann, der die Grenzen der Ge-
meinde gegen die Nachbargemeinden bewacht; den Wasseraufseher,
der das Wasser aus den gemeinschaftlichen Wasserbehältern zu Ackerbau-
zwecken vertheilt; den Braminen, der die Funktionen des religiösen
Kultus verrichtet; den Schulmeister, der die Gemeindekinder im Sand
schreiben und lesen lehrt; den Kalenderbraminen, der als Astrolog
die Zeiten für Saat, Ernte und die guten oder bösen Stunden für alle be-
sondern Ackerbauarbeiten angiebt; einen Schmidt und einen Zimmer-
mann, welche alle Ackerbauwerkzeuge verfertigen und ausbessern; den
Töpfer, der alle Gefässe für das Dorf macht; den Barbier, den
Wäscher für die Reinigung der Kleider, den Silberschmidt, hier
und da den Poeten, der in einigen Gemeinden den Silberschmidt, in
andern den Schulmeister ersetzt. Diess Dutzend Personen wird auf
Kosten der ganzen Gemeinde erhalten. Wächst die Bevölkerung, so
wird eine neue Gemeinde nach dem Muster der alten auf unbebautem Bo-
den angesiedelt. Den Gesammtmechanismus der Gemeinde betrachtet,
findet sich hier planmässige Theilung der Arbeit, aber ihre manufaktur-
mässige Theilung ist unmöglich, indem der Markt für Schmidt, Zimmer-
mann u. s. w. unverändert bleibt und höchstens, je nach dem Grössen-
unterschied der Dörfer, statt eines Schmidts, Töpfers u. s. w. ihrer zwei
oder drei vorkommen 60). Das Gesetz, das die Theilung der Gemeinde-
60) Lieut. Col. Mark Wilks: „Historical Sketches of the
South of India. Lond. 1810—17“, v. I, p. 118—20. Eine gute Zu-
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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