Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.waltsamen Druck des Arbeitslohnes unter den Werth der Arbeitskraft er- Wachsthum in der Anzahl der Fabrikarbeiter ist also bedingt durch 235) In einem Aufruf der von den Schuhfabrikanten zu Leicester durch
einen "lock out" aufs Pflaster geworfenen Arbeiter an die "Trade Societies of England", Juli 1866, heisst es u. a.: "Seit etwa 20 Jahren wurde die Schuhmacherei in Leicester umgewälzt durch Einführung des Nietens statt des Nähens. Gute Löhne konnten damals verdient werden. Bald dehute sich diess neue Geschäft sehr aus. Grosse Konkurrenz zeigte sich unter den verschiednen Firmen, welche den geschmackvollsten Artikel liefern könne. Kurz nachher jedoch entsprang eine schlechtere Art Konkurrenz, nämlich die, einander im Markt zu unterverkaufen (undersell). Die schädlichen Folgen offenbarten sich bald in Lohnherabsetzung, und so reissend schnell war der Fall im Preise der Arbeit, dass viele Firmen jetzt nur noch die Hälfte des ursprünglichen Lohns zahlen. Und dennoch, obgleich die Löhne tiefer und tiefer sinken, scheinen die Profite mit jeder Aenderung des Arbeitstarifs zu wachsen." -- Ungünstige Perioden der In- dustrie werden selbst von den Fabrikanten benutzt, um durch übertriebne Lohn- herabsetzung, d. h. direkten Diebstahl an den nothwendigsten Lebensmitteln des Arbeiters, ausserordentliche Profite zu machen. Ein Beispiel. Es handelt sich um die Krise in der Seidenweberei zu Coventry: "Aus Nachweisen, die ich sowohl von Fabrikanten als Arbeitern erhielt, folgt zweifelsohne, dass die Löhne in einem grössern Umfang verkürzt wurden, als die Konkurrenz ausländischer Producenten oder andre Umstände ernöthigten. Die Majorität der Weber arbeitet zu einer Lohnherabsetzung von 30 bis 40 %. Ein Stück Band, wofür der Weber fünf Jahre früher 6 oder 7 sh. erhielt, bringt ihm jetzt nur 3 sh. 3 d. oder 3 sh. 6 d. ein; andere Arbeit, früher zu 4 sh. und 4 sh. 3 d. bezahlt, erhält jetzt nur 2 sh. oder 2 sh. 3 d. Die Lohnherabsetzung ist grösser als zum Stachel der Nachfrage er- heischt ist. In der That, bei vielen Arten von Band war die Lohn- herabsetzung nicht einmal begleitet von irgend einer Herab- setzung im Preise des Artikels." (Bericht des Kommissärs F. D. Longe in "Ch. Empl. Comm. V. Rep. 1866", p. 114, n. 1.) waltsamen Druck des Arbeitslohnes unter den Werth der Arbeitskraft er- Wachsthum in der Anzahl der Fabrikarbeiter ist also bedingt durch 235) In einem Aufruf der von den Schuhfabrikanten zu Leicester durch
einen „lock out“ aufs Pflaster geworfenen Arbeiter an die „Trade Societies of England“, Juli 1866, heisst es u. a.: „Seit etwa 20 Jahren wurde die Schuhmacherei in Leicester umgewälzt durch Einführung des Nietens statt des Nähens. Gute Löhne konnten damals verdient werden. Bald dehute sich diess neue Geschäft sehr aus. Grosse Konkurrenz zeigte sich unter den verschiednen Firmen, welche den geschmackvollsten Artikel liefern könne. Kurz nachher jedoch entsprang eine schlechtere Art Konkurrenz, nämlich die, einander im Markt zu unterverkaufen (undersell). Die schädlichen Folgen offenbarten sich bald in Lohnherabsetzung, und so reissend schnell war der Fall im Preise der Arbeit, dass viele Firmen jetzt nur noch die Hälfte des ursprünglichen Lohns zahlen. Und dennoch, obgleich die Löhne tiefer und tiefer sinken, scheinen die Profite mit jeder Aenderung des Arbeitstarifs zu wachsen.“ — Ungünstige Perioden der In- dustrie werden selbst von den Fabrikanten benutzt, um durch übertriebne Lohn- herabsetzung, d. h. direkten Diebstahl an den nothwendigsten Lebensmitteln des Arbeiters, ausserordentliche Profite zu machen. Ein Beispiel. Es handelt sich um die Krise in der Seidenweberei zu Coventry: „Aus Nachweisen, die ich sowohl von Fabrikanten als Arbeitern erhielt, folgt zweifelsohne, dass die Löhne in einem grössern Umfang verkürzt wurden, als die Konkurrenz ausländischer Producenten oder andre Umstände ernöthigten. Die Majorität der Weber arbeitet zu einer Lohnherabsetzung von 30 bis 40 %. Ein Stück Band, wofür der Weber fünf Jahre früher 6 oder 7 sh. erhielt, bringt ihm jetzt nur 3 sh. 3 d. oder 3 sh. 6 d. ein; andere Arbeit, früher zu 4 sh. und 4 sh. 3 d. bezahlt, erhält jetzt nur 2 sh. oder 2 sh. 3 d. Die Lohnherabsetzung ist grösser als zum Stachel der Nachfrage er- heischt ist. In der That, bei vielen Arten von Band war die Lohn- herabsetzung nicht einmal begleitet von irgend einer Herab- setzung im Preise des Artikels.“ (Bericht des Kommissärs F. D. Longe in „Ch. Empl. Comm. V. Rep. 1866“, p. 114, n. 1.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0463" n="444"/> waltsamen Druck des Arbeitslohnes unter den Werth der Arbeitskraft er-<lb/> strebt wird<note place="foot" n="235)">In einem Aufruf der von den Schuhfabrikanten zu <hi rendition="#g">Leicester</hi> durch<lb/> einen „lock out“ aufs Pflaster geworfenen Arbeiter an die „<hi rendition="#g">Trade Societies<lb/> of England</hi>“, <hi rendition="#g">Juli</hi> 1866, heisst es u. a.: „Seit etwa 20 Jahren wurde die<lb/> Schuhmacherei in Leicester umgewälzt durch Einführung des Nietens statt des<lb/> Nähens. Gute Löhne konnten damals verdient werden. Bald dehute sich diess<lb/> neue Geschäft sehr aus. Grosse Konkurrenz zeigte sich unter den verschiednen<lb/> Firmen, welche den geschmackvollsten Artikel liefern könne. Kurz nachher jedoch<lb/> entsprang eine schlechtere Art Konkurrenz, nämlich die, einander im Markt zu<lb/> unterverkaufen (undersell). Die schädlichen Folgen offenbarten sich bald in<lb/> Lohnherabsetzung, und so reissend schnell war der Fall im Preise der Arbeit, dass<lb/> viele Firmen jetzt nur noch die Hälfte des ursprünglichen Lohns zahlen. Und<lb/> dennoch, obgleich die Löhne tiefer und tiefer sinken, scheinen die Profite mit<lb/> jeder Aenderung des Arbeitstarifs zu wachsen.“ — Ungünstige Perioden der In-<lb/> dustrie werden selbst von den Fabrikanten benutzt, um durch übertriebne Lohn-<lb/> herabsetzung, d. h. direkten Diebstahl an den nothwendigsten Lebensmitteln des<lb/> Arbeiters, ausserordentliche Profite zu machen. Ein Beispiel. 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waltsamen Druck des Arbeitslohnes unter den Werth der Arbeitskraft er-
strebt wird 235).
Wachsthum in der Anzahl der Fabrikarbeiter ist also bedingt durch
proportionell viel rascheres Wachsthum des in den Fabriken ange-
legten Gesammtkapitals. Dieser Prozess vollzieht sich aber nur inner-
halb der Ebb- und Fluthperioden des industriellen Cyklus. Er wird zudem
stets unterbrochen durch den technologischen Fortschritt, der Arbeiter bald
virtuell ersetzt, bald faktisch verdrängt. Dieser qualitative Wech-
sel im Maschinenbetrieb entfernt beständig Arbeiter aus der Fabrik oder
verschliesst ihr Thor dem neuen Rekrutenstrom, während die bloss quanti-
tative Ausdehnung der Fabriken neben den Herausgeworfenen frische
235) In einem Aufruf der von den Schuhfabrikanten zu Leicester durch
einen „lock out“ aufs Pflaster geworfenen Arbeiter an die „Trade Societies
of England“, Juli 1866, heisst es u. a.: „Seit etwa 20 Jahren wurde die
Schuhmacherei in Leicester umgewälzt durch Einführung des Nietens statt des
Nähens. Gute Löhne konnten damals verdient werden. Bald dehute sich diess
neue Geschäft sehr aus. Grosse Konkurrenz zeigte sich unter den verschiednen
Firmen, welche den geschmackvollsten Artikel liefern könne. Kurz nachher jedoch
entsprang eine schlechtere Art Konkurrenz, nämlich die, einander im Markt zu
unterverkaufen (undersell). Die schädlichen Folgen offenbarten sich bald in
Lohnherabsetzung, und so reissend schnell war der Fall im Preise der Arbeit, dass
viele Firmen jetzt nur noch die Hälfte des ursprünglichen Lohns zahlen. Und
dennoch, obgleich die Löhne tiefer und tiefer sinken, scheinen die Profite mit
jeder Aenderung des Arbeitstarifs zu wachsen.“ — Ungünstige Perioden der In-
dustrie werden selbst von den Fabrikanten benutzt, um durch übertriebne Lohn-
herabsetzung, d. h. direkten Diebstahl an den nothwendigsten Lebensmitteln des
Arbeiters, ausserordentliche Profite zu machen. Ein Beispiel. Es handelt sich um
die Krise in der Seidenweberei zu Coventry: „Aus Nachweisen, die ich sowohl
von Fabrikanten als Arbeitern erhielt, folgt zweifelsohne, dass die Löhne in einem
grössern Umfang verkürzt wurden, als die Konkurrenz ausländischer Producenten
oder andre Umstände ernöthigten. Die Majorität der Weber arbeitet zu einer
Lohnherabsetzung von 30 bis 40 %. Ein Stück Band, wofür der Weber fünf Jahre
früher 6 oder 7 sh. erhielt, bringt ihm jetzt nur 3 sh. 3 d. oder 3 sh. 6 d. ein;
andere Arbeit, früher zu 4 sh. und 4 sh. 3 d. bezahlt, erhält jetzt nur 2 sh. oder
2 sh. 3 d. Die Lohnherabsetzung ist grösser als zum Stachel der Nachfrage er-
heischt ist. In der That, bei vielen Arten von Band war die Lohn-
herabsetzung nicht einmal begleitet von irgend einer Herab-
setzung im Preise des Artikels.“ (Bericht des Kommissärs
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