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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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beitskraft eine naturwüchsig rohe Reaktion gegen die Langweile mono-
toner Arbeitsplackerei ist, entspringt sie jedoch in ungleich höherem Grad
aus der Anarchie der Produktion selbst, die ihrerseits wieder ungezügelte
Exploitation der Arbeitskraft durch das Kapital voraussetzt. Neben die
allgemeinen periodischen Wechselfälle des industriellen Cyklus und
die besondern Marktschwankungen in jedem Produktionszweig, treten
namentlich die s. g. Saison, beruhe sie nun auf Periodicität der Schiff-
fahrt günstiger Jahreszeiten oder auf der Mode, und die Plötzlichkeit grosser
und in kürzester Frist auszuführender Ordres. Die Gewohnheit der letz-
tern dehnte sich mit Eisenbahnen und Telegraphie aus. "Die Ausdeh-
nung des Eisenbahnsystems", sagt z. B. ein Londoner Fabrikant, "durch
das ganze Land hat die Gewohnheit kurzer Ordres sehr gefördert. Käufer
kommen jetzt von Glasgow, Manchester und Edinburg einmal in 14 Tagen
oder so zu den City-Waarenhäusern für den Grossverkauf, denen wir die
Waaren liefern. Sie geben Ordres, die unmittelbar ausgeführt werden
müssen, statt vom Lager zu kaufen, wie es Gewohnheit war. In früheren
Jahren waren wir stets fähig während der schlaffen Zeit für die Nachfrage
der nächsten Saison vorauszuarbeiten, aber jetzt kann Niemand vorher-
sagen, was dann in Nachfrage sein wird"284).

In den noch nicht dem Fabrikgesetz unterworfenen Fabriken und
Manufakturen herrscht periodisch die furchtbarste Ueberarbeit während der
s. g. Saison, stossweis in Folge plötzlicher Ordres. Im auswärtigen De-
partement der Fabrik, der Manufaktur und des Waarenmagazins, in der
Sphäre der Hausarbeit, ohnehin durchaus unregelmässig, für ihr Rohma-
terial und ihre Ordres ganz abhängig von den Launen des Kapitalisten,
den hier keine Rücksicht auf Verwerthung von Baulichkeiten, Maschinen
u. s. w. bindet und der hier nichts riskirt als die Haut der Arbeiter selbst,
wird so systematisch eine stets disponible, industrielle Reservearmee gross-
gezüchtet, decimirt während eines Theils des Jahrs durch unmenschlich-
sten Arbeitszwang, während des andern Theils verlumpt durch Arbeits-
mangel. "Die Anwender", sagt die "Child. Empl. Comm.", "exploitiren

284) "Child. Empl. Comm. IV. Rep.", p. XXXII, XXXIII. "The
extension of the railway system is said to have contributed greatly to this custom
of giving sudden orders, and the consequent hurry, neglect of mealtimes, and late
hours of the work people." (l. c.)

beitskraft eine naturwüchsig rohe Reaktion gegen die Langweile mono-
toner Arbeitsplackerei ist, entspringt sie jedoch in ungleich höherem Grad
aus der Anarchie der Produktion selbst, die ihrerseits wieder ungezügelte
Exploitation der Arbeitskraft durch das Kapital voraussetzt. Neben die
allgemeinen periodischen Wechselfälle des industriellen Cyklus und
die besondern Marktschwankungen in jedem Produktionszweig, treten
namentlich die s. g. Saison, beruhe sie nun auf Periodicität der Schiff-
fahrt günstiger Jahreszeiten oder auf der Mode, und die Plötzlichkeit grosser
und in kürzester Frist auszuführender Ordres. Die Gewohnheit der letz-
tern dehnte sich mit Eisenbahnen und Telegraphie aus. „Die Ausdeh-
nung des Eisenbahnsystems“, sagt z. B. ein Londoner Fabrikant, „durch
das ganze Land hat die Gewohnheit kurzer Ordres sehr gefördert. Käufer
kommen jetzt von Glasgow, Manchester und Edinburg einmal in 14 Tagen
oder so zu den City-Waarenhäusern für den Grossverkauf, denen wir die
Waaren liefern. Sie geben Ordres, die unmittelbar ausgeführt werden
müssen, statt vom Lager zu kaufen, wie es Gewohnheit war. In früheren
Jahren waren wir stets fähig während der schlaffen Zeit für die Nachfrage
der nächsten Saison vorauszuarbeiten, aber jetzt kann Niemand vorher-
sagen, was dann in Nachfrage sein wird“284).

In den noch nicht dem Fabrikgesetz unterworfenen Fabriken und
Manufakturen herrscht periodisch die furchtbarste Ueberarbeit während der
s. g. Saison, stossweis in Folge plötzlicher Ordres. Im auswärtigen De-
partement der Fabrik, der Manufaktur und des Waarenmagazins, in der
Sphäre der Hausarbeit, ohnehin durchaus unregelmässig, für ihr Rohma-
terial und ihre Ordres ganz abhängig von den Launen des Kapitalisten,
den hier keine Rücksicht auf Verwerthung von Baulichkeiten, Maschinen
u. s. w. bindet und der hier nichts riskirt als die Haut der Arbeiter selbst,
wird so systematisch eine stets disponible, industrielle Reservearmee gross-
gezüchtet, decimirt während eines Theils des Jahrs durch unmenschlich-
sten Arbeitszwang, während des andern Theils verlumpt durch Arbeits-
mangel. „Die Anwender“, sagt die „Child. Empl. Comm.“, „exploitiren

284)Child. Empl. Comm. IV. Rep.“, p. XXXII, XXXIII. „The
extension of the railway system is said to have contributed greatly to this custom
of giving sudden orders, and the consequent hurry, neglect of mealtimes, and late
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[470/0489] beitskraft eine naturwüchsig rohe Reaktion gegen die Langweile mono- toner Arbeitsplackerei ist, entspringt sie jedoch in ungleich höherem Grad aus der Anarchie der Produktion selbst, die ihrerseits wieder ungezügelte Exploitation der Arbeitskraft durch das Kapital voraussetzt. Neben die allgemeinen periodischen Wechselfälle des industriellen Cyklus und die besondern Marktschwankungen in jedem Produktionszweig, treten namentlich die s. g. Saison, beruhe sie nun auf Periodicität der Schiff- fahrt günstiger Jahreszeiten oder auf der Mode, und die Plötzlichkeit grosser und in kürzester Frist auszuführender Ordres. Die Gewohnheit der letz- tern dehnte sich mit Eisenbahnen und Telegraphie aus. „Die Ausdeh- nung des Eisenbahnsystems“, sagt z. B. ein Londoner Fabrikant, „durch das ganze Land hat die Gewohnheit kurzer Ordres sehr gefördert. Käufer kommen jetzt von Glasgow, Manchester und Edinburg einmal in 14 Tagen oder so zu den City-Waarenhäusern für den Grossverkauf, denen wir die Waaren liefern. Sie geben Ordres, die unmittelbar ausgeführt werden müssen, statt vom Lager zu kaufen, wie es Gewohnheit war. In früheren Jahren waren wir stets fähig während der schlaffen Zeit für die Nachfrage der nächsten Saison vorauszuarbeiten, aber jetzt kann Niemand vorher- sagen, was dann in Nachfrage sein wird“ 284). In den noch nicht dem Fabrikgesetz unterworfenen Fabriken und Manufakturen herrscht periodisch die furchtbarste Ueberarbeit während der s. g. Saison, stossweis in Folge plötzlicher Ordres. Im auswärtigen De- partement der Fabrik, der Manufaktur und des Waarenmagazins, in der Sphäre der Hausarbeit, ohnehin durchaus unregelmässig, für ihr Rohma- terial und ihre Ordres ganz abhängig von den Launen des Kapitalisten, den hier keine Rücksicht auf Verwerthung von Baulichkeiten, Maschinen u. s. w. bindet und der hier nichts riskirt als die Haut der Arbeiter selbst, wird so systematisch eine stets disponible, industrielle Reservearmee gross- gezüchtet, decimirt während eines Theils des Jahrs durch unmenschlich- sten Arbeitszwang, während des andern Theils verlumpt durch Arbeits- mangel. „Die Anwender“, sagt die „Child. Empl. Comm.“, „exploitiren 284) „Child. Empl. Comm. IV. Rep.“, p. XXXII, XXXIII. „The extension of the railway system is said to have contributed greatly to this custom of giving sudden orders, and the consequent hurry, neglect of mealtimes, and late hours of the work people.“ (l. c.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/489>, abgerufen am 29.06.2024.