ments) durch Niederreissung der schlechtgebauten Viertel, Errichtung von Palästen für Banken, Waarenhäuser u. s. w., Dehnung der Strassen für Geschäftsverkehr und Luxuskarossen, Einführung städtischer Eisenbahnen u. s. w. mit Verjagung der Armen in stets schlechtere und dichter gefüllte Schlupfwinkel verknüpft sind. Andrerseits weiss jeder, dass die Theuer- keit der Wohnungen im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Güte steht und dass die Minen des Elends von Spekulanten mit mehr Profit und weniger Kosten ausgebeutet werden als jemals die Minen von Potosi. Der antago- nistische Charakter der kapitalistischen Accumulation und daher der ka- pitalistischen Eigenthumsverhältnisse überhaupt115) wird hier so handgreifbar, dass selbst die officiellen englischen Berichte über diesen Gegenstand voll heterodoxer Ausfälle auf das "Eigenthum und seine Rechte sind". Das Uebel hielt solchen Schritt mit der Entwicklung der Industrie, der Accumulation des Kapitals, dem Wachsthum und der "Ver- schönerung" der Städte, dass die blosse Furcht vor ansteckenden Krank- heiten, welche auch der "Ehrbarkeit" nicht schonen, von 1847 bis 1864 nicht weniger als 10 gesundheitspolizeiliche Parlamentsakte ins Leben rief, und dass die erschreckte Bürgerschaft in einigen Städten wie Liver- pool, Glasgow u. s. w. durch ihre Municipalitäten eingriff. Dennoch, ruft Dr. Simon in seinem Bericht von 1865: "Allgemein zu sprechen, sind die Uebelstände in England unkontrolirt." Auf Befehl des Privy Coun- cil fand 1864 Untersuchung über die Wohnungsverhältnisse der Land- arbeiter, 1865 über die der ärmeren Klassen in den Städten statt. Die meisterhaften Arbeiten des Dr. Julian Hunter findet man im sie- benten (1865) und achten (1866) Bericht über "Public Health". Auf die Landarbeiter komme ich später. Ueber den städtischen Wohnungs- zustand schicke ich eine allgemeine Bemerkung des Dr. Simon voraus: "Obgleich mein officieller Gesichtspunkt", sagt er, "ausschliesslich physisch ist, erlaubt die gewöhnlichste Humanität nicht die andre Seite dieses Uebels zu ignoriren. In seinem höheren Grad bedingt es fast noth-
115) "Nirgendwo sind so offen und so schamlos die Rechte der Person dem Recht des Eigenthums geopfert worden, als in den Wohnungsverhältnissen der ar- beitenden Klasse. Jede grosse Stadt ist eine Stätte des Menschenopfers, ein Altar, worauf Tausende jährlich dem Moloch der Habsucht geschlachtet werden." (S. Laing l. c. p. 150.)
ments) durch Niederreissung der schlechtgebauten Viertel, Errichtung von Palästen für Banken, Waarenhäuser u. s. w., Dehnung der Strassen für Geschäftsverkehr und Luxuskarossen, Einführung städtischer Eisenbahnen u. s. w. mit Verjagung der Armen in stets schlechtere und dichter gefüllte Schlupfwinkel verknüpft sind. Andrerseits weiss jeder, dass die Theuer- keit der Wohnungen im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Güte steht und dass die Minen des Elends von Spekulanten mit mehr Profit und weniger Kosten ausgebeutet werden als jemals die Minen von Potosi. Der antago- nistische Charakter der kapitalistischen Accumulation und daher der ka- pitalistischen Eigenthumsverhältnisse überhaupt115) wird hier so handgreifbar, dass selbst die officiellen englischen Berichte über diesen Gegenstand voll heterodoxer Ausfälle auf das „Eigenthum und seine Rechte sind“. Das Uebel hielt solchen Schritt mit der Entwicklung der Industrie, der Accumulation des Kapitals, dem Wachsthum und der „Ver- schönerung“ der Städte, dass die blosse Furcht vor ansteckenden Krank- heiten, welche auch der „Ehrbarkeit“ nicht schonen, von 1847 bis 1864 nicht weniger als 10 gesundheitspolizeiliche Parlamentsakte ins Leben rief, und dass die erschreckte Bürgerschaft in einigen Städten wie Liver- pool, Glasgow u. s. w. durch ihre Municipalitäten eingriff. Dennoch, ruft Dr. Simon in seinem Bericht von 1865: „Allgemein zu sprechen, sind die Uebelstände in England unkontrolirt.“ Auf Befehl des Privy Coun- cil fand 1864 Untersuchung über die Wohnungsverhältnisse der Land- arbeiter, 1865 über die der ärmeren Klassen in den Städten statt. Die meisterhaften Arbeiten des Dr. Julian Hunter findet man im sie- benten (1865) und achten (1866) Bericht über „Public Health“. Auf die Landarbeiter komme ich später. Ueber den städtischen Wohnungs- zustand schicke ich eine allgemeine Bemerkung des Dr. Simon voraus: „Obgleich mein officieller Gesichtspunkt“, sagt er, „ausschliesslich physisch ist, erlaubt die gewöhnlichste Humanität nicht die andre Seite dieses Uebels zu ignoriren. In seinem höheren Grad bedingt es fast noth-
115) „Nirgendwo sind so offen und so schamlos die Rechte der Person dem Recht des Eigenthums geopfert worden, als in den Wohnungsverhältnissen der ar- beitenden Klasse. Jede grosse Stadt ist eine Stätte des Menschenopfers, ein Altar, worauf Tausende jährlich dem Moloch der Habsucht geschlachtet werden.“ (S. Laing l. c. p. 150.)
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Geschäftsverkehr und Luxuskarossen, Einführung städtischer Eisenbahnen
u. s. w. mit Verjagung der Armen in stets schlechtere und dichter gefüllte
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keit der Wohnungen im umgekehrten Verhältniss zu ihrer Güte steht und
dass die Minen des Elends von Spekulanten mit mehr Profit und weniger
Kosten ausgebeutet werden als jemals die Minen von Potosi. Der antago-
nistische Charakter der kapitalistischen Accumulation und daher der ka-
pitalistischen Eigenthumsverhältnisse überhaupt 115) wird
hier so handgreifbar, dass selbst die officiellen englischen Berichte über
diesen Gegenstand voll heterodoxer Ausfälle auf das „Eigenthum und
seine Rechte sind“. Das Uebel hielt solchen Schritt mit der Entwicklung der
Industrie, der Accumulation des Kapitals, dem Wachsthum und der „Ver-
schönerung“ der Städte, dass die blosse Furcht vor ansteckenden Krank-
heiten, welche auch der „Ehrbarkeit“ nicht schonen, von 1847 bis 1864
nicht weniger als 10 gesundheitspolizeiliche Parlamentsakte ins Leben
rief, und dass die erschreckte Bürgerschaft in einigen Städten wie Liver-
pool, Glasgow u. s. w. durch ihre Municipalitäten eingriff. Dennoch, ruft
Dr. Simon in seinem Bericht von 1865: „Allgemein zu sprechen, sind
die Uebelstände in England unkontrolirt.“ Auf Befehl des Privy Coun-
cil fand 1864 Untersuchung über die Wohnungsverhältnisse der Land-
arbeiter, 1865 über die der ärmeren Klassen in den Städten statt. Die
meisterhaften Arbeiten des Dr. Julian Hunter findet man im sie-
benten (1865) und achten (1866) Bericht über „Public Health“. Auf
die Landarbeiter komme ich später. Ueber den städtischen Wohnungs-
zustand schicke ich eine allgemeine Bemerkung des Dr. Simon voraus:
„Obgleich mein officieller Gesichtspunkt“, sagt er, „ausschliesslich
physisch ist, erlaubt die gewöhnlichste Humanität nicht die andre Seite
dieses Uebels zu ignoriren. In seinem höheren Grad bedingt es fast noth-
115) „Nirgendwo sind so offen und so schamlos die Rechte der Person dem
Recht des Eigenthums geopfert worden, als in den Wohnungsverhältnissen der ar-
beitenden Klasse. Jede grosse Stadt ist eine Stätte des Menschenopfers, ein Altar,
worauf Tausende jährlich dem Moloch der Habsucht geschlachtet werden.“
(S. Laing l. c. p. 150.)
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/665>, abgerufen am 28.11.2024.
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