Das Wucherkapital besitzt die Exploitationsweise des Kapitals ohne seine Produktionsweise. Dies Verhältniss wiederholt sich auch innerhalb der bürgerlichen Oekonomie in zurückgebliebnen Industriezweigen oder solchen, die sich gegen den Uebergang in die moderne Produktionsweise sträuben. Will man z. B. den eng- lischen Zinsfuss mit dem indischen vergleichen, so muss man nicht den Zinsfuss der B. v. E. nehmen, sondern den z. B. von Ver- leihern kleiner Maschinen an Kleinproducenten der Hausindustrie.
Der Wucher ist gegenüber dem konsumirenden Reichthum histo- risch wichtig als selbst ein Entstehungsprocess des Kapitals. Wucher- kapital und Kaufmannsvermögen vermitteln die Bildung eines vom Grundeigenthum unabhängigen Geldvermögens. Je weniger der Charakter des Produkts als Waare sich entwickelt, je weniger sich der Tauschwerth der Produktion in ihrer ganzen Breite und Tiefe bemächtigt hat, desto mehr erscheint Geld als der eigentliche Reich- thum als solcher, als der allgemeine Reichthum, gegenüber seiner beschränkten Darstellungsweise in Gebrauchswerthen. Darauf be- ruht die Schatzbildung. Abgesehn vom Geld als Weltgeld und Schatz, ist es namentlich die Form des Zahlungsmittels, worin es als absolute Form der Waare auftritt. Und es ist namentlich seine Funktion als Zahlungsmittel, die den Zins und damit das Geld- kapital entwickeln. Was der verschwenderische und korrumpirende Reichthum will, ist Geld als Geld, Geld als Mittel alles zu kaufen. (Auch zum Schuldenzahlen.) Wozu der kleine Producent vor allem Geld braucht, ist zum Zahlen. (Die Verwandlung der Natural- leistungen und Lieferungen an Grundherrn und Staat in Geldrente und Geldsteuern spielt hier eine grosse Rolle.) In beiden Fällen wird das Geld als Geld gebraucht. Auf der andren Seite wird die Schatzbildung erst real, erfüllt ihren Traum im Wucher. Was vom Schatzeigner verlangt wird, ist nicht Kapital, sondern Geld als Geld; aber durch den Zins verwandelt er diesen Geldschatz für sich in Kapital -- in ein Mittel, wodurch er sich der Mehrarbeit ganz oder theilweise bemächtigt, und ebenso eines Theils der Pro- duktionsbedingungen selbst, wenn sie auch nominell als fremdes Eigenthum ihm gegenüber stehn bleiben. Der Wucher lebt schein- bar in den Poren der Produktion wie die Götter in den Inter- mundien bei Epikur. Geld ist um so schwieriger zu haben, je weniger die Waarenform die allgemeine Form des Produkts. Der Wucherer kennt daher durchaus keine Schranke ausser der Leistungs- fähigkeit oder Widerstandsfähigkeit der Geldbedürftigen. Als Kauf- mittel wird in der kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Produktion
Das Wucherkapital besitzt die Exploitationsweise des Kapitals ohne seine Produktionsweise. Dies Verhältniss wiederholt sich auch innerhalb der bürgerlichen Oekonomie in zurückgebliebnen Industriezweigen oder solchen, die sich gegen den Uebergang in die moderne Produktionsweise sträuben. Will man z. B. den eng- lischen Zinsfuss mit dem indischen vergleichen, so muss man nicht den Zinsfuss der B. v. E. nehmen, sondern den z. B. von Ver- leihern kleiner Maschinen an Kleinproducenten der Hausindustrie.
Der Wucher ist gegenüber dem konsumirenden Reichthum histo- risch wichtig als selbst ein Entstehungsprocess des Kapitals. Wucher- kapital und Kaufmannsvermögen vermitteln die Bildung eines vom Grundeigenthum unabhängigen Geldvermögens. Je weniger der Charakter des Produkts als Waare sich entwickelt, je weniger sich der Tauschwerth der Produktion in ihrer ganzen Breite und Tiefe bemächtigt hat, desto mehr erscheint Geld als der eigentliche Reich- thum als solcher, als der allgemeine Reichthum, gegenüber seiner beschränkten Darstellungsweise in Gebrauchswerthen. Darauf be- ruht die Schatzbildung. Abgesehn vom Geld als Weltgeld und Schatz, ist es namentlich die Form des Zahlungsmittels, worin es als absolute Form der Waare auftritt. Und es ist namentlich seine Funktion als Zahlungsmittel, die den Zins und damit das Geld- kapital entwickeln. Was der verschwenderische und korrumpirende Reichthum will, ist Geld als Geld, Geld als Mittel alles zu kaufen. (Auch zum Schuldenzahlen.) Wozu der kleine Producent vor allem Geld braucht, ist zum Zahlen. (Die Verwandlung der Natural- leistungen und Lieferungen an Grundherrn und Staat in Geldrente und Geldsteuern spielt hier eine grosse Rolle.) In beiden Fällen wird das Geld als Geld gebraucht. Auf der andren Seite wird die Schatzbildung erst real, erfüllt ihren Traum im Wucher. Was vom Schatzeigner verlangt wird, ist nicht Kapital, sondern Geld als Geld; aber durch den Zins verwandelt er diesen Geldschatz für sich in Kapital — in ein Mittel, wodurch er sich der Mehrarbeit ganz oder theilweise bemächtigt, und ebenso eines Theils der Pro- duktionsbedingungen selbst, wenn sie auch nominell als fremdes Eigenthum ihm gegenüber stehn bleiben. Der Wucher lebt schein- bar in den Poren der Produktion wie die Götter in den Inter- mundien bei Epikur. Geld ist um so schwieriger zu haben, je weniger die Waarenform die allgemeine Form des Produkts. Der Wucherer kennt daher durchaus keine Schranke ausser der Leistungs- fähigkeit oder Widerstandsfähigkeit der Geldbedürftigen. Als Kauf- mittel wird in der kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Produktion
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Das Wucherkapital besitzt die Exploitationsweise des Kapitals
ohne seine Produktionsweise. Dies Verhältniss wiederholt sich
auch innerhalb der bürgerlichen Oekonomie in zurückgebliebnen
Industriezweigen oder solchen, die sich gegen den Uebergang in
die moderne Produktionsweise sträuben. Will man z. B. den eng-
lischen Zinsfuss mit dem indischen vergleichen, so muss man nicht
den Zinsfuss der B. v. E. nehmen, sondern den z. B. von Ver-
leihern kleiner Maschinen an Kleinproducenten der Hausindustrie.
Der Wucher ist gegenüber dem konsumirenden Reichthum histo-
risch wichtig als selbst ein Entstehungsprocess des Kapitals. Wucher-
kapital und Kaufmannsvermögen vermitteln die Bildung eines vom
Grundeigenthum unabhängigen Geldvermögens. Je weniger der
Charakter des Produkts als Waare sich entwickelt, je weniger sich
der Tauschwerth der Produktion in ihrer ganzen Breite und Tiefe
bemächtigt hat, desto mehr erscheint Geld als der eigentliche Reich-
thum als solcher, als der allgemeine Reichthum, gegenüber seiner
beschränkten Darstellungsweise in Gebrauchswerthen. Darauf be-
ruht die Schatzbildung. Abgesehn vom Geld als Weltgeld und
Schatz, ist es namentlich die Form des Zahlungsmittels, worin es
als absolute Form der Waare auftritt. Und es ist namentlich seine
Funktion als Zahlungsmittel, die den Zins und damit das Geld-
kapital entwickeln. Was der verschwenderische und korrumpirende
Reichthum will, ist Geld als Geld, Geld als Mittel alles zu kaufen.
(Auch zum Schuldenzahlen.) Wozu der kleine Producent vor allem
Geld braucht, ist zum Zahlen. (Die Verwandlung der Natural-
leistungen und Lieferungen an Grundherrn und Staat in Geldrente
und Geldsteuern spielt hier eine grosse Rolle.) In beiden Fällen
wird das Geld als Geld gebraucht. Auf der andren Seite wird die
Schatzbildung erst real, erfüllt ihren Traum im Wucher. Was
vom Schatzeigner verlangt wird, ist nicht Kapital, sondern Geld
als Geld; aber durch den Zins verwandelt er diesen Geldschatz
für sich in Kapital — in ein Mittel, wodurch er sich der Mehrarbeit
ganz oder theilweise bemächtigt, und ebenso eines Theils der Pro-
duktionsbedingungen selbst, wenn sie auch nominell als fremdes
Eigenthum ihm gegenüber stehn bleiben. Der Wucher lebt schein-
bar in den Poren der Produktion wie die Götter in den Inter-
mundien bei Epikur. Geld ist um so schwieriger zu haben, je
weniger die Waarenform die allgemeine Form des Produkts. Der
Wucherer kennt daher durchaus keine Schranke ausser der Leistungs-
fähigkeit oder Widerstandsfähigkeit der Geldbedürftigen. Als Kauf-
mittel wird in der kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Produktion
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/146>, abgerufen am 27.11.2024.
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