Ursprünglich waren diese Geschäfte fast ausschliesslich beschränkt auf Borgen und auf Leihen gegen bankmäßiges Unterpfand. Aber im Verhältniss wie das Kapital des Landes rasch anwuchs und durch Errichtung von Banken immer mehr ökonomisirt wurde, wurden die Fonds zur Verfügung dieser Diskontohäuser so gross, dass sie dazu übergingen, Vorschüsse zu machen, zuerst auf dock warrants (Lagerscheine auf Waaren in den Docks) und dann auch auf Ladescheine, die noch gar nicht angekommene Produkte reprä- sentirten, obgleich manchmal, wenn nicht regelmäßig, schon Wechsel darauf auf den Waarenmakler gezogen waren. Diese Praxis änderte bald den ganzen Charakter des englischen Geschäfts. Die so in Lombardstreet gebotnen Erleichterungen gaben den Waarenmaklern in Mincing Lane eine sehr verstärkte Stellung; diese gaben ihrerseits wieder den ganzen Vortheil den importirenden Kaufleuten; diese letzteren nahmen so sehr Theil daran, dass, während 25 Jahre vorher Kreditnahme auf seine Ladescheine oder selbst seine dock warrants den Kredit eines Kaufmanns ruinirt hätte, in den letzten Jahren diese Praxis so allgemein wurde, dass man sie als die Regel betrachten kann, und nicht mehr, wie vor 25 Jahren, als seltne Ausnahme. Ja dies System ist soweit aus- gedehnt worden, dass grosse Summen in Lombard Street aufge- nommen worden sind auf Wechsel, gezogen gegen die noch wachsende Ernte entlegner Kolonien. Die Folge solcher Er- leichterungen war, dass die Importkaufleute ihre auswärtigen Ge- schäfte erweiterten, und ihr schwebendes (floating) Kapital, womit ihr Geschäft bisher geführt worden, festlegten in der verwerflichsten aller Anlagen, in Kolonialplantagen, worüber sie wenig oder gar keine Kontrolle ausüben konnten. So sehn wir die direkte Ver- kettung der Kredite. Das Kapital des Landes, das in unsern Ackerbaudistrikten angesammelt, wird in kleinen Beträgen als Depositen in Landbanken niedergelegt, nnd zur Verwendung in Lombard Street centralisirt. Aber nutzbar gemacht worden ist es erstens zur Ausdehnung des Geschäfts in unsern Bergwerks- und Industriebezirken vermittelst Rediskontiren von Wechseln an dortige Banken; sodann aber auch zur Gewährung grössrer Erleichterungen an Importeure auswärtiger Produkte durch Vorschüsse auf dock warrants und Ladescheine, wodurch das "legitime" Kaufmanns- kapital von Häusern im auswärtigen und Kolonialgeschäft freige- setzt und so zu den verwerflichsten Anlagearten in überseeischen Plantagen verwandt werden konnte." (Economist, 1847, p. 1334.) Es ist dies die "schöne" Verschlingung der Kredite. Der länd-
Ursprünglich waren diese Geschäfte fast ausschliesslich beschränkt auf Borgen und auf Leihen gegen bankmäßiges Unterpfand. Aber im Verhältniss wie das Kapital des Landes rasch anwuchs und durch Errichtung von Banken immer mehr ökonomisirt wurde, wurden die Fonds zur Verfügung dieser Diskontohäuser so gross, dass sie dazu übergingen, Vorschüsse zu machen, zuerst auf dock warrants (Lagerscheine auf Waaren in den Docks) und dann auch auf Ladescheine, die noch gar nicht angekommene Produkte reprä- sentirten, obgleich manchmal, wenn nicht regelmäßig, schon Wechsel darauf auf den Waarenmakler gezogen waren. Diese Praxis änderte bald den ganzen Charakter des englischen Geschäfts. Die so in Lombardstreet gebotnen Erleichterungen gaben den Waarenmaklern in Mincing Lane eine sehr verstärkte Stellung; diese gaben ihrerseits wieder den ganzen Vortheil den importirenden Kaufleuten; diese letzteren nahmen so sehr Theil daran, dass, während 25 Jahre vorher Kreditnahme auf seine Ladescheine oder selbst seine dock warrants den Kredit eines Kaufmanns ruinirt hätte, in den letzten Jahren diese Praxis so allgemein wurde, dass man sie als die Regel betrachten kann, und nicht mehr, wie vor 25 Jahren, als seltne Ausnahme. Ja dies System ist soweit aus- gedehnt worden, dass grosse Summen in Lombard Street aufge- nommen worden sind auf Wechsel, gezogen gegen die noch wachsende Ernte entlegner Kolonien. Die Folge solcher Er- leichterungen war, dass die Importkaufleute ihre auswärtigen Ge- schäfte erweiterten, und ihr schwebendes (floating) Kapital, womit ihr Geschäft bisher geführt worden, festlegten in der verwerflichsten aller Anlagen, in Kolonialplantagen, worüber sie wenig oder gar keine Kontrolle ausüben konnten. So sehn wir die direkte Ver- kettung der Kredite. Das Kapital des Landes, das in unsern Ackerbaudistrikten angesammelt, wird in kleinen Beträgen als Depositen in Landbanken niedergelegt, nnd zur Verwendung in Lombard Street centralisirt. Aber nutzbar gemacht worden ist es erstens zur Ausdehnung des Geschäfts in unsern Bergwerks- und Industriebezirken vermittelst Rediskontiren von Wechseln an dortige Banken; sodann aber auch zur Gewährung grössrer Erleichterungen an Importeure auswärtiger Produkte durch Vorschüsse auf dock warrants und Ladescheine, wodurch das „legitime“ Kaufmanns- kapital von Häusern im auswärtigen und Kolonialgeschäft freige- setzt und so zu den verwerflichsten Anlagearten in überseeischen Plantagen verwandt werden konnte.“ (Economist, 1847, p. 1334.) Es ist dies die „schöne“ Verschlingung der Kredite. Der länd-
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Ursprünglich waren diese Geschäfte fast ausschliesslich beschränkt
auf Borgen und auf Leihen gegen bankmäßiges Unterpfand. Aber
im Verhältniss wie das Kapital des Landes rasch anwuchs und
durch Errichtung von Banken immer mehr ökonomisirt wurde,
wurden die Fonds zur Verfügung dieser Diskontohäuser so gross,
dass sie dazu übergingen, Vorschüsse zu machen, zuerst auf dock
warrants (Lagerscheine auf Waaren in den Docks) und dann auch
auf Ladescheine, die noch gar nicht angekommene Produkte reprä-
sentirten, obgleich manchmal, wenn nicht regelmäßig, schon
Wechsel darauf auf den Waarenmakler gezogen waren. Diese
Praxis änderte bald den ganzen Charakter des englischen Geschäfts.
Die so in Lombardstreet gebotnen Erleichterungen gaben den
Waarenmaklern in Mincing Lane eine sehr verstärkte Stellung;
diese gaben ihrerseits wieder den ganzen Vortheil den importirenden
Kaufleuten; diese letzteren nahmen so sehr Theil daran, dass,
während 25 Jahre vorher Kreditnahme auf seine Ladescheine oder
selbst seine dock warrants den Kredit eines Kaufmanns ruinirt
hätte, in den letzten Jahren diese Praxis so allgemein wurde, dass
man sie als die Regel betrachten kann, und nicht mehr, wie vor
25 Jahren, als seltne Ausnahme. Ja dies System ist soweit aus-
gedehnt worden, dass grosse Summen in Lombard Street aufge-
nommen worden sind auf Wechsel, gezogen gegen die noch
wachsende Ernte entlegner Kolonien. Die Folge solcher Er-
leichterungen war, dass die Importkaufleute ihre auswärtigen Ge-
schäfte erweiterten, und ihr schwebendes (floating) Kapital, womit
ihr Geschäft bisher geführt worden, festlegten in der verwerflichsten
aller Anlagen, in Kolonialplantagen, worüber sie wenig oder gar
keine Kontrolle ausüben konnten. So sehn wir die direkte Ver-
kettung der Kredite. Das Kapital des Landes, das in unsern
Ackerbaudistrikten angesammelt, wird in kleinen Beträgen als
Depositen in Landbanken niedergelegt, nnd zur Verwendung in
Lombard Street centralisirt. Aber nutzbar gemacht worden ist es
erstens zur Ausdehnung des Geschäfts in unsern Bergwerks- und
Industriebezirken vermittelst Rediskontiren von Wechseln an dortige
Banken; sodann aber auch zur Gewährung grössrer Erleichterungen
an Importeure auswärtiger Produkte durch Vorschüsse auf dock
warrants und Ladescheine, wodurch das „legitime“ Kaufmanns-
kapital von Häusern im auswärtigen und Kolonialgeschäft freige-
setzt und so zu den verwerflichsten Anlagearten in überseeischen
Plantagen verwandt werden konnte.“ (Economist, 1847, p. 1334.)
Es ist dies die „schöne“ Verschlingung der Kredite. Der länd-
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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