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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Viertes Buch. Geschichte der Teutschen

XIV. Gleichwohl wagete sich Germanicus nicht weiter ins Land, viel-
Schiffbruch
der Römischen
Flotte auf der
Nord-See.
leicht weil er wieder über die See muste. Der gröste Theil seiner Völcker ward
auf der Ems eingeschiffet. Die Flotte hatte aber kaum das offene Meer erreichet,
als ihnen das Vergnügen über die Teutschen-Siege sehr versaltzen ward. Der
Himmel ward plötzlich überzogen, und ein mit Schlossen und Platz-Regen un-
termischter Sturm-Wind machte ein trauriges Vorspiel zu dem bevorstehenden
Ungewitter. Gleich darauf folgete ein starcker Südwind, der die Flotte mit solchem
Ungestüme zerstreuete, daß weder die Ancker hielten, noch die platten Fahrzeuge,
ungeachtet man Pferde, Vieh, Geräthe, und Gewehr, selbst auswarff, sich des ein-
dringenden Wassers erwehren konnten. Die Römischen Schiffleute waren ohne-
dem, weil sie das Welt-Meer, wo nach ihrer Meynung die Natur ein Ende hatte,
nicht sowohl, als ihre Mittelländische-See kannten, etwas furchtsam, und wur-
den durch die Soldaten noch mehr verunruhiget, die eben so viel zu fürchten hatten,
wenn sie an die Teutschen Küsten ausgeworffen würden, als wenn sie in der See
umkämen, und die Schiffer am meisten hinderten, wenn sie ihnen zu helffen
dachten. Theils Schiffe gingen zu Grunde, theils wurden auf Klippen, und Sand-
Bäncken, oder unbewohnte Jnseln geworffen, da der Hunger an denen, die dar-
auf waren, vollbrachte, was die Furcht auf dem Meere angefangen hatte. Die
Galeere, darauf Germanicus war, landete, mit Mühe und Noth, an der Küste
der Chaucen, da man ihn kaum halten konnte, daß er sich nicht für Unmuth ins
Wasser stürtzete, weil iederman alles vor verlohren hielte, und er sich selbst die
Veranlassung des gantzen Unglücks beymasse. Als sich endlich das Ungewitter ge-
leget, fand sich der Rest von der Flotte allmählich an eben demselben Ufer ein.
Auf einigen Schiffen waren die Ruder-Bäncke nicht alle mehr besetzet, an an-
dern hatte man durch zusammen geflickete Kleider den Verlust der Seegel ersetzet,
und viele hatten sich gar nicht selber helffen können, sondern sich an diejenigen, wel-
che noch einiger massen im Stande, anhengen, und hinter ihnen her schwim-
men müssen. Germanici erste Sorge war, einige Fahrzeuge, so geschwinde, als
möglich, wieder in Stand setzen zu lassen, die zurücke in See gehen, und an allen
Jnseln, und Sand-Bäncken, diejenigen, so dahin verworffen, aufsuchen mu-
sten. Durch diese Vorsorge wurden viele gerettet. Andere, so das Ungewitter an
die Teutsche Küsten angetrieben, wurden von den Angrivariern loß gekauffet.
Einige, die bis in Britannien verworffen, wurden von den Fürsten selbiger Jn-
sel, die mit den Römern in gutem Vernehmen lebeten, Germanico wider zuge-
*

schicket,
* [Beginn Spaltensatz] tacitvs Annal. L. II. c. 23. 24. sene-
ca
hat uns ein Stück von einem Gedichte aufgehoben,
das Pedo auf eine Schiffart Germanici auf der Nord-
See, und wie es scheinet, auf eben diese, gemachet: Sva-
soriar. L. I. p. 11. Latini declamatores in Oceani
descriptione non nimis uiguerunt, nam aut tumide
scripserunt, aut curiose. Nemo illorum potuit tan-
to spiritu dicere, quanto Pedo, qui nauigante Ger-
manico, dixit:
Iam pridem post terga diem solemque relictum,
[Spaltenumbruch] Iam pridem notis extorres finibus orbis,
Per non concessas audaces ire tenebras,
Hesperii metas, extremaque litora mundi.
Nunc illum, pigris immania monstra sub undis
Qui ferat, Oceanum, qui saeuas undique Pristis,
Aequoreosque canes, ratibus consurgere prensis.
Accumulat fragor ipse metus, iam sidere limo
Nauigia, & rapido desertam flamine classem,
Seque feris credunt per inertia fata marinis
Tam non felici laniandos sorte relinqui.

[Ende Spaltensatz]
Atque
Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen

XIV. Gleichwohl wagete ſich Germanicus nicht weiter ins Land, viel-
Schiffbruch
der Roͤmiſchen
Flotte auf der
Nord-See.
leicht weil er wieder uͤber die See muſte. Der groͤſte Theil ſeiner Voͤlcker ward
auf der Ems eingeſchiffet. Die Flotte hatte aber kaum das offene Meer erreichet,
als ihnen das Vergnuͤgen uͤber die Teutſchen-Siege ſehr verſaltzen ward. Der
Himmel ward ploͤtzlich uͤberzogen, und ein mit Schloſſen und Platz-Regen un-
termiſchter Sturm-Wind machte ein trauriges Vorſpiel zu dem bevorſtehenden
Ungewitter. Gleich darauf folgete ein ſtarcker Suͤdwind, der die Flotte mit ſolchem
Ungeſtuͤme zerſtreuete, daß weder die Ancker hielten, noch die platten Fahrzeuge,
ungeachtet man Pferde, Vieh, Geraͤthe, und Gewehr, ſelbſt auswarff, ſich des ein-
dringenden Waſſers erwehren konnten. Die Roͤmiſchen Schiffleute waren ohne-
dem, weil ſie das Welt-Meer, wo nach ihrer Meynung die Natur ein Ende hatte,
nicht ſowohl, als ihre Mittellaͤndiſche-See kannten, etwas furchtſam, und wur-
den durch die Soldaten noch mehr verunruhiget, die eben ſo viel zu fuͤrchten hatten,
wenn ſie an die Teutſchen Kuͤſten ausgeworffen wuͤrden, als wenn ſie in der See
umkaͤmen, und die Schiffer am meiſten hinderten, wenn ſie ihnen zu helffen
dachten. Theils Schiffe gingen zu Grunde, theils wurden auf Klippen, und Sand-
Baͤncken, oder unbewohnte Jnſeln geworffen, da der Hunger an denen, die dar-
auf waren, vollbrachte, was die Furcht auf dem Meere angefangen hatte. Die
Galeere, darauf Germanicus war, landete, mit Muͤhe und Noth, an der Kuͤſte
der Chaucen, da man ihn kaum halten konnte, daß er ſich nicht fuͤr Unmuth ins
Waſſer ſtuͤrtzete, weil iederman alles vor verlohren hielte, und er ſich ſelbſt die
Veranlaſſung des gantzen Ungluͤcks beymaſſe. Als ſich endlich das Ungewitter ge-
leget, fand ſich der Reſt von der Flotte allmaͤhlich an eben demſelben Ufer ein.
Auf einigen Schiffen waren die Ruder-Baͤncke nicht alle mehr beſetzet, an an-
dern hatte man durch zuſammen geflickete Kleider den Verluſt der Seegel erſetzet,
und viele hatten ſich gar nicht ſelber helffen koͤnnen, ſondern ſich an diejenigen, wel-
che noch einiger maſſen im Stande, anhengen, und hinter ihnen her ſchwim-
men muͤſſen. Germanici erſte Sorge war, einige Fahrzeuge, ſo geſchwinde, als
moͤglich, wieder in Stand ſetzen zu laſſen, die zuruͤcke in See gehen, und an allen
Jnſeln, und Sand-Baͤncken, diejenigen, ſo dahin verworffen, aufſuchen mu-
ſten. Durch dieſe Vorſorge wurden viele gerettet. Andere, ſo das Ungewitter an
die Teutſche Kuͤſten angetrieben, wurden von den Angrivariern loß gekauffet.
Einige, die bis in Britannien verworffen, wurden von den Fuͤrſten ſelbiger Jn-
ſel, die mit den Roͤmern in gutem Vernehmen lebeten, Germanico wider zuge-
*

ſchicket,
* [Beginn Spaltensatz] tacitvs Annal. L. II. c. 23. 24. sene-
ca
hat uns ein Stuͤck von einem Gedichte aufgehoben,
das Pedo auf eine Schiffart Germanici auf der Nord-
See, und wie es ſcheinet, auf eben dieſe, gemachet: Sva-
ſoriar. L. I. p. 11. Latini declamatores in Oceani
deſcriptione non nimis uiguerunt, nam aut tumide
ſcripſerunt, aut curioſe. Nemo illorum potuit tan-
to ſpiritu dicere, quanto Pedo, qui nauigante Ger-
manico, dixit:
Iam pridem poſt terga diem ſolemque relictum,
[Spaltenumbruch] Iam pridem notis extorres finibus orbis,
Per non conceſſas audaces ire tenebras,
Heſperii metas, extremaque litora mundi.
Nunc illum, pigris immania monſtra ſub undis
Qui ferat, Oceanum, qui ſaeuas undique Priſtis,
Aequoreosque canes, ratibus conſurgere prenſis.
Accumulat fragor ipſe metus, iam ſidere limo
Nauigia, & rapido deſertam flamine claſſem,
Seque feris credunt per inertia fata marinis
Tam non felici laniandos ſorte relinqui.

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Atque
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[96/0130] Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen XIV. Gleichwohl wagete ſich Germanicus nicht weiter ins Land, viel- leicht weil er wieder uͤber die See muſte. Der groͤſte Theil ſeiner Voͤlcker ward auf der Ems eingeſchiffet. Die Flotte hatte aber kaum das offene Meer erreichet, als ihnen das Vergnuͤgen uͤber die Teutſchen-Siege ſehr verſaltzen ward. Der Himmel ward ploͤtzlich uͤberzogen, und ein mit Schloſſen und Platz-Regen un- termiſchter Sturm-Wind machte ein trauriges Vorſpiel zu dem bevorſtehenden Ungewitter. Gleich darauf folgete ein ſtarcker Suͤdwind, der die Flotte mit ſolchem Ungeſtuͤme zerſtreuete, daß weder die Ancker hielten, noch die platten Fahrzeuge, ungeachtet man Pferde, Vieh, Geraͤthe, und Gewehr, ſelbſt auswarff, ſich des ein- dringenden Waſſers erwehren konnten. Die Roͤmiſchen Schiffleute waren ohne- dem, weil ſie das Welt-Meer, wo nach ihrer Meynung die Natur ein Ende hatte, nicht ſowohl, als ihre Mittellaͤndiſche-See kannten, etwas furchtſam, und wur- den durch die Soldaten noch mehr verunruhiget, die eben ſo viel zu fuͤrchten hatten, wenn ſie an die Teutſchen Kuͤſten ausgeworffen wuͤrden, als wenn ſie in der See umkaͤmen, und die Schiffer am meiſten hinderten, wenn ſie ihnen zu helffen dachten. Theils Schiffe gingen zu Grunde, theils wurden auf Klippen, und Sand- Baͤncken, oder unbewohnte Jnſeln geworffen, da der Hunger an denen, die dar- auf waren, vollbrachte, was die Furcht auf dem Meere angefangen hatte. Die Galeere, darauf Germanicus war, landete, mit Muͤhe und Noth, an der Kuͤſte der Chaucen, da man ihn kaum halten konnte, daß er ſich nicht fuͤr Unmuth ins Waſſer ſtuͤrtzete, weil iederman alles vor verlohren hielte, und er ſich ſelbſt die Veranlaſſung des gantzen Ungluͤcks beymaſſe. Als ſich endlich das Ungewitter ge- leget, fand ſich der Reſt von der Flotte allmaͤhlich an eben demſelben Ufer ein. Auf einigen Schiffen waren die Ruder-Baͤncke nicht alle mehr beſetzet, an an- dern hatte man durch zuſammen geflickete Kleider den Verluſt der Seegel erſetzet, und viele hatten ſich gar nicht ſelber helffen koͤnnen, ſondern ſich an diejenigen, wel- che noch einiger maſſen im Stande, anhengen, und hinter ihnen her ſchwim- men muͤſſen. Germanici erſte Sorge war, einige Fahrzeuge, ſo geſchwinde, als moͤglich, wieder in Stand ſetzen zu laſſen, die zuruͤcke in See gehen, und an allen Jnſeln, und Sand-Baͤncken, diejenigen, ſo dahin verworffen, aufſuchen mu- ſten. Durch dieſe Vorſorge wurden viele gerettet. Andere, ſo das Ungewitter an die Teutſche Kuͤſten angetrieben, wurden von den Angrivariern loß gekauffet. Einige, die bis in Britannien verworffen, wurden von den Fuͤrſten ſelbiger Jn- ſel, die mit den Roͤmern in gutem Vernehmen lebeten, Germanico wider zuge- ſchicket, * Schiffbruch der Roͤmiſchen Flotte auf der Nord-See. * tacitvs Annal. L. II. c. 23. 24. sene- ca hat uns ein Stuͤck von einem Gedichte aufgehoben, das Pedo auf eine Schiffart Germanici auf der Nord- See, und wie es ſcheinet, auf eben dieſe, gemachet: Sva- ſoriar. L. I. p. 11. Latini declamatores in Oceani deſcriptione non nimis uiguerunt, nam aut tumide ſcripſerunt, aut curioſe. Nemo illorum potuit tan- to ſpiritu dicere, quanto Pedo, qui nauigante Ger- manico, dixit: Iam pridem poſt terga diem ſolemque relictum, Iam pridem notis extorres finibus orbis, Per non conceſſas audaces ire tenebras, Heſperii metas, extremaque litora mundi. Nunc illum, pigris immania monſtra ſub undis Qui ferat, Oceanum, qui ſaeuas undique Priſtis, Aequoreosque canes, ratibus conſurgere prenſis. Accumulat fragor ipſe metus, iam ſidere limo Nauigia, & rapido deſertam flamine claſſem, Seque feris credunt per inertia fata marinis Tam non felici laniandos ſorte relinqui. Atque

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/130>, abgerufen am 24.11.2024.