Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Geschichte der Teutschen
zum besten aus. Je mehr dadurch sein Ruhm und Ansehen war befestiget worden,
ie angenehmer kam ihm das Commando vor. Wie verhaßt er einigen seiner Nach-
barn müsse gewesen seyn, kan man zum Theile daraus schliessen, daß Adgande-
strius,
ein Fürst der Catten, sich gegen Tiberium erbothen, Arminium zu ver-
geben, wenn man ihm dazu Gifft von Rom schicken wollte.+ Wobey ich nicht
weiß, ob man mehr die Niederträchtigkeit dieser Verrätherey verfluchen, oder die
ehrliche Einfalt, der damahligen Zeiten in Teutschland, loben soll, da ein Fürst,
der den andern will vergeben lassen, das Gifft nicht anders als von Rom haben
kan. So gerne Tiberius sahe, daß die Teutschen sich, ohne Gefahr der Römer,
untereinander aufreiben möchten, so großmüthig schlug er dieses Anerbiethen aus,
vielleicht in der Meynung, wenn der Haß gegen Arminium bey Adgandestrio so
groß wäre, als er vorgäbe, würde er schon, ohne Gifft, Mittel finden, ihn aus dem
Wege zu räumen. Und in der That ist Arminius, bald darauf durch Verräthe-
rey seiner nächsten Freunde, ums Leben gekommen. Denn er mag würcklich nach
einer Königlichen Gewalt getrachtet haben, oder unschuldig in solchen Verdacht
gerathen seyn, so ist es einmahl darüber zum Kriege gekommen, der Anfangs mit
abwechselndem Glücke geführet ward. Wie aus dem, was mit Segeste, und
Inguiomaro, fürgegangen, genugsam erhellet, was für Verbitterung in seinem
eigenen Hause gewesen, so ist desto weniger zu bewundern, daß sich einige den Haß,
bis zu seiner Ermordung, haben verleiten lassen. Er war sieben und dreyßig Jahr
alt, als er seinen Geist aufgeben muste, und hatte seit dem fünff und zwantzigsten
commandiret1. So übele Folgerungen haben so wohl bey Germanico, als bey
Arminio, ihr Glück und Tapfferkeit gehabt, indem sie dem einen den Haß des
Käisers, dem anderen die Eiffersucht seines Volcks vor die Freyheit, die er selbst
erhalten, auf den Hals gezogen. Beyde sterben durch die Schuld ihrer nächsten
Anverwandten, in einem Alter, darinnen sie erst hätten der Früchte ihrer mühsa-
men Jugend geniessen sollen, und das sie vielleicht viel höher gebracht hätten, wenn
sie sich nicht so hervorgethan. Aber es würde im menschlichen Leben viel grosses
unterbleiben, wenn die Sterblichen vorher sähen, wo ihr Unternehmen hinaus
lauffen werde. tacitvs rühmet Arminium, als einen Printzen, der den
Griechischen, und Römischen Helden, an die Seite zu setzen: der die Römer zu ei-
ner Zeit, da ihre Macht am grösten, angegriffen, und die Freyheit seines Vater-
landes, mit Glücke und Unglücke, standhafft behauptet2. Die Teutschen Völ-
cker haben auch seine vermeynete Herrschsucht bald vergessen: und länger im An-
dencken behalten, was sie seinen grossen Eigenschafften zu dancken, als was sie von
selbigen zu fürchten gehabt. tacitvs gedencket der Lieder, darinnen selbige
besungen worden3. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die berühmte Jrmenseul, die
Carolus M. zu Ehresburg zerstöhret, nichts anders, als eine Gedächtniß-Seule,

gewesen,
+ [Beginn Spaltensatz] m. ivnio silano, et l. norbano
coss. a. c.
19.
1 §. XXI. 1. tacitvs Ann. L. II. c. 88.
2 tacitvs Ann. L. II. c. 88. Liberator haud
[Spaltenumbruch] dubie Germaniae, & qui non primordia populi Ro-
mani, sicut alii reges, ducesque, sed florentissimum
imperium lacessierit; proeliis ambiguus, bello non
invictus, septem & triginta annos uitae, duodecim

[Ende Spaltensatz]
potentiae
3

Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
zum beſten aus. Je mehr dadurch ſein Ruhm und Anſehen war befeſtiget worden,
ie angenehmer kam ihm das Commando vor. Wie verhaßt er einigen ſeiner Nach-
barn muͤſſe geweſen ſeyn, kan man zum Theile daraus ſchlieſſen, daß Adgande-
ſtrius,
ein Fuͤrſt der Catten, ſich gegen Tiberium erbothen, Arminium zu ver-
geben, wenn man ihm dazu Gifft von Rom ſchicken wollte. Wobey ich nicht
weiß, ob man mehr die Niedertraͤchtigkeit dieſer Verraͤtherey verfluchen, oder die
ehrliche Einfalt, der damahligen Zeiten in Teutſchland, loben ſoll, da ein Fuͤrſt,
der den andern will vergeben laſſen, das Gifft nicht anders als von Rom haben
kan. So gerne Tiberius ſahe, daß die Teutſchen ſich, ohne Gefahr der Roͤmer,
untereinander aufreiben moͤchten, ſo großmuͤthig ſchlug er dieſes Anerbiethen aus,
vielleicht in der Meynung, wenn der Haß gegen Arminium bey Adgandeſtrio ſo
groß waͤre, als er vorgaͤbe, wuͤrde er ſchon, ohne Gifft, Mittel finden, ihn aus dem
Wege zu raͤumen. Und in der That iſt Arminius, bald darauf durch Verraͤthe-
rey ſeiner naͤchſten Freunde, ums Leben gekommen. Denn er mag wuͤrcklich nach
einer Koͤniglichen Gewalt getrachtet haben, oder unſchuldig in ſolchen Verdacht
gerathen ſeyn, ſo iſt es einmahl daruͤber zum Kriege gekommen, der Anfangs mit
abwechſelndem Gluͤcke gefuͤhret ward. Wie aus dem, was mit Segeſte, und
Inguiomaro, fuͤrgegangen, genugſam erhellet, was fuͤr Verbitterung in ſeinem
eigenen Hauſe geweſen, ſo iſt deſto weniger zu bewundern, daß ſich einige den Haß,
bis zu ſeiner Ermordung, haben verleiten laſſen. Er war ſieben und dreyßig Jahr
alt, als er ſeinen Geiſt aufgeben muſte, und hatte ſeit dem fuͤnff und zwantzigſten
commandiret1. So uͤbele Folgerungen haben ſo wohl bey Germanico, als bey
Arminio, ihr Gluͤck und Tapfferkeit gehabt, indem ſie dem einen den Haß des
Kaͤiſers, dem anderen die Eifferſucht ſeines Volcks vor die Freyheit, die er ſelbſt
erhalten, auf den Hals gezogen. Beyde ſterben durch die Schuld ihrer naͤchſten
Anverwandten, in einem Alter, darinnen ſie erſt haͤtten der Fruͤchte ihrer muͤhſa-
men Jugend genieſſen ſollen, und das ſie vielleicht viel hoͤher gebracht haͤtten, wenn
ſie ſich nicht ſo hervorgethan. Aber es wuͤrde im menſchlichen Leben viel groſſes
unterbleiben, wenn die Sterblichen vorher ſaͤhen, wo ihr Unternehmen hinaus
lauffen werde. tacitvs ruͤhmet Arminium, als einen Printzen, der den
Griechiſchen, und Roͤmiſchen Helden, an die Seite zu ſetzen: der die Roͤmer zu ei-
ner Zeit, da ihre Macht am groͤſten, angegriffen, und die Freyheit ſeines Vater-
landes, mit Gluͤcke und Ungluͤcke, ſtandhafft behauptet2. Die Teutſchen Voͤl-
cker haben auch ſeine vermeynete Herrſchſucht bald vergeſſen: und laͤnger im An-
dencken behalten, was ſie ſeinen groſſen Eigenſchafften zu dancken, als was ſie von
ſelbigen zu fuͤrchten gehabt. tacitvs gedencket der Lieder, darinnen ſelbige
beſungen worden3. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die beruͤhmte Jrmenſeul, die
Carolus M. zu Ehresburg zerſtoͤhret, nichts anders, als eine Gedaͤchtniß-Seule,

geweſen,
[Beginn Spaltensatz] m. ivnio silano, et l. norbano
coss. a. c.
19.
1 §. XXI. 1. tacitvs Ann. L. II. c. 88.
2 tacitvs Ann. L. II. c. 88. Liberator haud
[Spaltenumbruch] dubie Germaniae, & qui non primordia populi Ro-
mani, ſicut alii reges, ducesque, ſed florentiſſimum
imperium laceſſierit; proeliis ambiguus, bello non
invictus, ſeptem & triginta annos uitae, duodecim

[Ende Spaltensatz]
potentiae
3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0136" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Ge&#x017F;chichte der Teut&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
zum be&#x017F;ten aus. Je mehr dadurch &#x017F;ein Ruhm und An&#x017F;ehen war befe&#x017F;tiget worden,<lb/>
ie angenehmer kam ihm das Commando vor. Wie verhaßt er einigen &#x017F;einer Nach-<lb/>
barn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, kan man zum Theile daraus &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, daß <hi rendition="#aq">Adgande-<lb/>
&#x017F;trius,</hi> ein Fu&#x0364;r&#x017F;t der Catten, &#x017F;ich gegen <hi rendition="#aq">Tiberium</hi> erbothen, <hi rendition="#aq">Arminium</hi> zu ver-<lb/>
geben, wenn man ihm dazu Gifft von Rom &#x017F;chicken wollte.<note place="foot" n="&#x2020;"><cb type="start"/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">m. ivnio silano, et l. norbano<lb/>
coss. a. c.</hi></hi></hi> 19.</note> Wobey ich nicht<lb/>
weiß, ob man mehr die Niedertra&#x0364;chtigkeit die&#x017F;er Verra&#x0364;therey verfluchen, oder die<lb/>
ehrliche Einfalt, der damahligen Zeiten in Teut&#x017F;chland, loben &#x017F;oll, da ein Fu&#x0364;r&#x017F;t,<lb/>
der den andern will vergeben la&#x017F;&#x017F;en, das Gifft nicht anders als von Rom haben<lb/>
kan. So gerne <hi rendition="#aq">Tiberius</hi> &#x017F;ahe, daß die Teut&#x017F;chen &#x017F;ich, ohne Gefahr der Ro&#x0364;mer,<lb/>
untereinander aufreiben mo&#x0364;chten, &#x017F;o großmu&#x0364;thig &#x017F;chlug er die&#x017F;es Anerbiethen aus,<lb/>
vielleicht in der Meynung, wenn der Haß gegen <hi rendition="#aq">Arminium</hi> bey <hi rendition="#aq">Adgande&#x017F;trio</hi> &#x017F;o<lb/>
groß wa&#x0364;re, als er vorga&#x0364;be, wu&#x0364;rde er &#x017F;chon, ohne Gifft, Mittel finden, ihn aus dem<lb/>
Wege zu ra&#x0364;umen. Und in der That i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Arminius,</hi> bald darauf durch Verra&#x0364;the-<lb/>
rey &#x017F;einer na&#x0364;ch&#x017F;ten Freunde, ums Leben gekommen. Denn er mag wu&#x0364;rcklich nach<lb/>
einer Ko&#x0364;niglichen Gewalt getrachtet haben, oder un&#x017F;chuldig in &#x017F;olchen Verdacht<lb/>
gerathen &#x017F;eyn, &#x017F;o i&#x017F;t es einmahl daru&#x0364;ber zum Kriege gekommen, der Anfangs mit<lb/>
abwech&#x017F;elndem Glu&#x0364;cke gefu&#x0364;hret ward. Wie aus dem, was mit <hi rendition="#aq">Sege&#x017F;te,</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">Inguiomaro,</hi> fu&#x0364;rgegangen, genug&#x017F;am erhellet, was fu&#x0364;r Verbitterung in &#x017F;einem<lb/>
eigenen Hau&#x017F;e gewe&#x017F;en, &#x017F;o i&#x017F;t de&#x017F;to weniger zu bewundern, daß &#x017F;ich einige den Haß,<lb/>
bis zu &#x017F;einer Ermordung, haben verleiten la&#x017F;&#x017F;en. Er war &#x017F;ieben und dreyßig Jahr<lb/>
alt, als er &#x017F;einen Gei&#x017F;t aufgeben mu&#x017F;te, und hatte &#x017F;eit dem fu&#x0364;nff und zwantzig&#x017F;ten<lb/>
commandiret<note place="foot" n="1">§. <hi rendition="#aq">XXI</hi>. 1. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tacitvs</hi></hi> Ann. L. II. c.</hi> 88.</note>. So u&#x0364;bele Folgerungen haben &#x017F;o wohl bey <hi rendition="#aq">Germanico,</hi> als bey<lb/><hi rendition="#aq">Arminio,</hi> ihr Glu&#x0364;ck und Tapfferkeit gehabt, indem &#x017F;ie dem einen den Haß des<lb/>
Ka&#x0364;i&#x017F;ers, dem anderen die Eiffer&#x017F;ucht &#x017F;eines Volcks vor die Freyheit, die er &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erhalten, auf den Hals gezogen. Beyde &#x017F;terben durch die Schuld ihrer na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Anverwandten, in einem Alter, darinnen &#x017F;ie er&#x017F;t ha&#x0364;tten der Fru&#x0364;chte ihrer mu&#x0364;h&#x017F;a-<lb/>
men Jugend genie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen, und das &#x017F;ie vielleicht viel ho&#x0364;her gebracht ha&#x0364;tten, wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nicht &#x017F;o hervorgethan. Aber es wu&#x0364;rde im men&#x017F;chlichen Leben viel gro&#x017F;&#x017F;es<lb/>
unterbleiben, wenn die Sterblichen vorher &#x017F;a&#x0364;hen, wo ihr Unternehmen hinaus<lb/>
lauffen werde. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tacitvs</hi></hi></hi> ru&#x0364;hmet <hi rendition="#aq">Arminium,</hi> als einen Printzen, der den<lb/>
Griechi&#x017F;chen, und Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Helden, an die Seite zu &#x017F;etzen: der die Ro&#x0364;mer zu ei-<lb/>
ner Zeit, da ihre Macht am gro&#x0364;&#x017F;ten, angegriffen, und die Freyheit &#x017F;eines Vater-<lb/>
landes, mit Glu&#x0364;cke und Unglu&#x0364;cke, &#x017F;tandhafft behauptet<note xml:id="FN136_02_01" next="#FN136_02_02" place="foot" n="2"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tacitvs</hi></hi> Ann. L. II. c. 88. <hi rendition="#i">Liberator haud<lb/><cb/>
dubie Germaniae, &amp; qui non primordia populi Ro-<lb/>
mani, &#x017F;icut alii reges, ducesque, &#x017F;ed florenti&#x017F;&#x017F;imum<lb/>
imperium lace&#x017F;&#x017F;ierit; proeliis ambiguus, bello non<lb/>
invictus, &#x017F;eptem &amp; triginta annos uitae, duodecim</hi></hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">potentiae</hi></hi></fw><cb type="end"/></note>. Die Teut&#x017F;chen Vo&#x0364;l-<lb/>
cker haben auch &#x017F;eine vermeynete Herr&#x017F;ch&#x017F;ucht bald verge&#x017F;&#x017F;en: und la&#x0364;nger im An-<lb/>
dencken behalten, was &#x017F;ie &#x017F;einen gro&#x017F;&#x017F;en Eigen&#x017F;chafften zu dancken, als was &#x017F;ie von<lb/>
&#x017F;elbigen zu fu&#x0364;rchten gehabt. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tacitvs</hi></hi></hi> gedencket der Lieder, darinnen &#x017F;elbige<lb/>
be&#x017F;ungen worden<note xml:id="FN136_03_01" next="#FN136_03_02" place="foot" n="3"/><note type="editorial">Der Fußnotentext befindet sich auf der nächsten Seite.</note>. Es i&#x017F;t &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich, daß die beru&#x0364;hmte Jrmen&#x017F;eul, die<lb/><hi rendition="#aq">Carolus M.</hi> zu Ehresburg zer&#x017F;to&#x0364;hret, nichts anders, als eine Geda&#x0364;chtniß-Seule,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gewe&#x017F;en,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0136] Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen zum beſten aus. Je mehr dadurch ſein Ruhm und Anſehen war befeſtiget worden, ie angenehmer kam ihm das Commando vor. Wie verhaßt er einigen ſeiner Nach- barn muͤſſe geweſen ſeyn, kan man zum Theile daraus ſchlieſſen, daß Adgande- ſtrius, ein Fuͤrſt der Catten, ſich gegen Tiberium erbothen, Arminium zu ver- geben, wenn man ihm dazu Gifft von Rom ſchicken wollte. † Wobey ich nicht weiß, ob man mehr die Niedertraͤchtigkeit dieſer Verraͤtherey verfluchen, oder die ehrliche Einfalt, der damahligen Zeiten in Teutſchland, loben ſoll, da ein Fuͤrſt, der den andern will vergeben laſſen, das Gifft nicht anders als von Rom haben kan. So gerne Tiberius ſahe, daß die Teutſchen ſich, ohne Gefahr der Roͤmer, untereinander aufreiben moͤchten, ſo großmuͤthig ſchlug er dieſes Anerbiethen aus, vielleicht in der Meynung, wenn der Haß gegen Arminium bey Adgandeſtrio ſo groß waͤre, als er vorgaͤbe, wuͤrde er ſchon, ohne Gifft, Mittel finden, ihn aus dem Wege zu raͤumen. Und in der That iſt Arminius, bald darauf durch Verraͤthe- rey ſeiner naͤchſten Freunde, ums Leben gekommen. Denn er mag wuͤrcklich nach einer Koͤniglichen Gewalt getrachtet haben, oder unſchuldig in ſolchen Verdacht gerathen ſeyn, ſo iſt es einmahl daruͤber zum Kriege gekommen, der Anfangs mit abwechſelndem Gluͤcke gefuͤhret ward. Wie aus dem, was mit Segeſte, und Inguiomaro, fuͤrgegangen, genugſam erhellet, was fuͤr Verbitterung in ſeinem eigenen Hauſe geweſen, ſo iſt deſto weniger zu bewundern, daß ſich einige den Haß, bis zu ſeiner Ermordung, haben verleiten laſſen. Er war ſieben und dreyßig Jahr alt, als er ſeinen Geiſt aufgeben muſte, und hatte ſeit dem fuͤnff und zwantzigſten commandiret 1. So uͤbele Folgerungen haben ſo wohl bey Germanico, als bey Arminio, ihr Gluͤck und Tapfferkeit gehabt, indem ſie dem einen den Haß des Kaͤiſers, dem anderen die Eifferſucht ſeines Volcks vor die Freyheit, die er ſelbſt erhalten, auf den Hals gezogen. Beyde ſterben durch die Schuld ihrer naͤchſten Anverwandten, in einem Alter, darinnen ſie erſt haͤtten der Fruͤchte ihrer muͤhſa- men Jugend genieſſen ſollen, und das ſie vielleicht viel hoͤher gebracht haͤtten, wenn ſie ſich nicht ſo hervorgethan. Aber es wuͤrde im menſchlichen Leben viel groſſes unterbleiben, wenn die Sterblichen vorher ſaͤhen, wo ihr Unternehmen hinaus lauffen werde. tacitvs ruͤhmet Arminium, als einen Printzen, der den Griechiſchen, und Roͤmiſchen Helden, an die Seite zu ſetzen: der die Roͤmer zu ei- ner Zeit, da ihre Macht am groͤſten, angegriffen, und die Freyheit ſeines Vater- landes, mit Gluͤcke und Ungluͤcke, ſtandhafft behauptet 2. Die Teutſchen Voͤl- cker haben auch ſeine vermeynete Herrſchſucht bald vergeſſen: und laͤnger im An- dencken behalten, was ſie ſeinen groſſen Eigenſchafften zu dancken, als was ſie von ſelbigen zu fuͤrchten gehabt. tacitvs gedencket der Lieder, darinnen ſelbige beſungen worden 3. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die beruͤhmte Jrmenſeul, die Carolus M. zu Ehresburg zerſtoͤhret, nichts anders, als eine Gedaͤchtniß-Seule, geweſen, † m. ivnio silano, et l. norbano coss. a. c. 19. 1 §. XXI. 1. tacitvs Ann. L. II. c. 88. 2 tacitvs Ann. L. II. c. 88. Liberator haud dubie Germaniae, & qui non primordia populi Ro- mani, ſicut alii reges, ducesque, ſed florentiſſimum imperium laceſſierit; proeliis ambiguus, bello non invictus, ſeptem & triginta annos uitae, duodecim potentiae 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ergänzungsvorschlag vom DWB [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/136
Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/136>, abgerufen am 21.11.2024.