Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.Viertes Buch. Geschichte der Teutschen die Rheinischen Legionen sich lencken würden. Verginius Rufus commandirete inOber-Germanien, Fonteius Capito am Nieder-Rheine. Der erste war der Unruhe am nächsten, und wollte nicht geschehen lassen, daß die Verhängnisse des Römi- chen Reichs in der Gallier Händen stehen sollten. Er zog also wieder Vindicem aus, und als unterwegens die Haupt-Stadt unter den Sequanis, Besancon, die Thore für ihm sperrete, belagerte er sie. Vindex kam sie zu entsetzen: und da wurden Anfangs unter beyden Häuptern allerhand Tractaten schrifftlich fürge- nommen, bis sie sich endlich persöhnlich mit einander in geheim besprachen, da Ver- ginius Rufus, wie man ihn nachmahls in Verdacht gehabt, sich zu einer Verän- derung nicht ungeneigt soll bezeuget haben. Es kam aber dem ungeachtet, ohne daß es die beyden Heerführer verhindern können, zwischen beyden Armeen zur Schlacht, und die Legionen fochten mit solcher Wuth, daß 20000 Gallier auf dem Platze geblieben4. Welcher unglückliche Anfang Vindicem dergestalt bestürtzete, daß er sich, für Unmuth, selbst das Leben nahm5 . XXXVII. Es endigte sich aber deswegen der Aufstand nicht. Vindex XXXIIX. Nero hatte die erste Nachricht von Vindicis Aufruhre zu Nea- nem 4 [Beginn Spaltensatz]
dio L. LXIII. p. 725. D. Quumque Vindex eo animo esset, Rufus, qui Germaniam obtinebat, in- de profectus est, ut Vindici bellum inferret. Is post- quam Vesontionem uenit, coepit eam urbem obsidere, quod ab ea non fuisset exceptus. Vindex ad opem urbi ferendam contendit, nec procul castra posuit. Tandem ambo, missis ad se litteris, in colloquium soli [Spaltenumbruch] uenerunt, remotis arbitris. Ibi suspicio fuit, eos una contra Neronem coniurasse. Post haec Vindex properat cum exercitu, quasi statuisset urbem cape- re, quorum aduentum ubi cognoscunt milites Rufi, rati, eos aperte contra se uenire, iniussi impetum fa- ciunt, imparatosque, & parum instructos, inuadunt, ac postremo magnum numerum eorum concidunt. [Ende Spaltensatz] 5. plv- 5 *
Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen die Rheiniſchen Legionen ſich lencken wuͤrden. Verginius Rufus commandirete inOber-Germanien, Fonteius Capito am Nieder-Rheine. Der erſte war der Unꝛuhe am naͤchſten, und wollte nicht geſchehen laſſen, daß die Verhaͤngniſſe des Roͤmi- chen Reichs in der Gallier Haͤnden ſtehen ſollten. Er zog alſo wieder Vindicem aus, und als unterwegens die Haupt-Stadt unter den Sequanis, Beſançon, die Thore fuͤr ihm ſperrete, belagerte er ſie. Vindex kam ſie zu entſetzen: und da wurden Anfangs unter beyden Haͤuptern allerhand Tractaten ſchrifftlich fuͤrge- nommen, bis ſie ſich endlich perſoͤhnlich mit einander in geheim beſprachen, da Ver- ginius Rufus, wie man ihn nachmahls in Verdacht gehabt, ſich zu einer Veraͤn- derung nicht ungeneigt ſoll bezeuget haben. Es kam aber dem ungeachtet, ohne daß es die beyden Heerfuͤhrer verhindern koͤnnen, zwiſchen beyden Armeen zur Schlacht, und die Legionen fochten mit ſolcher Wuth, daß 20000 Gallier auf dem Platze geblieben4. Welcher ungluͤckliche Anfang Vindicem dergeſtalt beſtuͤrtzete, daß er ſich, fuͤr Unmuth, ſelbſt das Leben nahm5 . XXXVII. Es endigte ſich aber deswegen der Aufſtand nicht. Vindex XXXIIX. Nero hatte die erſte Nachricht von Vindicis Aufruhre zu Nea- nem 4 [Beginn Spaltensatz]
dio L. LXIII. p. 725. D. Quumque Vindex eo animo eſſet, Rufus, qui Germaniam obtinebat, in- de profectus eſt, ut Vindici bellum inferret. Is poſt- quam Veſontionem uenit, coepit eam urbem obſidere, quod ab ea non fuiſſet exceptus. Vindex ad opem urbi ferendam contendit, nec procul caſtra poſuit. Tandem ambo, miſſis ad ſe litteris, in colloquium ſoli [Spaltenumbruch] uenerunt, remotis arbitris. Ibi ſuſpicio fuit, eos una contra Neronem coniuraſſe. Poſt haec Vindex properat cum exercitu, quaſi ſtatuiſſet urbem cape- re, quorum aduentum ubi cognoſcunt milites Rufi, rati, eos aperte contra ſe uenire, iniuſſi impetum fa- ciunt, imparatosque, & parum inſtructos, inuadunt, ac poſtremo magnum numerum eorum concidunt. [Ende Spaltensatz] 5. plv- 5 *
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Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
die Rheiniſchen Legionen ſich lencken wuͤrden. Verginius Rufus commandirete in
Ober-Germanien, Fonteius Capito am Nieder-Rheine. Der erſte war der Unꝛuhe
am naͤchſten, und wollte nicht geſchehen laſſen, daß die Verhaͤngniſſe des Roͤmi-
chen Reichs in der Gallier Haͤnden ſtehen ſollten. Er zog alſo wieder Vindicem
aus, und als unterwegens die Haupt-Stadt unter den Sequanis, Beſançon,
die Thore fuͤr ihm ſperrete, belagerte er ſie. Vindex kam ſie zu entſetzen: und da
wurden Anfangs unter beyden Haͤuptern allerhand Tractaten ſchrifftlich fuͤrge-
nommen, bis ſie ſich endlich perſoͤhnlich mit einander in geheim beſprachen, da Ver-
ginius Rufus, wie man ihn nachmahls in Verdacht gehabt, ſich zu einer Veraͤn-
derung nicht ungeneigt ſoll bezeuget haben. Es kam aber dem ungeachtet, ohne
daß es die beyden Heerfuͤhrer verhindern koͤnnen, zwiſchen beyden Armeen zur
Schlacht, und die Legionen fochten mit ſolcher Wuth, daß 20000 Gallier auf dem
Platze geblieben 4. Welcher ungluͤckliche Anfang Vindicem dergeſtalt beſtuͤrtzete,
daß er ſich, fuͤr Unmuth, ſelbſt das Leben nahm 5.
XXXVII. Es endigte ſich aber deswegen der Aufſtand nicht. Vindex
hatte wohl erkannt, daß er, um die Roͤmer zu bewegen, einen Roͤmer vorſchieben muͤ-
ſte, und ſich mit Sulpitio Galba eingelaſſen, der in Spanien commandirete, und
durchgehends geruͤhmet ward, daß er alle Eigenſchafften, die zum Regiment er-
fordert werden, beſaͤſſe. Galba erklaͤrete ſich oͤffentlich wie der Neronem, woll-
te aber nicht den Namen Caeſar annehmen, ſondern nennete ſich legatum S. P. Q.
Romani. Gantz Spanien fiel ihm begierig zu, und inſonderheit M. Salvius
Otho, Landpfleger von Luſitanien, der all ſein Silbergeſchirre zu Galbae Dien-
ſten in die Muͤntze gab. Die Ober-Rheiniſche Armee, die aus drey Legionen be-
ſtund, fiel faſt um eben die Zeit ab. Die Soldaten riſſen Neronis Bildniß
von ihren Heerzeichen, und traten ſie mit Fuͤſſen. Sie hatten aber auch wenig Luſt zu
Galba, weil es zu geringe ſchien, daß ſich eine Legion das Kaͤiſerthum zu vergeben
unterſtehen wollen; und trugen es Verginio an. Dieſer aber wegerte ſich beſtaͤn-
dig, und vermochte mit vieler Muͤhe die Soldaten, den Ausſchlag vom Rathe zu er-
warten: entweder weil er wuͤrcklich nicht ſo viel Ehrgeitz hatte, das Kaͤiſerthum
an ſich zu reiſſen, oder weil er hoffete, daß er es ſchon noch ſelbſt mit Zuthun des
Raths, dem dieſe Ehrerbietung nothwendig gefallen muͤſte, erhalten koͤnne. *
Sulpitius
Galba wirfft
ſich in Spani-
en zum Kaͤiſer
auf.
XXXIIX. Nero hatte die erſte Nachricht von Vindicis Aufruhre zu Nea-
polis gekriegt †, und ihn ſo geringe gehalten, daß ihm nichts in der Schrifft, dadurch
Vindex ſeine Waffen rechtfertigen wollen, ſo empfindlich gefallen, als daß
er ſeiner eingebildeten Vortrefflichkeit in der Muſic geſpottet. Als er aber in Rom,
auch die Nachricht aus Spanien, von Galbae Abfalle bekommen, fing er an zu ei-
nem
Und wiꝛd nach
Neronis To-
de in Rom da-
fuͤr erkannt.
† circa d. XX.
Mart.
4
dio L. LXIII. p. 725. D. Quumque Vindex
eo animo eſſet, Rufus, qui Germaniam obtinebat, in-
de profectus eſt, ut Vindici bellum inferret. Is poſt-
quam Veſontionem uenit, coepit eam urbem obſidere,
quod ab ea non fuiſſet exceptus. Vindex ad opem
urbi ferendam contendit, nec procul caſtra poſuit.
Tandem ambo, miſſis ad ſe litteris, in colloquium ſoli
uenerunt, remotis arbitris. Ibi ſuſpicio fuit, eos
una contra Neronem coniuraſſe. Poſt haec Vindex
properat cum exercitu, quaſi ſtatuiſſet urbem cape-
re, quorum aduentum ubi cognoſcunt milites Rufi,
rati, eos aperte contra ſe uenire, iniuſſi impetum fa-
ciunt, imparatosque, & parum inſtructos, inuadunt,
ac poſtremo magnum numerum eorum concidunt.
5. plv-
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