Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.Zehndtes Buch. Geschichte der Teutschen, Francken an der Waal, und in Belgica secunda gesetzet. Die Truppenund Landschafften aber, so bis dahin der Römer Herrschafft und Namen noch erhalten, wissen wegen Ungewißheit derer Reichs-Geschäffte nicht, was sie für eine Partie ergreiffen sollen, bis Chlodouei Tapfferkeit ihnen diesen Zweifel benimmt. XLI. Die Geschichte dieser neuen Reiche können uns einigen Begriff von Provintzen, 1 [Beginn Spaltensatz]
§. XLI. 1. S. oben L. II. §. XXXVII. 2 Cons. L. IX. §. XLIX. 3 salvianvs handelt gar offt hiervon: Unter andern p. 88. Porro autem quantum ad conuersationem Gothorum aut Wandaloruns per- tinet, quid est in quo eis aut praeponere nos aut etiam comparare possimus? Ac primum ut de af- fectu & caritate dicam, (quam praecipuam domi- nus docet esse uirtutem, & quam non solum per omnes scripturas sacras, sed etiam, per se ipse commendat, dicens: In hoc scietur quod discipuli mei estis, si uos inuicem diligatis,) omnes se fere [Spaltenumbruch] barbari, qui modo sunt unius gentis & regis, mu- tuo amant, omnes pene Romani se mutuo perse- quuntur. Quis enim ciuis non inuidet ciui? quis plenam uicino exhibet caritatem? omnes quippe a se, etsi loco non absunt, affectu absunt; etsi ha- bitatione iunguntur, mente disiuncti sunt. 4 idem p. 90. Inter haec uastantur paupe-
res, uiduae gemunt, orphani proculcantur, in tantum, ut multi eorum & non obscuris natalibus editi, & liberaliter instituti, ad hostes fugiant, ne persecutionis publicae afflictione moriantur; quaerentes scilicet apud barbaros Romanam huma- nitatem, quia apud Romanos barbaram inhuma- [Ende Spaltensatz] nitatem Zehndtes Buch. Geſchichte der Teutſchen, Francken an der Waal, und in Belgica ſecunda geſetzet. Die Truppenund Landſchafften aber, ſo bis dahin der Roͤmer Herrſchafft und Namen noch erhalten, wiſſen wegen Ungewißheit derer Reichs-Geſchaͤffte nicht, was ſie fuͤr eine Partie ergreiffen ſollen, bis Chlodouei Tapfferkeit ihnen dieſen Zweifel benimmt. XLI. Die Geſchichte dieſer neuen Reiche koͤnnen uns einigen Begriff von Provintzen, 1 [Beginn Spaltensatz]
§. XLI. 1. S. oben L. II. §. XXXVII. 2 Conſ. L. IX. §. XLIX. 3 salvianvs handelt gar offt hiervon: Unter andern p. 88. Porro autem quantum ad conuerſationem Gothorum aut Wandaloruns per- tinet, quid eſt in quo eis aut praeponere nos aut etiam comparare poſſimus? Ac primum ut de af- fectu & caritate dicam, (quam praecipuam domi- nus docet eſſe uirtutem, & quam non ſolum per omnes ſcripturas ſacras, ſed etiam, per ſe ipſe commendat, dicens: In hoc ſcietur quod diſcipuli mei eſtis, ſi uos inuicem diligatis,) omnes ſe fere [Spaltenumbruch] barbari, qui modo ſunt unius gentis & regis, mu- tuo amant, omnes pene Romani ſe mutuo perſe- quuntur. Quis enim ciuis non inuidet ciui? quis plenam uicino exhibet caritatem? omnes quippe a ſe, etſi loco non abſunt, affectu abſunt; etſi ha- bitatione iunguntur, mente disiuncti ſunt. 4 idem p. 90. Inter haec uaſtantur paupe-
res, uiduae gemunt, orphani proculcantur, in tantum, ut multi eorum & non obſcuris natalibus editi, & liberaliter inſtituti, ad hoſtes fugiant, ne perſecutionis publicae afflictione moriantur; quaerentes ſcilicet apud barbaros Romanam huma- nitatem, quia apud Romanos barbaram inhuma- [Ende Spaltensatz] nitatem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0540" n="506"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zehndtes Buch. Geſchichte der Teutſchen,</hi></fw><lb/> Francken an der Waal, und in <hi rendition="#aq">Belgica ſecunda</hi> geſetzet. Die Truppen<lb/> und Landſchafften aber, ſo bis dahin der Roͤmer Herrſchafft und Namen<lb/> noch erhalten, wiſſen wegen Ungewißheit derer Reichs-Geſchaͤffte nicht, was<lb/> ſie fuͤr eine Partie ergreiffen ſollen, bis <hi rendition="#aq">Chlodouei</hi> Tapfferkeit ihnen dieſen<lb/> Zweifel benimmt.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">XLI.</hi> Die Geſchichte dieſer neuen Reiche koͤnnen uns einigen Begriff von<lb/><note place="left"><hi rendition="#g">Gedancken</hi><lb/> uͤber die Stiff-<lb/> tung der Teut-<lb/> ſchen Reiche in<lb/> den Roͤmiſchẽ<lb/> Provintzen.</note>denen noch aͤlteren Migrationen der Voͤlcker, die in der Hiſtorie angemercket<lb/> ſind, beybringen. Wir wollen dabey zuletzt noch einige Betrachtungen uͤber<lb/> die Umſtaͤnde, ſo die Errichtung derſelben befoͤrdert, und uͤber die Wuͤrckun-<lb/> gen ſolcher Veraͤnderung, beyfuͤgen. Bey den erſtern hat das gantze Chriſt-<lb/> liche Alterthum den Finger Gottes verehret; einige neuere aber ſind zu verwe-<lb/> gen geweſen, und haben von iedem Verhaͤngniß, die abſonderlichen Urſachen<lb/> anzeigen wollen, wobey ſie vielmal in ungereimten Wiederſpruch verwickelt<lb/> worden. Die Umſtaͤnde aber, deren Zuſammenfuͤgung dem Himmel hierbey<lb/> dienen muͤſſen, ereignen ſich theils an Seiten der Teutſchen, theils an Sei-<lb/> ten des Roͤmiſchen Reichs. Die bisherige Folge, der Geſchichte zeiget zur<lb/> Gnuͤge, wie unerſchoͤpfft die Teutſchen, ſowohl an Mannſchafft, als Begier-<lb/> de zum Kriege und Tapfferkeit im Felde geweſen. Jhre Leibes-Staͤrcke,<lb/> ihre Erziehung, und gantze Lebens-Art lenckete ſie dahin. Hierzu kam, daß<lb/> ſie vielmal die Noth auszuziehen zwang, vielmals aber die Begierde nach<lb/> Ruhm, wie gar offt die Freyheit großmuͤthige Anſchlaͤge einfloͤſſet und unter-<lb/> haͤlt, ſie darzu anreitzete. Was konnten denn alſo ſolche Voͤlcker, die ſo viel<lb/> Soldaten zehleten, als Manns-Perſonen unter ihnen waren, bey der Ver-<lb/> meſſenheit, damit ſie dem Tode trotzeten, nicht ausrichten<note place="foot" n="1"><cb type="start"/> §. <hi rendition="#aq">XLI</hi>. 1. S. oben <hi rendition="#aq">L. II. §. XXXVII.</hi></note>? Weil ſie nun<lb/> mit Weib und Kindern auszuziehen pflegten, konnte ein Heer, wo es ſich ſetz-<lb/> te, ſo fort ein neues Volck, und der Fuͤrſt, der es angefuͤhret, ein eigen Koͤ-<lb/> nigreich formiren. Durch die vielen Kriege hatten ſie zugleich die Kuͤnſte und<lb/> Vortheile des Krieges begriffen, und nicht allein uͤberwinden, ſondern auch,<lb/> was ſie erobert behalten, gelernet<note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Conſ. L. IX. §. XLIX.</hi></note>. Die Roͤmer hingegen, ſo die Liebe ihrer<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Provintzen,</fw><lb/><note xml:id="FN540_03_01" next="#FN540_03_02" place="foot" n="3"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">salvianvs</hi></hi></hi> handelt gar offt hiervon:<lb/> Unter andern <hi rendition="#aq">p. 88. <hi rendition="#i">Porro autem quantum ad<lb/> conuerſationem Gothorum aut Wandaloruns per-<lb/> tinet, quid eſt in quo eis aut praeponere nos aut<lb/> etiam comparare poſſimus? Ac primum ut de af-<lb/> fectu & caritate dicam,</hi> (<hi rendition="#i">quam praecipuam domi-<lb/> nus docet eſſe uirtutem, & quam non ſolum per<lb/> omnes ſcripturas ſacras, ſed etiam, per ſe ipſe<lb/> commendat, dicens: In hoc ſcietur quod diſcipuli<lb/> mei eſtis, ſi uos inuicem diligatis,</hi>) <hi rendition="#i">omnes ſe fere<lb/><cb/> barbari, qui modo ſunt unius gentis & regis, mu-<lb/> tuo amant, omnes pene Romani ſe mutuo perſe-<lb/> quuntur. Quis enim ciuis non inuidet ciui? quis<lb/> plenam uicino exhibet caritatem? omnes quippe a<lb/> ſe, etſi loco non abſunt, affectu abſunt; etſi ha-<lb/> bitatione iunguntur, mente disiuncti ſunt</hi>.</hi><note type="editorial">Die Fußnotenreferenz befindet sich auf der nächsten Seite.</note></note><lb/><note xml:id="FN540_04_01" next="#FN540_04_02" place="foot" n="4"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">idem</hi></hi> p. 90. <hi rendition="#i">Inter haec uaſtantur paupe-<lb/> res, uiduae gemunt, orphani proculcantur, in<lb/> tantum, ut multi eorum & non obſcuris natalibus<lb/> editi, & liberaliter inſtituti, ad hoſtes fugiant,<lb/> ne perſecutionis publicae afflictione moriantur;<lb/> quaerentes ſcilicet apud barbaros Romanam huma-<lb/> nitatem, quia apud Romanos barbaram inhuma-</hi></hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">nitatem</hi></hi></fw><cb type="end"/><note type="editorial">Die Fußnotenreferenz befindet sich auf der nächsten Seite.</note></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [506/0540]
Zehndtes Buch. Geſchichte der Teutſchen,
Francken an der Waal, und in Belgica ſecunda geſetzet. Die Truppen
und Landſchafften aber, ſo bis dahin der Roͤmer Herrſchafft und Namen
noch erhalten, wiſſen wegen Ungewißheit derer Reichs-Geſchaͤffte nicht, was
ſie fuͤr eine Partie ergreiffen ſollen, bis Chlodouei Tapfferkeit ihnen dieſen
Zweifel benimmt.
XLI. Die Geſchichte dieſer neuen Reiche koͤnnen uns einigen Begriff von
denen noch aͤlteren Migrationen der Voͤlcker, die in der Hiſtorie angemercket
ſind, beybringen. Wir wollen dabey zuletzt noch einige Betrachtungen uͤber
die Umſtaͤnde, ſo die Errichtung derſelben befoͤrdert, und uͤber die Wuͤrckun-
gen ſolcher Veraͤnderung, beyfuͤgen. Bey den erſtern hat das gantze Chriſt-
liche Alterthum den Finger Gottes verehret; einige neuere aber ſind zu verwe-
gen geweſen, und haben von iedem Verhaͤngniß, die abſonderlichen Urſachen
anzeigen wollen, wobey ſie vielmal in ungereimten Wiederſpruch verwickelt
worden. Die Umſtaͤnde aber, deren Zuſammenfuͤgung dem Himmel hierbey
dienen muͤſſen, ereignen ſich theils an Seiten der Teutſchen, theils an Sei-
ten des Roͤmiſchen Reichs. Die bisherige Folge, der Geſchichte zeiget zur
Gnuͤge, wie unerſchoͤpfft die Teutſchen, ſowohl an Mannſchafft, als Begier-
de zum Kriege und Tapfferkeit im Felde geweſen. Jhre Leibes-Staͤrcke,
ihre Erziehung, und gantze Lebens-Art lenckete ſie dahin. Hierzu kam, daß
ſie vielmal die Noth auszuziehen zwang, vielmals aber die Begierde nach
Ruhm, wie gar offt die Freyheit großmuͤthige Anſchlaͤge einfloͤſſet und unter-
haͤlt, ſie darzu anreitzete. Was konnten denn alſo ſolche Voͤlcker, die ſo viel
Soldaten zehleten, als Manns-Perſonen unter ihnen waren, bey der Ver-
meſſenheit, damit ſie dem Tode trotzeten, nicht ausrichten 1? Weil ſie nun
mit Weib und Kindern auszuziehen pflegten, konnte ein Heer, wo es ſich ſetz-
te, ſo fort ein neues Volck, und der Fuͤrſt, der es angefuͤhret, ein eigen Koͤ-
nigreich formiren. Durch die vielen Kriege hatten ſie zugleich die Kuͤnſte und
Vortheile des Krieges begriffen, und nicht allein uͤberwinden, ſondern auch,
was ſie erobert behalten, gelernet 2. Die Roͤmer hingegen, ſo die Liebe ihrer
Provintzen,
3
4
Gedancken
uͤber die Stiff-
tung der Teut-
ſchen Reiche in
den Roͤmiſchẽ
Provintzen.
1
§. XLI. 1. S. oben L. II. §. XXXVII.
2 Conſ. L. IX. §. XLIX.
3 salvianvs handelt gar offt hiervon:
Unter andern p. 88. Porro autem quantum ad
conuerſationem Gothorum aut Wandaloruns per-
tinet, quid eſt in quo eis aut praeponere nos aut
etiam comparare poſſimus? Ac primum ut de af-
fectu & caritate dicam, (quam praecipuam domi-
nus docet eſſe uirtutem, & quam non ſolum per
omnes ſcripturas ſacras, ſed etiam, per ſe ipſe
commendat, dicens: In hoc ſcietur quod diſcipuli
mei eſtis, ſi uos inuicem diligatis,) omnes ſe fere
barbari, qui modo ſunt unius gentis & regis, mu-
tuo amant, omnes pene Romani ſe mutuo perſe-
quuntur. Quis enim ciuis non inuidet ciui? quis
plenam uicino exhibet caritatem? omnes quippe a
ſe, etſi loco non abſunt, affectu abſunt; etſi ha-
bitatione iunguntur, mente disiuncti ſunt.
4 idem p. 90. Inter haec uaſtantur paupe-
res, uiduae gemunt, orphani proculcantur, in
tantum, ut multi eorum & non obſcuris natalibus
editi, & liberaliter inſtituti, ad hoſtes fugiant,
ne perſecutionis publicae afflictione moriantur;
quaerentes ſcilicet apud barbaros Romanam huma-
nitatem, quia apud Romanos barbaram inhuma-
nitatem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeErgänzungsvorschlag vom DWB [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |