Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Wir brauchen nun Teppiche und Pfeifen für unsere
Zimmer. Wo kann man diese geliehen bekommen, Agha?"
fragte ich ihn.

"Herr, wenn du noch zwei solche Goldstücke giebst,
wirst du alles erhalten, was dein Herz begehrt."

"Hier hast du sie!"

"Ich eile, um euch zu bringen, was du brauchst."

Wir verließen den Garten. Im Hofe stand Mer-
sinah, die Seele des Palastes. Ihre Hände waren jetzt
von Ruß geschwärzt. Sie rührte mit dem Zeigefinger in
einem Gefäße voll zerlassener Butter.

"Emir, wirst du die Zimmer nehmen?" erkundigte
sie sich.

Bei dieser Frage mochte ihr einfallen, daß der Finger
kein integrierender Teil des Napfes sei; sie zog ihn also
heraus und strich ihn sehr behutsam an der herausgestreckten
Zunge ab.

"Ich werde sie behalten; auch den Schuppen und
den Garten."

"Er hat bereits alles bezahlt," bemerkte der Agha
nachdrücklich.

"Wie viel?" fragte sie.

"Fünfunddreißig Piaster für die erste Woche."

Von dem Bakschisch sagte der Schalk nichts. Ob er
wohl auch in dieser Beziehung unter dem Paputsch *)
seiner "Myrte" stand? Ich nahm noch eine Mahbub-
Zechine **) aus der Börse und gab sie ihr.

"Hier nimm, du Perle der Gastfreundschaft! Das
ist das erste Bakschisch für dich. Wenn wir mit dir zu-
frieden sind, wirst du mehr erhalten."

Sie griff höchst eilfertig zu und steckte das Geld in
ihren Gürtel.

*) Pantoffel.
**) Ungefähr fünf Mark.

„Wir brauchen nun Teppiche und Pfeifen für unſere
Zimmer. Wo kann man dieſe geliehen bekommen, Agha?“
fragte ich ihn.

„Herr, wenn du noch zwei ſolche Goldſtücke giebſt,
wirſt du alles erhalten, was dein Herz begehrt.“

„Hier haſt du ſie!“

„Ich eile, um euch zu bringen, was du brauchſt.“

Wir verließen den Garten. Im Hofe ſtand Mer-
ſinah, die Seele des Palaſtes. Ihre Hände waren jetzt
von Ruß geſchwärzt. Sie rührte mit dem Zeigefinger in
einem Gefäße voll zerlaſſener Butter.

„Emir, wirſt du die Zimmer nehmen?“ erkundigte
ſie ſich.

Bei dieſer Frage mochte ihr einfallen, daß der Finger
kein integrierender Teil des Napfes ſei; ſie zog ihn alſo
heraus und ſtrich ihn ſehr behutſam an der herausgeſtreckten
Zunge ab.

„Ich werde ſie behalten; auch den Schuppen und
den Garten.“

„Er hat bereits alles bezahlt,“ bemerkte der Agha
nachdrücklich.

„Wie viel?“ fragte ſie.

„Fünfunddreißig Piaſter für die erſte Woche.“

Von dem Bakſchiſch ſagte der Schalk nichts. Ob er
wohl auch in dieſer Beziehung unter dem Paputſch *)
ſeiner „Myrte“ ſtand? Ich nahm noch eine Mahbub-
Zechine **) aus der Börſe und gab ſie ihr.

„Hier nimm, du Perle der Gaſtfreundſchaft! Das
iſt das erſte Bakſchiſch für dich. Wenn wir mit dir zu-
frieden ſind, wirſt du mehr erhalten.“

Sie griff höchſt eilfertig zu und ſteckte das Geld in
ihren Gürtel.

*) Pantoffel.
**) Ungefähr fünf Mark.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0183" n="169"/>
        <p>&#x201E;Wir brauchen nun Teppiche und Pfeifen für un&#x017F;ere<lb/>
Zimmer. Wo kann man die&#x017F;e geliehen bekommen, Agha?&#x201C;<lb/>
fragte ich ihn.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr, wenn du noch zwei &#x017F;olche Gold&#x017F;tücke gieb&#x017F;t,<lb/>
wir&#x017F;t du alles erhalten, was dein Herz begehrt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hier ha&#x017F;t du &#x017F;ie!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich eile, um euch zu bringen, was du brauch&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wir verließen den Garten. Im Hofe &#x017F;tand Mer-<lb/>
&#x017F;inah, die Seele des Pala&#x017F;tes. Ihre Hände waren jetzt<lb/>
von Ruß ge&#x017F;chwärzt. Sie rührte mit dem Zeigefinger in<lb/>
einem Gefäße voll zerla&#x017F;&#x017F;ener Butter.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Emir, wir&#x017F;t du die Zimmer nehmen?&#x201C; erkundigte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich.</p><lb/>
        <p>Bei die&#x017F;er Frage mochte ihr einfallen, daß der Finger<lb/>
kein integrierender Teil des Napfes &#x017F;ei; &#x017F;ie zog ihn al&#x017F;o<lb/>
heraus und &#x017F;trich ihn &#x017F;ehr behut&#x017F;am an der herausge&#x017F;treckten<lb/>
Zunge ab.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich werde &#x017F;ie behalten; auch den Schuppen und<lb/>
den Garten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er hat bereits alles bezahlt,&#x201C; bemerkte der Agha<lb/>
nachdrücklich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie viel?&#x201C; fragte &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Fünfunddreißig Pia&#x017F;ter für die er&#x017F;te Woche.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Von dem Bak&#x017F;chi&#x017F;ch &#x017F;agte der Schalk nichts. Ob er<lb/>
wohl auch in die&#x017F;er Beziehung unter dem Paput&#x017F;ch <note place="foot" n="*)">Pantoffel.</note><lb/>
&#x017F;einer &#x201E;Myrte&#x201C; &#x017F;tand? Ich nahm noch eine Mahbub-<lb/>
Zechine <note place="foot" n="**)">Ungefähr fünf Mark.</note> aus der Bör&#x017F;e und gab &#x017F;ie ihr.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hier nimm, du Perle der Ga&#x017F;tfreund&#x017F;chaft! Das<lb/>
i&#x017F;t das er&#x017F;te Bak&#x017F;chi&#x017F;ch für dich. Wenn wir mit dir zu-<lb/>
frieden &#x017F;ind, wir&#x017F;t du mehr erhalten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie griff höch&#x017F;t eilfertig zu und &#x017F;teckte das Geld in<lb/>
ihren Gürtel.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0183] „Wir brauchen nun Teppiche und Pfeifen für unſere Zimmer. Wo kann man dieſe geliehen bekommen, Agha?“ fragte ich ihn. „Herr, wenn du noch zwei ſolche Goldſtücke giebſt, wirſt du alles erhalten, was dein Herz begehrt.“ „Hier haſt du ſie!“ „Ich eile, um euch zu bringen, was du brauchſt.“ Wir verließen den Garten. Im Hofe ſtand Mer- ſinah, die Seele des Palaſtes. Ihre Hände waren jetzt von Ruß geſchwärzt. Sie rührte mit dem Zeigefinger in einem Gefäße voll zerlaſſener Butter. „Emir, wirſt du die Zimmer nehmen?“ erkundigte ſie ſich. Bei dieſer Frage mochte ihr einfallen, daß der Finger kein integrierender Teil des Napfes ſei; ſie zog ihn alſo heraus und ſtrich ihn ſehr behutſam an der herausgeſtreckten Zunge ab. „Ich werde ſie behalten; auch den Schuppen und den Garten.“ „Er hat bereits alles bezahlt,“ bemerkte der Agha nachdrücklich. „Wie viel?“ fragte ſie. „Fünfunddreißig Piaſter für die erſte Woche.“ Von dem Bakſchiſch ſagte der Schalk nichts. Ob er wohl auch in dieſer Beziehung unter dem Paputſch *) ſeiner „Myrte“ ſtand? Ich nahm noch eine Mahbub- Zechine **) aus der Börſe und gab ſie ihr. „Hier nimm, du Perle der Gaſtfreundſchaft! Das iſt das erſte Bakſchiſch für dich. Wenn wir mit dir zu- frieden ſind, wirſt du mehr erhalten.“ Sie griff höchſt eilfertig zu und ſteckte das Geld in ihren Gürtel. *) Pantoffel. **) Ungefähr fünf Mark.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/183
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/183>, abgerufen am 22.12.2024.