"Ich danke dir, o Herr! Ich werde darüber wachen, daß du dich in meinem Hause so wohl befindest, wie im Schoße des Erzvaters Ibrahim. Ich sehe, daß du der Emir der tapfern Krieger bist, welche die Frauen ver- ehren und Bakschisch geben. Geht hinauf in eure Zim- mer! Ich werde euch einen steifen Pirindsch machen, mit sehr viel zerlassener Butter darüber!"
Dabei fuhr sie selbstvergessen und "in der Gewohn- heit holder Sitte" mit dem Finger wieder in den Napf und begann von neuem zu rühren. Ihr Anerbieten war ein sehr leutseliges, aber -- brrrr!
"Deine Güte ist groß," antwortete ich, "aber wir haben leider keine Zeit, sie anzunehmen, da wir jetzt aus- gehen müssen."
"Aber du wünschest doch, daß ich die Speisen für euch bereite, Emir?"
"Du sagtest doch, daß du Tag und Nacht zu ar- beiten hättest, um nur den Agha zu bedienen; wir dürfen dich also nicht noch mehr belästigen. Uebrigens steht zu erwarten, daß wir oft zu Tische geladen werden, und wenn dies nicht der Fall ist, so werden wir unser Essen beim Jemegidschi *) holen lassen."
"Aber das Ehrenmahl darfst du mir doch nicht ver- sagen!"
"Nun wohl, so siede uns einige Eier; etwas anderes dürfen wir heute nicht essen."
Das war das einzige, was man füglicherweise aus den Händen der zarten "Myrte" genießen konnte.
"Eier? Ja, die sollst du haben, Effendi," antwortete sie geschäftig; "aber wenn ihr sie esset, so schonet der Scha- len, denn Agha Selim gebraucht sie als Becher, und dieser Unvorsichtige ist so unbedachtsam, sie alle zu zerbrechen."
*) Speisewirt.
„Ich danke dir, o Herr! Ich werde darüber wachen, daß du dich in meinem Hauſe ſo wohl befindeſt, wie im Schoße des Erzvaters Ibrahim. Ich ſehe, daß du der Emir der tapfern Krieger biſt, welche die Frauen ver- ehren und Bakſchiſch geben. Geht hinauf in eure Zim- mer! Ich werde euch einen ſteifen Pirindſch machen, mit ſehr viel zerlaſſener Butter darüber!“
Dabei fuhr ſie ſelbſtvergeſſen und „in der Gewohn- heit holder Sitte“ mit dem Finger wieder in den Napf und begann von neuem zu rühren. Ihr Anerbieten war ein ſehr leutſeliges, aber — brrrr!
„Deine Güte iſt groß,“ antwortete ich, „aber wir haben leider keine Zeit, ſie anzunehmen, da wir jetzt aus- gehen müſſen.“
„Aber du wünſcheſt doch, daß ich die Speiſen für euch bereite, Emir?“
„Du ſagteſt doch, daß du Tag und Nacht zu ar- beiten hätteſt, um nur den Agha zu bedienen; wir dürfen dich alſo nicht noch mehr beläſtigen. Uebrigens ſteht zu erwarten, daß wir oft zu Tiſche geladen werden, und wenn dies nicht der Fall iſt, ſo werden wir unſer Eſſen beim Jemegidſchi *) holen laſſen.“
„Aber das Ehrenmahl darfſt du mir doch nicht ver- ſagen!“
„Nun wohl, ſo ſiede uns einige Eier; etwas anderes dürfen wir heute nicht eſſen.“
Das war das einzige, was man füglicherweiſe aus den Händen der zarten „Myrte“ genießen konnte.
„Eier? Ja, die ſollſt du haben, Effendi,“ antwortete ſie geſchäftig; „aber wenn ihr ſie eſſet, ſo ſchonet der Scha- len, denn Agha Selim gebraucht ſie als Becher, und dieſer Unvorſichtige iſt ſo unbedachtſam, ſie alle zu zerbrechen.“
*) Speiſewirt.
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„Ich danke dir, o Herr! Ich werde darüber wachen,
daß du dich in meinem Hauſe ſo wohl befindeſt, wie im
Schoße des Erzvaters Ibrahim. Ich ſehe, daß du der
Emir der tapfern Krieger biſt, welche die Frauen ver-
ehren und Bakſchiſch geben. Geht hinauf in eure Zim-
mer! Ich werde euch einen ſteifen Pirindſch machen, mit
ſehr viel zerlaſſener Butter darüber!“
Dabei fuhr ſie ſelbſtvergeſſen und „in der Gewohn-
heit holder Sitte“ mit dem Finger wieder in den Napf
und begann von neuem zu rühren. Ihr Anerbieten war
ein ſehr leutſeliges, aber — brrrr!
„Deine Güte iſt groß,“ antwortete ich, „aber wir
haben leider keine Zeit, ſie anzunehmen, da wir jetzt aus-
gehen müſſen.“
„Aber du wünſcheſt doch, daß ich die Speiſen für
euch bereite, Emir?“
„Du ſagteſt doch, daß du Tag und Nacht zu ar-
beiten hätteſt, um nur den Agha zu bedienen; wir dürfen
dich alſo nicht noch mehr beläſtigen. Uebrigens ſteht zu
erwarten, daß wir oft zu Tiſche geladen werden, und
wenn dies nicht der Fall iſt, ſo werden wir unſer Eſſen
beim Jemegidſchi *) holen laſſen.“
„Aber das Ehrenmahl darfſt du mir doch nicht ver-
ſagen!“
„Nun wohl, ſo ſiede uns einige Eier; etwas anderes
dürfen wir heute nicht eſſen.“
Das war das einzige, was man füglicherweiſe aus
den Händen der zarten „Myrte“ genießen konnte.
„Eier? Ja, die ſollſt du haben, Effendi,“ antwortete
ſie geſchäftig; „aber wenn ihr ſie eſſet, ſo ſchonet der Scha-
len, denn Agha Selim gebraucht ſie als Becher, und dieſer
Unvorſichtige iſt ſo unbedachtſam, ſie alle zu zerbrechen.“
*) Speiſewirt.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/184>, abgerufen am 22.12.2024.
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