Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Nein."

"Nur unterhandeln? Das würde zu nichts führen."

"Ich soll ihm sagen, daß wir jeden Mann aus Ama-
dijah, der unser Gebiet betritt, gefangen nehmen und zu-
rückhalten werden, bis die beiden Männer wieder bei
uns sind."

"Also Repressalien! Das würde keine großen Folgen
haben, denn ihm ist es wohl sehr gleich, ob ein Bewohner
Amadijahs euer Gefangener ist oder nicht. Und sodann
müßt ihr bedenken, daß aus einem solchen Verfahren sehr
leicht bedeutende Konflikte entstehen können. Das beste
würde sein, wenn es diesen Männern gelänge, zu ent-
fliehen."

"Das sagt auch der Bey; aber eine Flucht ist nicht
möglich."

"Warum nicht? Ist die Bewachung streng?"

"O, die Wächter machen uns keine Sorge. Es ist
ein Sergeant mit drei Männern, die wir bald überwäl-
tigt hätten; aber das könnte einen Lärm ergeben, der uns
gefährlich werden möchte."

"Gefährlich? Hm!"

"Die Hauptsache aber: es ist ganz unmöglich, in das
Gefängnis zu kommen."

"Warum?"

"Die Mauern sind zu stark, und der Eingang mit
zwei Thüren verschlossen, die mit starkem Eisen beschlagen
sind. Das Gefängnis stößt an den Garten dieses Hauses,
wo der Agha der Arnauten wohnt; jedes ungewöhnliche
Geräusch kann ihn aufmerksam machen und uns verderb-
lich werden. Wir müssen auf den Gedanken einer Flucht
verzichten."

"Auch wenn ihr einen Mann findet, der bereit ist,
euch behilflich zu sein?"

„Nein.“

„Nur unterhandeln? Das würde zu nichts führen.“

„Ich ſoll ihm ſagen, daß wir jeden Mann aus Ama-
dijah, der unſer Gebiet betritt, gefangen nehmen und zu-
rückhalten werden, bis die beiden Männer wieder bei
uns ſind.“

„Alſo Repreſſalien! Das würde keine großen Folgen
haben, denn ihm iſt es wohl ſehr gleich, ob ein Bewohner
Amadijahs euer Gefangener iſt oder nicht. Und ſodann
müßt ihr bedenken, daß aus einem ſolchen Verfahren ſehr
leicht bedeutende Konflikte entſtehen können. Das beſte
würde ſein, wenn es dieſen Männern gelänge, zu ent-
fliehen.“

„Das ſagt auch der Bey; aber eine Flucht iſt nicht
möglich.“

„Warum nicht? Iſt die Bewachung ſtreng?“

„O, die Wächter machen uns keine Sorge. Es iſt
ein Sergeant mit drei Männern, die wir bald überwäl-
tigt hätten; aber das könnte einen Lärm ergeben, der uns
gefährlich werden möchte.“

„Gefährlich? Hm!“

„Die Hauptſache aber: es iſt ganz unmöglich, in das
Gefängnis zu kommen.“

„Warum?“

„Die Mauern ſind zu ſtark, und der Eingang mit
zwei Thüren verſchloſſen, die mit ſtarkem Eiſen beſchlagen
ſind. Das Gefängnis ſtößt an den Garten dieſes Hauſes,
wo der Agha der Arnauten wohnt; jedes ungewöhnliche
Geräuſch kann ihn aufmerkſam machen und uns verderb-
lich werden. Wir müſſen auf den Gedanken einer Flucht
verzichten.“

„Auch wenn ihr einen Mann findet, der bereit iſt,
euch behilflich zu ſein?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0215" n="201"/>
        <p>&#x201E;Nein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nur unterhandeln? Das würde zu nichts führen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich &#x017F;oll ihm &#x017F;agen, daß wir jeden Mann aus Ama-<lb/>
dijah, der un&#x017F;er Gebiet betritt, gefangen nehmen und zu-<lb/>
rückhalten werden, bis die beiden Männer wieder bei<lb/>
uns &#x017F;ind.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Al&#x017F;o Repre&#x017F;&#x017F;alien! Das würde keine großen Folgen<lb/>
haben, denn ihm i&#x017F;t es wohl &#x017F;ehr gleich, ob ein Bewohner<lb/>
Amadijahs euer Gefangener i&#x017F;t oder nicht. Und &#x017F;odann<lb/>
müßt ihr bedenken, daß aus einem &#x017F;olchen Verfahren &#x017F;ehr<lb/>
leicht bedeutende Konflikte ent&#x017F;tehen können. Das be&#x017F;te<lb/>
würde &#x017F;ein, wenn es die&#x017F;en Männern gelänge, zu ent-<lb/>
fliehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das &#x017F;agt auch der Bey; aber eine Flucht i&#x017F;t nicht<lb/>
möglich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum nicht? I&#x017F;t die Bewachung &#x017F;treng?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O, die Wächter machen uns keine Sorge. Es i&#x017F;t<lb/>
ein Sergeant mit drei Männern, die wir bald überwäl-<lb/>
tigt hätten; aber das könnte einen Lärm ergeben, der uns<lb/>
gefährlich werden möchte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gefährlich? Hm!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Haupt&#x017F;ache aber: es i&#x017F;t ganz unmöglich, in das<lb/>
Gefängnis zu kommen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Mauern &#x017F;ind zu &#x017F;tark, und der Eingang mit<lb/>
zwei Thüren ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, die mit &#x017F;tarkem Ei&#x017F;en be&#x017F;chlagen<lb/>
&#x017F;ind. Das Gefängnis &#x017F;tößt an den Garten die&#x017F;es Hau&#x017F;es,<lb/>
wo der Agha der Arnauten wohnt; jedes ungewöhnliche<lb/>
Geräu&#x017F;ch kann ihn aufmerk&#x017F;am machen und uns verderb-<lb/>
lich werden. Wir mü&#x017F;&#x017F;en auf den Gedanken einer Flucht<lb/>
verzichten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auch wenn ihr einen Mann findet, der bereit i&#x017F;t,<lb/>
euch behilflich zu &#x017F;ein?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0215] „Nein.“ „Nur unterhandeln? Das würde zu nichts führen.“ „Ich ſoll ihm ſagen, daß wir jeden Mann aus Ama- dijah, der unſer Gebiet betritt, gefangen nehmen und zu- rückhalten werden, bis die beiden Männer wieder bei uns ſind.“ „Alſo Repreſſalien! Das würde keine großen Folgen haben, denn ihm iſt es wohl ſehr gleich, ob ein Bewohner Amadijahs euer Gefangener iſt oder nicht. Und ſodann müßt ihr bedenken, daß aus einem ſolchen Verfahren ſehr leicht bedeutende Konflikte entſtehen können. Das beſte würde ſein, wenn es dieſen Männern gelänge, zu ent- fliehen.“ „Das ſagt auch der Bey; aber eine Flucht iſt nicht möglich.“ „Warum nicht? Iſt die Bewachung ſtreng?“ „O, die Wächter machen uns keine Sorge. Es iſt ein Sergeant mit drei Männern, die wir bald überwäl- tigt hätten; aber das könnte einen Lärm ergeben, der uns gefährlich werden möchte.“ „Gefährlich? Hm!“ „Die Hauptſache aber: es iſt ganz unmöglich, in das Gefängnis zu kommen.“ „Warum?“ „Die Mauern ſind zu ſtark, und der Eingang mit zwei Thüren verſchloſſen, die mit ſtarkem Eiſen beſchlagen ſind. Das Gefängnis ſtößt an den Garten dieſes Hauſes, wo der Agha der Arnauten wohnt; jedes ungewöhnliche Geräuſch kann ihn aufmerkſam machen und uns verderb- lich werden. Wir müſſen auf den Gedanken einer Flucht verzichten.“ „Auch wenn ihr einen Mann findet, der bereit iſt, euch behilflich zu ſein?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/215
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/215>, abgerufen am 22.12.2024.