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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Hunger ist noch größer. Weißt du, daß ich und der kleine
Ifra seit heute morgen in Spandareh gar nichts gegessen
haben?"

"So eßt! Aber trage vor allen Dingen hier auf,
damit mein Gast nicht hungrig von mir geht. Hast du
Wein?"

"Nein. Du bist ein echter Gläubiger geworden und
willst noch immer den Trank der Ungläubigen genießen!
Allah kerihm; ich bin ein Moslem und soll in Amadijah
Wein verlangen?"

"So werde ich mir selbst welchen holen. Verstehest du!"

"Nein, Sihdi, das sollst du nicht; aber hier reden
viele Leute kurdisch, was ich gar nicht verstehe, und das
Türkische kenne ich nur wenig. Ich kann also nur Dinge
kaufen, deren Namen ich weiß."

"Wein heißt türkisch Scharab und kurdisch Scherab;
das ist sehr leicht zu merken. Master Lindsay will welchen
haben; also geh und hole!"

Er ging. Als sich dabei die Thür öffnete, hörte ich
unten die scheltende Stimme Mersinahs, in welche sich die
bittende Stimme eines Mannes mischte, und gleich darauf
kehrte Halef zurück.

"Sihdi, es ist ein Mann unten, den die Wirtin nicht
herauf lassen wollte."

"Wer ist es?"

"Ein Bewohner von Amadijah, dessen Tochter krank ist."

"Was hat dies mit uns zu thun?"

"Verzeihe, Sihdi! Als ich vorhin Brot kaufte, kam
ein Mann gerannt, der mich beinahe über den Haufen
riß. Ich fragte ihn, was er so eilig zu laufen habe, und
er sagte mir, daß er nach einem Hekim *) suche, weil seine
Tochter ganz plötzlich krank geworden sei und vielleicht

*) Arzt.

Hunger iſt noch größer. Weißt du, daß ich und der kleine
Ifra ſeit heute morgen in Spandareh gar nichts gegeſſen
haben?“

„So eßt! Aber trage vor allen Dingen hier auf,
damit mein Gaſt nicht hungrig von mir geht. Haſt du
Wein?“

„Nein. Du biſt ein echter Gläubiger geworden und
willſt noch immer den Trank der Ungläubigen genießen!
Allah kerihm; ich bin ein Moslem und ſoll in Amadijah
Wein verlangen?“

„So werde ich mir ſelbſt welchen holen. Verſteheſt du!“

„Nein, Sihdi, das ſollſt du nicht; aber hier reden
viele Leute kurdiſch, was ich gar nicht verſtehe, und das
Türkiſche kenne ich nur wenig. Ich kann alſo nur Dinge
kaufen, deren Namen ich weiß.“

„Wein heißt türkiſch Scharab und kurdiſch Scherab;
das iſt ſehr leicht zu merken. Maſter Lindſay will welchen
haben; alſo geh und hole!“

Er ging. Als ſich dabei die Thür öffnete, hörte ich
unten die ſcheltende Stimme Merſinahs, in welche ſich die
bittende Stimme eines Mannes miſchte, und gleich darauf
kehrte Halef zurück.

„Sihdi, es iſt ein Mann unten, den die Wirtin nicht
herauf laſſen wollte.“

„Wer iſt es?“

„Ein Bewohner von Amadijah, deſſen Tochter krank iſt.“

„Was hat dies mit uns zu thun?“

„Verzeihe, Sihdi! Als ich vorhin Brot kaufte, kam
ein Mann gerannt, der mich beinahe über den Haufen
riß. Ich fragte ihn, was er ſo eilig zu laufen habe, und
er ſagte mir, daß er nach einem Hekim *) ſuche, weil ſeine
Tochter ganz plötzlich krank geworden ſei und vielleicht

*) Arzt.
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[204/0218] Hunger iſt noch größer. Weißt du, daß ich und der kleine Ifra ſeit heute morgen in Spandareh gar nichts gegeſſen haben?“ „So eßt! Aber trage vor allen Dingen hier auf, damit mein Gaſt nicht hungrig von mir geht. Haſt du Wein?“ „Nein. Du biſt ein echter Gläubiger geworden und willſt noch immer den Trank der Ungläubigen genießen! Allah kerihm; ich bin ein Moslem und ſoll in Amadijah Wein verlangen?“ „So werde ich mir ſelbſt welchen holen. Verſteheſt du!“ „Nein, Sihdi, das ſollſt du nicht; aber hier reden viele Leute kurdiſch, was ich gar nicht verſtehe, und das Türkiſche kenne ich nur wenig. Ich kann alſo nur Dinge kaufen, deren Namen ich weiß.“ „Wein heißt türkiſch Scharab und kurdiſch Scherab; das iſt ſehr leicht zu merken. Maſter Lindſay will welchen haben; alſo geh und hole!“ Er ging. Als ſich dabei die Thür öffnete, hörte ich unten die ſcheltende Stimme Merſinahs, in welche ſich die bittende Stimme eines Mannes miſchte, und gleich darauf kehrte Halef zurück. „Sihdi, es iſt ein Mann unten, den die Wirtin nicht herauf laſſen wollte.“ „Wer iſt es?“ „Ein Bewohner von Amadijah, deſſen Tochter krank iſt.“ „Was hat dies mit uns zu thun?“ „Verzeihe, Sihdi! Als ich vorhin Brot kaufte, kam ein Mann gerannt, der mich beinahe über den Haufen riß. Ich fragte ihn, was er ſo eilig zu laufen habe, und er ſagte mir, daß er nach einem Hekim *) ſuche, weil ſeine Tochter ganz plötzlich krank geworden ſei und vielleicht *) Arzt.

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/218>, abgerufen am 22.12.2024.