"Das glaube ich nicht. Ich bin im Giölgeda padi- schahnün, besitze die Empfehlungen des Mutessarif und habe einen Buluk Emini bei mir, dessen Anwesenheit schon genügend wäre, mich zu schützen."
"Aber was willst du hier thun?"
"Unheil vermeiden, wenn es möglich ist."
"Weiß Ali Bey davon?"
"Nein."
"Oder der Mir Scheik Kahn?"
"Auch nicht. Sie erfahren es noch immer zur rechten Zeit."
Ich hatte wirklich große Mühe, den Scheik zur Billigung meines Vorhabens zu überreden. Endlich aber gelang es mir.
"Allah il Allah! Die Wege des Menschen sind im Buche vorgeschrieben," meinte er; "ich will dich nicht be- wegen, von diesem Vorhaben abzulassen, aber ich werde hier bei dir bleiben!"
"Du? Das geht nicht!"
"Warum?"
"Sie dürfen dich nicht finden."
"Dich auch nicht."
"Ich habe dir bereits auseinandergesetzt, daß ich keine Gefahr laufe; dich aber, wenn du erkannt wirst, erwartet ein anderes Loos."
"Das Ende des Menschen steht im Buche verzeichnet. Soll ich sterben, so muß ich sterben, und dann ist es gleich, ob es hier geschieht oder dort in Amadijah."
"Du willst in dein Unglück rennen, aber du vergissest, daß du auch mich darein verwickelst."
„Du, ja.“
„Und du?“
„Ich werde hier zurückbleiben.“
„Allah kerihm! Wozu? Das würde dein Tod ſein!“
„Das glaube ich nicht. Ich bin im Giölgeda padi- ſchahnün, beſitze die Empfehlungen des Muteſſarif und habe einen Buluk Emini bei mir, deſſen Anweſenheit ſchon genügend wäre, mich zu ſchützen.“
„Aber was willſt du hier thun?“
„Unheil vermeiden, wenn es möglich iſt.“
„Weiß Ali Bey davon?“
„Nein.“
„Oder der Mir Scheik Kahn?“
„Auch nicht. Sie erfahren es noch immer zur rechten Zeit.“
Ich hatte wirklich große Mühe, den Scheik zur Billigung meines Vorhabens zu überreden. Endlich aber gelang es mir.
„Allah il Allah! Die Wege des Menſchen ſind im Buche vorgeſchrieben,“ meinte er; „ich will dich nicht be- wegen, von dieſem Vorhaben abzulaſſen, aber ich werde hier bei dir bleiben!“
„Du? Das geht nicht!“
„Warum?“
„Sie dürfen dich nicht finden.“
„Dich auch nicht.“
„Ich habe dir bereits auseinandergeſetzt, daß ich keine Gefahr laufe; dich aber, wenn du erkannt wirſt, erwartet ein anderes Loos.“
„Das Ende des Menſchen ſteht im Buche verzeichnet. Soll ich ſterben, ſo muß ich ſterben, und dann iſt es gleich, ob es hier geſchieht oder dort in Amadijah.“
„Du willſt in dein Unglück rennen, aber du vergiſſeſt, daß du auch mich darein verwickelſt.“
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„Du, ja.“
„Und du?“
„Ich werde hier zurückbleiben.“
„Allah kerihm! Wozu? Das würde dein Tod ſein!“
„Das glaube ich nicht. Ich bin im Giölgeda padi-
ſchahnün, beſitze die Empfehlungen des Muteſſarif und
habe einen Buluk Emini bei mir, deſſen Anweſenheit ſchon
genügend wäre, mich zu ſchützen.“
„Aber was willſt du hier thun?“
„Unheil vermeiden, wenn es möglich iſt.“
„Weiß Ali Bey davon?“
„Nein.“
„Oder der Mir Scheik Kahn?“
„Auch nicht. Sie erfahren es noch immer zur rechten
Zeit.“
Ich hatte wirklich große Mühe, den Scheik zur Billigung
meines Vorhabens zu überreden. Endlich aber gelang es mir.
„Allah il Allah! Die Wege des Menſchen ſind im
Buche vorgeſchrieben,“ meinte er; „ich will dich nicht be-
wegen, von dieſem Vorhaben abzulaſſen, aber ich werde
hier bei dir bleiben!“
„Du? Das geht nicht!“
„Warum?“
„Sie dürfen dich nicht finden.“
„Dich auch nicht.“
„Ich habe dir bereits auseinandergeſetzt, daß ich keine
Gefahr laufe; dich aber, wenn du erkannt wirſt, erwartet
ein anderes Loos.“
„Das Ende des Menſchen ſteht im Buche verzeichnet.
Soll ich ſterben, ſo muß ich ſterben, und dann iſt es gleich,
ob es hier geſchieht oder dort in Amadijah.“
„Du willſt in dein Unglück rennen, aber du vergiſſeſt,
daß du auch mich darein verwickelſt.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/22>, abgerufen am 22.12.2024.
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