eingemachte Walnüsse, Teufelsdreck und Feigen. -- Alles lag hier friedlich bei-, neben-, unter-, über- und durch- einander, und dabei saß ein schmutziges Männlein, welches grad so aussah, als habe es alle diese Mittel und In- gredienzien soeben innerlich und äußerlich an sich selbst probiert. Welches Unheil hatte dieser Attar wohl bereits angerichtet!
Ich konnte für meine Zwecke nur Kupfervitriol be- kommen und nahm noch ein Fläschchen Salmiakgeist mit. Das erstere wirkte nach unserer Rückkehr zur Kranken recht befriedigend. Dann gab ich ihr starken Kaffee mit Citronensaft und dann den Galläpfelaufguß. Hierauf schärfte ich zur Verhütung eines etwaigen Steck- und Schlagflusses ihren Verwandten ein, sie durch Schütteln, Bespritzen mit kaltem Wasser und Riechenlassen an dem Salmiakgeist möglichst am Einschlafen zu verhindern, und versprach baldigst wiederzukommen.
Diese Behandlung war wohl keine ganz richtige, aber ich verstand es nicht besser, und -- sie hatte Erfolg. Nun konnte ich, da die augenblickliche Gefahr entfernt zu sein schien, auch an anderes denken. Ich blickte mich im Zimmer genau um, und sah ein kleines Körbchen in der Ecke stehen, welches noch ziemlich mit Maulbeeren gefüllt war. Zwischen diesen sah ich mehrere -- Tollkirschen liegen.
"Willst du den bösen Geist sehen, der in die Kranke gefahren ist?" fragte ich den Hekim.
"Einen Geist kann man nicht sehen. Und selbst wenn dies möglich wäre, könntest du ihn mir nicht zeigen, da du nicht an ihn glaubst. Wenn das Mädchen nicht stirbt, so hat mein Amulett geholfen."
"Hast du nicht gesehen, daß ich es ihr sofort vom Halse nahm? Hier liegt es, ich werde es öffnen."
"Das darfst du nicht!" rief er, schnell zugreifend.
eingemachte Walnüſſe, Teufelsdreck und Feigen. — Alles lag hier friedlich bei-, neben-, unter-, über- und durch- einander, und dabei ſaß ein ſchmutziges Männlein, welches grad ſo ausſah, als habe es alle dieſe Mittel und In- gredienzien ſoeben innerlich und äußerlich an ſich ſelbſt probiert. Welches Unheil hatte dieſer Attar wohl bereits angerichtet!
Ich konnte für meine Zwecke nur Kupfervitriol be- kommen und nahm noch ein Fläſchchen Salmiakgeiſt mit. Das erſtere wirkte nach unſerer Rückkehr zur Kranken recht befriedigend. Dann gab ich ihr ſtarken Kaffee mit Citronenſaft und dann den Galläpfelaufguß. Hierauf ſchärfte ich zur Verhütung eines etwaigen Steck- und Schlagfluſſes ihren Verwandten ein, ſie durch Schütteln, Beſpritzen mit kaltem Waſſer und Riechenlaſſen an dem Salmiakgeiſt möglichſt am Einſchlafen zu verhindern, und verſprach baldigſt wiederzukommen.
Dieſe Behandlung war wohl keine ganz richtige, aber ich verſtand es nicht beſſer, und — ſie hatte Erfolg. Nun konnte ich, da die augenblickliche Gefahr entfernt zu ſein ſchien, auch an anderes denken. Ich blickte mich im Zimmer genau um, und ſah ein kleines Körbchen in der Ecke ſtehen, welches noch ziemlich mit Maulbeeren gefüllt war. Zwiſchen dieſen ſah ich mehrere — Tollkirſchen liegen.
„Willſt du den böſen Geiſt ſehen, der in die Kranke gefahren iſt?“ fragte ich den Hekim.
„Einen Geiſt kann man nicht ſehen. Und ſelbſt wenn dies möglich wäre, könnteſt du ihn mir nicht zeigen, da du nicht an ihn glaubſt. Wenn das Mädchen nicht ſtirbt, ſo hat mein Amulett geholfen.“
„Haſt du nicht geſehen, daß ich es ihr ſofort vom Halſe nahm? Hier liegt es, ich werde es öffnen.“
„Das darfſt du nicht!“ rief er, ſchnell zugreifend.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0224"n="210"/>
eingemachte Walnüſſe, Teufelsdreck und Feigen. — Alles<lb/>
lag hier friedlich bei-, neben-, unter-, über- und durch-<lb/>
einander, und dabei ſaß ein ſchmutziges Männlein, welches<lb/>
grad ſo ausſah, als habe es alle dieſe Mittel und In-<lb/>
gredienzien ſoeben innerlich und äußerlich an ſich ſelbſt<lb/>
probiert. Welches Unheil hatte dieſer Attar wohl bereits<lb/>
angerichtet!</p><lb/><p>Ich konnte für meine Zwecke nur Kupfervitriol be-<lb/>
kommen und nahm noch ein Fläſchchen Salmiakgeiſt mit.<lb/>
Das erſtere wirkte nach unſerer Rückkehr zur Kranken<lb/>
recht befriedigend. Dann gab ich ihr ſtarken Kaffee mit<lb/>
Citronenſaft und dann den Galläpfelaufguß. Hierauf<lb/>ſchärfte ich zur Verhütung eines etwaigen Steck- und<lb/>
Schlagfluſſes ihren Verwandten ein, ſie durch Schütteln,<lb/>
Beſpritzen mit kaltem Waſſer und Riechenlaſſen an dem<lb/>
Salmiakgeiſt möglichſt am Einſchlafen zu verhindern, und<lb/>
verſprach baldigſt wiederzukommen.</p><lb/><p>Dieſe Behandlung war wohl keine ganz richtige, aber<lb/>
ich verſtand es nicht beſſer, und —ſie hatte Erfolg.<lb/>
Nun konnte ich, da die augenblickliche Gefahr entfernt zu<lb/>ſein ſchien, auch an anderes denken. Ich blickte mich im<lb/>
Zimmer genau um, und ſah ein kleines Körbchen in der Ecke<lb/>ſtehen, welches noch ziemlich mit Maulbeeren gefüllt war.<lb/>
Zwiſchen dieſen ſah ich mehrere — Tollkirſchen liegen.</p><lb/><p>„Willſt du den böſen Geiſt ſehen, der in die Kranke<lb/>
gefahren iſt?“ fragte ich den Hekim.</p><lb/><p>„Einen Geiſt kann man nicht ſehen. Und ſelbſt wenn<lb/>
dies möglich wäre, könnteſt du ihn mir nicht zeigen, da<lb/>
du nicht an ihn glaubſt. Wenn das Mädchen nicht ſtirbt,<lb/>ſo hat mein Amulett geholfen.“</p><lb/><p>„Haſt du nicht geſehen, daß ich es ihr ſofort vom<lb/>
Halſe nahm? Hier liegt es, ich werde es öffnen.“</p><lb/><p>„Das darfſt du nicht!“ rief er, ſchnell zugreifend.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[210/0224]
eingemachte Walnüſſe, Teufelsdreck und Feigen. — Alles
lag hier friedlich bei-, neben-, unter-, über- und durch-
einander, und dabei ſaß ein ſchmutziges Männlein, welches
grad ſo ausſah, als habe es alle dieſe Mittel und In-
gredienzien ſoeben innerlich und äußerlich an ſich ſelbſt
probiert. Welches Unheil hatte dieſer Attar wohl bereits
angerichtet!
Ich konnte für meine Zwecke nur Kupfervitriol be-
kommen und nahm noch ein Fläſchchen Salmiakgeiſt mit.
Das erſtere wirkte nach unſerer Rückkehr zur Kranken
recht befriedigend. Dann gab ich ihr ſtarken Kaffee mit
Citronenſaft und dann den Galläpfelaufguß. Hierauf
ſchärfte ich zur Verhütung eines etwaigen Steck- und
Schlagfluſſes ihren Verwandten ein, ſie durch Schütteln,
Beſpritzen mit kaltem Waſſer und Riechenlaſſen an dem
Salmiakgeiſt möglichſt am Einſchlafen zu verhindern, und
verſprach baldigſt wiederzukommen.
Dieſe Behandlung war wohl keine ganz richtige, aber
ich verſtand es nicht beſſer, und — ſie hatte Erfolg.
Nun konnte ich, da die augenblickliche Gefahr entfernt zu
ſein ſchien, auch an anderes denken. Ich blickte mich im
Zimmer genau um, und ſah ein kleines Körbchen in der Ecke
ſtehen, welches noch ziemlich mit Maulbeeren gefüllt war.
Zwiſchen dieſen ſah ich mehrere — Tollkirſchen liegen.
„Willſt du den böſen Geiſt ſehen, der in die Kranke
gefahren iſt?“ fragte ich den Hekim.
„Einen Geiſt kann man nicht ſehen. Und ſelbſt wenn
dies möglich wäre, könnteſt du ihn mir nicht zeigen, da
du nicht an ihn glaubſt. Wenn das Mädchen nicht ſtirbt,
ſo hat mein Amulett geholfen.“
„Haſt du nicht geſehen, daß ich es ihr ſofort vom
Halſe nahm? Hier liegt es, ich werde es öffnen.“
„Das darfſt du nicht!“ rief er, ſchnell zugreifend.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/224>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.